Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1800 - Thomas Garnett
Auf Mull
Innere Hebriden

Die Hütten auf Mull, die gemeiniglich in kleinen Dörfer ohne Ordnung und Regel hingeworfen sind, sodass jemand sagte, es scheine in diesem Lande schauerweise Hütten geregnet zu haben, sind äußerst elend, und im Grunde um nichts besser als die Cabanen der Südsee-Eiländer oder die Wigwams der amerikanischen Wilden. Sie sind um vieles schlechter als alle, die man im Hochland sieht. Sie bestehen gemeiniglich gleich den Letzteren aus zwei elenden Gemächern, deren eines der ganzen Familie als Wohn-, Schlaf- und Vorratszimmer dient. Sie sind gewöhnlich aus runden Kieselsteinen aufgeführt, ohne den geringsten Mörtel; daher sie denn wenig taugen, die Bewohner vor dem Unbill der Witterung zu schützen. Manche, die aus Erde aufgeführt waren, schienen mir vor diesen den Vorzug größerer Wärme vorauszuhaben. Der Fußboden ist weiter nichts als das Stück Erdboden, wie es Gott erschuf, und wie es von den Bewohnern zusammengetreten worden ist. Ein solcher Boden ist immer feucht, und bei nassem Wetter durchaus kotig. Auch hier befindet sich in der Mitte des Fußbodens das Torffeuer, worüber der eiserne Topf an einem Haken hängt, der vom Dach herunter kommt. Einige dieser Hütten haben ein Loch im Dach, damit der Rauch hinaus ziehen möge, andere nicht. Alle sind voll Rauch, der, so gut er kann, zur Tür hinaus seinen Ausgang sucht. Diese sogenannte Tür, die nicht über fünf Fuß hoch ist, wird gemeiniglich aus Brettern zusammengefügt; bisweilen ist sie bloß aus Weidenreisern geflochten. Statt des Fensters dient ein Loch in der Wand, das ungefähr einen Fuß im Viereck hält. Es wird bisweilen mit einer dicken Glasscheibe, bisweilen bloß mit einem hölzernen Laden verschlossen, der bei Tage offen bleibt. Inwendig längs der Wände stehen kleine Krippen statt Bettstellen; das Bett besteht aus Heide, deren Wurzeln nach unten gekehrt werden, die Spitzen nach oben. Oberhalb dieser Betten sind Stangen angebracht, auf welchen große Rasenstücke ruhen. Dies gibt eine Art von Sims, worauf sie ihr Gerät auftürmen; auch dient es, den Regen, der durch das Dach herein fällt, wenigstens von den Betten abzuhalten. Gedeckt sind diese Hütten gemeiniglich mit Farnkraut oder Heide, selten mit Stroh; Stricke von Heide halten das Dach zusammen und werden durch Steine gespannt, die in die Enden eingeknöpft sind und zu beiden Seiten des Daches herunter hängen. Bisweilen besteht das Dach aus bloßen Soden.
   Das Innere dieser Hütten, das Dach besonders, ist mit Ruß überzogen, und Tropfen einer zähen, rötlichen Flüssigkeit (acidum pyroligneum) hängen von jedem Stück Holz herunter, durch das das Dach getragen wird. Übrigens gilt dies nicht etwa für die eine oder andere besonders armselige Hütte; es gilt so ziemlich von allen, indem wir die Neugier hatten, in mehrere hineinzugehen und sie zu untersuchen.
   Dass solche Wohnungen nicht gesund sein können, begreift man. Den Kindern zumal, die einer reineren Luft nicht füglich entbehren können, sind sie verderblich. Es wurde mir von mehreren Predigern bestätigt, dass kaum ein Drittel der Kinder, die so unglücklich sind, hier das Licht der Welt zu begrüßen, das zwölfte Jahr erreicht; wogegen in anderen Landgegenden des nördlichen England kaum einer von zwanzig vor diesem Alter stirbt. Wenig Aufmerksamkeit wird hier auf die Pflege der Kinder gewandt; die unselige Gewohnheit, ihnen im zartesten Alter schon gebrannte Wässer zu reichen, hilft ohne Zweifel ihre Zerstörung nur zu beschleunigen.
   Der Ackerbau ist ziemlich unbedeutend; und wiewohl einiger Verbesserung fähig, so wird er doch schwerlich jemals so hoch getrieben werden können, dass er die Einwohner hinlänglich mit Korn versorgt. Das urbare Land liegt meistens neben dem Strande; aber auch hier ist der Boden im Ganzen nur mager, eine leichte rötliche Erde mit Moos gemischt, von geringer Tiefe, und steht häufig unter Wasser. Derjenigen Flecken, die eine günstigere Beschreibung verdienten, sind vergleichsweise nur wenige. Die gemeinste Aussaat ist eine sehr geringe Gattung von Hafer, den die Einwohner leichten Hafer nennen. Sie säen ihn zu Ende März, und es wird Oktober, ja wohl November, bevor er reift. Er gibt in der Regel drei Körner wieder, die aber so leicht sind, dass zwei Scheffel Korn nur einen Scheffel Mehl ergeben. Gerste wird zu Ende des Aprils gesät und reif mit Ende des August. Sie lohnt sechs- bis zehnfältig, ja wohl sechzehnfältig - dies jedoch nur selten -, wenn das Land alt und mit Seeprodukten gedüngt ist. Das meiste von der Gerste wird zu Whisky gebrannt, der nur allzu gemein in den Hochlanden ist. Die letzte Akte, welche die Brenner nötigt, einen Erlaubnisschein zu lösen, hat allerdings die Zahl der Blasen in den Hochlanden beträchtlich vermindert; in den abgeschiedenen Schluchten aber destilliert ein jeder selbst, ohne besorgen zu dürfen, dass die Steuereinnehmer ihn entdecken möchten. Es wäre sehr zu wünschen, dass dies verderbende Gift aus dem Lande verbannt, und ein guter Malztrank, der mit dem vierten Teil der Mühe gemacht werden könnte, dagegen eingeführt würde. Aller Gewinn, der dem Schatz aus dieser unseligen Konsumption zuwächst, ist kein Ersatz für die Verheerung, die er mit der Gesundheit und den Sitten der Gesellschaft anrichtet.
   Kartoffeln wachsen hier ausnehmend gut; sie werden mit dem Spaten in lockere Beete gepflanzt und machen das Hauptnahrungsmittel des ärmeren Volkes aus während wenigstens drei Viertel des Jahres. Vor Einführung dieser nützlichen Wurzel, die wir Amerika verdanken, und welche kostbarer ist als alles Gold von Mexiko, alle Diamanten von Golconda [in Indien] und aller Tee von China, erlitten die Hochländer, hauptsächlich die Bewohner der westlichen Inseln, nicht selten den schauderhaftesten Mangel. Abhängig von einem bisschen Mehl für ihren Lebensunterhalt, wurden ihre Hoffnungen häufig vereitelt. Das Korn verfaulte auf dem Boden; um nur des Verhungerns sich zu erwehren, mussten sie das Rindvieh zur Ader lassen, um das Blut zu trinken oder in Kuchen zu verbacken. Geld, um Korn dafür zu kaufen, war nicht vorhanden, gesetzt auch, dass für Geld etwas zu haben gewesen wäre. Das Fehlschlagen der Ernte wegen anhaltenden nassen Wetters ereignet sich im Durchschnitt jedes dritte oder vierte Jahr; heutigentags aber halten die Kartoffeln über den Winter vor, wenn auch Korn und mehr ausgehen. Die Not der vorigen Zeiten ist jetzt kaum mehr zu fürchten und würde gänzlich in Vergessenheit geraten, wenn die Fischerei gehörig ermuntert würde.
   Statt des Düngers bedient man sich auf dieser Insel der Seegewächse, hin und wieder auch des Muschelsandes. Der Dung des Rindviehs reicht nicht weit, weil es an Gelegenheit fehlt, es unterzubringen; doch wird das Vieh im Sommer und Herbst für die Nacht im allgemeinen auf einem Stück Acker in Hürden zusammengetrieben; es gibt eine Art zu düngen, die Teething genannt wird. Da es wenig befahrbare Straßen gibt, so wird der Dünger, er bestehe nun aus Seegewächsen, Muschelsand oder Viehmist, auf dem Rücken der Pferde in Körben fortgebracht, was viel Zeit wegnimmt. Der Pflug, den man auf dieser Insel gebraucht, ist sehr plump, und vermutlich derselbe, den man schon seit Jahrhunderten gebraucht hat; er wird von vier Pferden gezogen, die alle in einer Linie gespannt sind. Die Leute scheinen ihn bloß zu gebrauchen, weil sie keinen bequemeren haben. Da es keine Pflugmacher im Lande gibt, muss jeder Hauswirt seinen Pflug selber machen, was er dann nach der Weise seiner Väter tut. Sollte irgendein Gutsbesitzer einen tüchtigen Wagner anstellen oder seine Pächter mit Pflügen versorgen, so würde der Vorteil sich bald zeigen.
   Nichts ist jedoch der Aufnahme des Ackerbaus und jeder Art der Landwirtschaft so hinderlich wie der Mangel an Kontrakten. Wenige Grundherren in den Hochlanden (denn dies gilt keineswegs nur für die Insel Mull) verpachten ihre Ländereien anders als von Jahr zu Jahr; und wenn der Pächter ein Haus haben will, so muss er sich selbst eins bauen. Das Land wird meistenteils unter der Hand dem Meistbietenden zugeschlagen; wie kann ein Pächter sich dann auf Verbesserungen einlassen, der das Jahr darauf allem Anschein nach seine Pachtung verliert, es wäre denn, dass er sich für seine eigenen Verbesserungen durch einen überhöhten Preis bestrafte. So baut er sich denn, falls er keine Wohnung vorfindet, eine der oben beschriebenen Hütten, die kaum hinreicht, ihn vor der Unfreundlichkeit der Witterung zu schützen. Er zieht aus dem Boden so viel er kann, zu nicht geringem Nachteil des Gutsherrn. Wollten die Grundbesitzer ihren Pächtern Kontrakte auf eine Reihe von Jahren geben, wollten sie ihnen Häuser bauen, oder zu deren Bau sie dadurch aufmuntern, dass sie ihnen bei ihrem Abzug von dem Gut die Nebenausgaben ersetzten, so würden ihre Ländereien sich verbessern, und ihr Einkommen binnen wenigen Jahren sich bedeutend vermehren, während die Pächter des Lebens froher würden, als es jetzt möglich ist. Da die Preise des Korns und des Viehs im Steigen sind, so ist kein Zweifel, dass die Eigner nicht zu einer erhöhten Pacht berechtigt sein sollten, die mit dem steigenden Wert jener Artikel gewissermaßen Schritt hielte. Es ließe sich jedoch leicht ein Plan zu Pacht-Kontrakten ersinnen, worin auf die Vorteile beider Parteien Rücksicht genommen würde.

 

Thomas Garnett's Reise durch die schottischen Hochlande und einen Teil der Hebriden
Wien 1825

Abgedruckt in:
Ulrike Keller (Hrg.)
Reisende in Schottland seit 325 v. Chr.
Wien 2008

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