Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1845 - Ida Pfeiffer
Am Großen Geysir und am Strokkur
Island

 

Nun aber kam das Merkwürdigste, das mir noch je vorgekommen ist; es war dies ein Strom mit einem ganz eigentümlichen Flussbette.
   Dieses Flussbett ist breit und etwas abschüssig; es besteht aus Lavaschichten und ist in der Mitte der Länge nach durch eine etwa sechs Meter tiefe und um fünf Meter breite Schlucht geteilt, der sich das Wasser brausend und schäumend zudrängt, so dass nun schon von weitem das Rauschen desselben hört. Über diese Kluft führt ein hölzernes Brückchen, das in der Mitte des Flusses steht und stets von den hoch aufspringenden Wogen bespült wird. Wer nun nicht näher unterrichtet ist, kann sich schwerlich diesen Anblick sowie das Tosen und Brausen des Stromes enträtseln. Das Stückchen Brücke mitten im Fluss würde man für den Rest einer eben zerstörten Brücke halten und die Kluft sieht man vom Ufer aus nicht, weil sie von den aufschäumenden Wellen überragt ist. Gewiss, von einer unbeschreiblichen Bangigkeit wird man erfasst, sieht man den verwegenen Führer in den ungestümen Fluss hineinreiten und muss ihm dann ohne Gnade und Barmherzigkeit folgen.
   Der Priester zu Thingvalla hatte mich auf diese Szene schon vorbereitet und mir geraten, über diese Brücke zu gehen. Da aber der Wasserstand in dieser Jahreszeit so groß war, dass die Wogen von allen Seiten bei einem halben Meter über die Brücke schlugen, konnte ich nicht absteigen und musste hinüberreiten.
   Die ganze Passage durch den Strom war so eigen, dass man sie sehen muss, aber schwer beschreiben kann. Mit furchtbarer Gewalt tobt und rast das Wasser von allen Seiten; es stürzt mit heftigem Ungestüm in die Kluft, bildet von beiden Seiten Fälle und zerschellt beinah an den emporragenden Klippen. Unweit der Brücke endet die Kluft, und der Strom stürzt dann in seiner ganzen Breite über zehn bis zwölf Meter hohe Felsen. Je mehr wir der Mitte zu kamen, desto wütender, tiefer und reißender wurde der Strom, desto betäubender das Getöse. Die Pferde wurden ängstlich und scheu, und als wir über die Brücke reiten wollten, fingen sie an zu zittern, sträubten sich, wandten sich nach allen Seiten, nur nicht nach der rechten, und versagten uns durchaus den Gehorsam. Mit unendlich vieler Mühe gelang es uns endlich, sie über diese gefahrdrohende Stelle zu bringen.
   Das Tal, welches von diesem originellen Flussbett durchschnitten wird, ist eng und ganz von Lavabergen und -hügeln umfasst; die erstorbene, lautlose Natur vollkommen geschaffen, dem Wanderer diese grausige Szene für immer ins Gedächtnis zu prägen.
   Dieser merkwürdige Strom war das letzte Hindernis gewesen, und nun ging es ruhig und gefahrlos in einem schönen Tale fort bis zu dem Geysir, den jedoch ein vorliegender Hügel meinem spähenden Auge noch lange verbarg. Endlich war auch dieser Hügel umritten, und ich sah den Geysir mit seinen Umgebungen, mit den mächtigen Dampfsäulen, mit den zahllosen Wolken und Wölkchen. Von diesem Hügel hatten wir noch eine halbe Meile an den Geysir und die ihn umgebenden heißen Quellen. Da kochten und sprudelten sie rings um ihn herum, und mitten durch führte der Weg zu seinem Becken. Achtzig Schritte vor diesem wurde Halt gemacht.
   Und nun stand ich da, vor einem Hauptziel meiner Reise; ich sah es, es lag so nah vor mir, und doch wagte ich keinen Schritt weiter. Ich wusste nicht, ob und wie weit man sich dem Becken nähern dürfe. Da kam ein Bauer, der uns aus einer der nahen Koten gefolgt war und meine Begierde und meine Furcht erraten haben mochte; der nahm mich bei der Hand und machte meinen Cicerone. Leider hatte er aber, da es gerade Sonntag war, der Branntweinflasche etwas zu tapfer zugesprochen, so dass er mehr taumelte als ging, und diesem Menschen nun, von dem ich nicht wusste, ob er noch Verstand genug besäße, unterscheiden zu können, wie weit man sich überall wagen dürfe, sollte ich mich anvertrauen? Zwar versicherte mir mein Führer, der mich von Reykjavík hierher begleitet hatte, dass ich ihm dessen ungeachtet trauen dürfe und dass er selbst mitgehen werde, um mir sein isländisches Kauderwelsch in das Dänische zu übersetzen, aber dennoch folgte ich ihm nicht ohne einige Furcht.
   Er führte mich also bis an den Rand des Beckens des Geysirs, der auf einer sanften Erhöhung von höchstens drei Metern liegt und in sich das Becken und den Kessel fasst. Der Durchmesser des Beckens mag zehn Meter betragen, der des Kessels um die zwei Meter. Beide waren bis an den Rand gefüllt, das Wasser war rein wie Kristall, kochte und brauste aber nur sehr wenig. Bald verließen wir die Stelle; denn, sind Becken und Kessel mit Wasser ganz angefüllt, so ist es höchst gefährlich sich ihm zu nähern, da er sich alle Augenblicke durch einen Ausbruch entleeren kann. Wir gingen also, die anderen Quellen zu besichtigen.
   Mein begeisterter Führer bezeichnete mir jene, denen ich ungescheut nahen dürfe, und warnte mich vor den anderen. Dann kehrten wir wieder in die Nähe des Geysirs zurück, wo er mir noch einige Verhaltensregeln für den Fall eines statthabenden Ausbruches gab und mich dann verließ, um Anstalten zu meinem Aufenthalt zu treffen. Ich will hier in Kürze die Regeln meinen Lesern mitteilen.
   »Die Wassersäule steigt immer senkrecht in die Höhe, und das überströmende Wasser hat seine Hauptabzüge stets auf ein und derselben Seite; von dieser muss man sich daher entfernt halten. An den anderen Seiten läuft zwar auch Wasser ab, aber nur in sehr geringer Menge und in unförmlichen Rinnen, denen man leicht ausweichen kann. Man kann sich daher von diesen Seiten selbst bei den stärksten Ausbrüchen bis auf vierzig Schritt nähern. Der Ausbruch selbst kündigt sich durch ein dumpfes Gebrüll an. Wie man nun dies vernimmt, muss man sich gleich auf die bezeichnete Stelle begeben, da der Ausbruch sehr schnell darauf folgt. Das Wasser steigt jedoch nicht jedes Mal in die Höhe oder oft auch nur unbedeutend, so dass man, um eine schöne Explosion zu sehen, manchmal mehrere Tage verweilen muss.«
   Für das Unterkommen der Reisenden sorgte wahrhaft edelmütig der französische Gelehrte, Herr P. Gaimard, der vor einigen Jahren ganz Island bereiste. Er ließ nämlich zwei große Zelte zurück, und zwar das eine hier und das andere in Thingvalla. Das hiesige ist besonders zweckdienlich, da man, wie gesagt, oft mehrere Tage auf einen schönen Ausbruch warten muss. Gewiss wird jeder Reisende, wenigstens in Gedanken, ihm Dank für diese Annehmlichkeit zollen. Ein Bauer, derselbe, der die Reisenden an den Quellen herumführt, hat es zu bewahren und muss es gegen ein Trinkgeld von ein bis zwei Gulden jedermann aufschlagen.
   Als ich mit meinem Zelte in Ordnung kam, war es bereits elf Uhr nachts. Da empfahlen sich alle, und ich blieb allein zurück.
   Man pflegt immer die Nacht zu durchwachen, um keinen Ausbruch zu versäumen. Für mehrere Reisende ist nun zwar ein abwechselndes Wachen keine sehr schwere Sache, für mich allein war es aber doch eine arge Last; und einem isländischen Bauern ist nicht zu trauen; den könnte oft kaum ein Ausbruch des [Vulkans] Hekla erwecken.
   Ich saß bald vor, bald in dem Zelte und horchte mit gespannter Erwartung der Dinge, die da kommen sollten; endlich nach Mitternacht, der Geisterstunde, vernahm ich einige dumpfe Töne, als würde in weiter Ferne eine Kanone gelöst, und deren echoähnlicher Schall durch den Luftzug herüber getragen. Ich stürzte aus dem Zelt und erwartete nun infolge der Beschreibungen, welche ich gelesen hatte, unterirdisches Getöse, heftiges Krachen und Erzittern der Erde als Vorläufer des eigentlichen Ausbruches. Kaum konnte ich mich einer Anwandlung von Furcht erwehren. Um Mitternacht bei einer solchen Szene sich allein zu wissen, ist denn doch keine kleine Sache.
   Manche meiner Freunde und Freundinnen werden sich vielleicht erinnern, wie ich ihnen schon bei meiner Abreise sagte, dass ich mir vorstelle, auf den Reisen in Island vorzüglich in den Nächten am Geysir der meisten Herzhaftigkeit zu benötigen.
   Diese dumpfen Laute ließen sich nur in sehr kurzen Zwischenräumen dreizehn Mal vernehmen; nach einem jedesmaligen Laute überlief das Becken und entleerte sich immer bedeutender Portionen Wassers. Die Töne selbst schienen nicht von einem unterirdischen Tosen, sondern von den starken, heftigen Aufwallungen des Wassers herzurühren. Nach anderthalb Minuten war alles vorüber; das Wasser floss nicht mehr über, Kessel und Becken blieben ziemlich gefüllt, und in jeder Hinsicht getäuscht, kehrte ich wieder in mein Zelt zurück. Diese Erscheinungen wiederholten sich alle zweieinhalb, spätestens alle dreieinhalb Stunden. Ich sah und hörte die ganze Nacht nichts anderes, so wie auch am folgenden Tage und in der zweiten Nacht. Vergebens sah ich einem Ausbruche entgegen.
   Nachdem ich mit dieser periodischen Beschaffenheit meines Nachbars vertraut geworden war, überließ ich mich in den Zwischenräumen entweder einem leisen Schlummer, oder ich besuchte die anderen Quellen und ging auf Entdeckungen aus nach dem kochenden Brodem und nach den verschiedenfarbigen Quellen, welche hier gesehen zu haben manche Reisebeschreiber behaupten.
   Alle heißen Quellen sind in einem Umkreis von 800 bis 900 Schritten vereint; mehrere derselben sind merkwürdig, die meisten aber unbedeutend.
   Sie liegen in einem Winkel eines ungeheuren Tales am Fuße eines Hügels, hinter welchem sich eine Gebirgskette erhebt. Das Tal ist ganz mit Gras bewachsen, und die Vegetation ist nur unmittelbar in der Nähe der Quellen etwas geringer. Auch liegen überall Koten, ja die nächsten an den Quellen mögen kaum 700-800 Schritte davon entfernt sein.
   Größere Becken und Kessel mit kochenden und springenden Quellen zählte ich zwölf, kleinere noch mehr.
   Unter den Springquellen zeichnet sich besonders der Strokkur aus. Er kocht und wallt mit ganz außerordentlicher Heftigkeit in einer Tiefe von ungefähr sechseinhalb Meter, schießt dann plötzlich auf und wirft seine Strahlen in die Höhe. Ein solcher Ausbruch soll oft über eine halbe Stunde währen, und die Strahlen sollen oft an die zwölf Meter hoch gehen. Ich sah mehrere seiner Ausbrüche, aber leider nie einen in dieser vollen Herrlichkeit. Der stärkste Strahl, den ich sah, mochte nicht ganz zehn Meter hoch gehen, und das Aufsteigen währte nie über eine Viertelstunde. Der Strokkur ist außer dem Geysir die einzige Quelle, der man sich vorsichtig nahen muss. Die Ausbrüche folgen oft aufeinander, setzen aber oft auch viele Stunden aus und kündigen sich nicht an. Eine andere Quelle springt beständig, aber nie erheblich über einen Meter. Wieder eine andere liegt ungefähr einen guten Meter tief in einem ziemlich weiten Kessel und wirft kaum einige zarte Bläschen auf. Diese Ruhe ist aber nur scheinbar; sie dauert oft nicht eine halbe Minute, höchst selten zwei bis drei Minuten. Dann fängt die Quelle an zu brausen, zu wallen und zu kochen, und wirft einen halben bis einen Meter hohe Strahlen, die jedoch nie die Höhe des Kessels erreichen. In einigen Kesseln hörte ich wieder ein Kochen und Brausen, wie ein leises Brüllen, sah aber kein Wasser, oft nicht einmal Dampf aufsteigen.
   Zwei der allermerkwürdigsten Quellen aber, wie man sie vielleicht in der ganzen Welt nicht sehen kann, liegen gleich oberhalb des Geysirs in zwei Öffnungen, die durch eine kaum fußbreite Felswand geschieden sind. Diese Scheidewand erhebt sich aber nicht über die Oberfläche des Erdbodens, sondern geht nur in die Tiefe hinab; das Wasser kocht sehr schwach und hat einen gleichmäßig langsamen Abfluss. Die außerordentliche Schönheit dieser Quellen besteht in ihrer merkwürdigen Durchsichtigkeit und Klarheit. All die mannigfaltigen Formen und Höhlen, die vorspringenden Zacken und Ecken der Felsen sieht man weit hinab, bis sich der Blick in den Tiefen der Finsternis verliert. Noch schöner aber und wie dem Feenreiche entnommen wird diese Quelle durch eine herrliche Beleuchtung, die sich an den Felsen bildet. Es ist das zarteste, durchsichtigste, blassgrün und blau spielende Licht und gleicht dem Widerschein eines griechischen Feuers. Das Merkwürdigste aber ist, dass dieses Farbenspiel von den Felsen auszugehen scheint, indem es sich nur 20 bis 23 Zentimeter weit davon erstreckt, und das übrige Wasser wieder farblos, wie das gewöhnliche, nur durchsichtiger und reiner ist.
   Ich konnte das nicht glauben und dachte, die Sonne müsste doch auch mit im Spiele sein; ich ging daher zu den verschiedensten Zeiten an diese Quellen, teils, wenn die Sonne leuchtete, teils wenn sie von Wolken ganz umhüllt war, ja selbst nach ihrem Untergange: die Beleuchtung blieb immer dieselbe, immer das gleiche, überirdisch schöne Farbenspiel.
   Man kann sich dem Rande dieser Quellen ungescheut nahen. Die Decke, welche sich unmittelbar an die Quellen schließt und unter die man nach allen Seiten sehen kann, ist zwar nur eine dünne Felsplatte, aber doch stark genug, um jeden Einbruch zu verhüten. Das Schöne und Ergreifende liegt, wie bereits gesagt, in der magischen Beleuchtung und in der Durchsichtigkeit, vermöge welcher alle Höhlen und Grotten bis zur höchsten Tiefe dem Auge sichtbar sind.
   Unwillkürlich fiel mir Schillers Taucher ein. Ich meinte den Becher an den Spitzen und Zacken der Felsen hängen, die Ungeheuer aus den Tiefen auftauchen zu sehen. An dieser Stelle das herrliche Gedicht zu lesen, müsste von ganz eigener Wirkung sein.
   Kessel, in welchen Brodem oder farbige Wasser kochten, fand ich beinahe gar keine. Das Einzige, was ich der Art sah, war ein kleines Becken, in welchem eine braunrote Substanz kochte, die etwas dichter war als Wasser. Ein noch kleineres Quellchen mit schmutzigbraunem Wasser würde ich ganz übersehen haben, hätte ich nicht so emsig nach derlei Merkwürdigkeiten gesucht.
   Endlich nach langem Harren und Warten, am zweiten Tage meines Aufenthaltes am Geysir, am 27. Juni um halb neun Uhr morgens, war es mir vergönnt, einen Ausbruch des Geysirs in seiner vollsten Pracht zu sehen. Der Bauer, der täglich in der Früh und am Abend kam, sich zu erkundigen, ob ich schon einen Ausbruch gesehen habe, war gerade bei mir, als sich die dumpfen Töne, welche denselben ankündigten, wieder hören ließen. Wir eilten hinaus, und ich verlor abermals die Hoffnung, etwas zu sehen; das Wasser überwallte nur, wie gewöhnlich, und das Getöse ließ schon nach. Da aber begann auf einmal, als kaum die letzten Töne verstummt waren, die Explosion. Diese zu schildern, weiß ich wirklich keine Worte zu finden. So etwas Großartigem, so ergreifend Schönem kann man nur einmal im Leben begegnen.
   Alle meine Erwartungen und Vorstellungen wurden weit übertroffen. Die Strahlen schossen mit unbeschreiblicher Kraft, Heftigkeit und Wasserfülle empor; eine Säule stieg höher als die andere, eine schien die andere überbieten zu wollen. Als ich mich nur einigermaßen von der Überraschung erholt hatte und meiner Besinnung wieder mächtig war, sah ich auf das nebenan stehende Zelt. Wie klein, wie winzig klein, erschien es gegen die Höhen dieser Wassersäulen! Und doch hatte es mehr als sechs Meter Höhe. Freilich lag es ungefähr drei Meter niedriger als das Becken des Geysirs; hätte man aber Zelt auf Zelt gestellt, so konnten diese drei Meter doch nur das erste Mal abgezogen werden, und ich berechnete nach einer Ansicht, die wohl nicht die richtigste sein mag, dass man fünf oder sechs Zelte aufeinander hätte stellen können, um die gleiche Höhe zu erreichen. Ohne Übertreibung glaube ich behaupten zu können, dass der stärkste Strahl gewiss über dreißig Meter hoch stieg und etwa einen Meter im Durchmesser hatte.
   Glücklicherweise hatte ich schon beim Beginn der dumpfen Töne, der Vorläufer des Ausbruches, auf die Uhr gesehen; während des Ausbruches selbst würde ich wohl darauf vergessen haben. Das Ganze währte bei vier Minuten, von denen die größere Hälfte auf die eigentliche Eruption zu rechnen ist.
   Als diese wundersame Szene geendet hatte, geleitete mich der Bauer an das Becken. Wir konnten uns nun sowohl diesem, als dem Kessel ohne Gefahr nähern und beide nach Gefallen betrachten und umgehen. Zu besorgen war nichts mehr. Das Wasser war spurlos aus dem Becken verschwunden; wir stiegen hinein und nahten uns unmittelbar dem Kessel, in welchem das Wasser ebenfalls gut zwei Meter tief gesunken war, wo es heftig kochte und wallte.
   Ich löste mittels eines Hammers einige Krusten sowohl vom Inneren des Beckens als auch des Kessels; die ersteren waren weiß, letztere braun. Auch das Wasser kostete ich; es hatte keinen unangenehmen Geschmack und kann nur wenig Schwefelteile enthalten, da auch der Dampf nicht danach riecht.
   Ich ging nun jede halbe Stunde zu dem Becken des Geysirs, um zu beobachten, wie viel Zeit zur Füllung des Kessels und Beckens nötig sei. Nach der ersten Stunde konnte ich noch in das Becken steigen; als ich aber nach einer halben Stunde später kam, war der Kessel bereits gefüllt und fing gerade an, überzulaufen. So lange das Wasser nur den Kessel füllte, kochte es heftig auf, je mehr es aber in das Becken überfloss, desto weniger kochte es, und hörte beinahe ganz auf, nachdem das Becken angefüllt war; es warf nur hie und da kleine Bläschen.
   Nach dem Verlauf von ferneren zwei Stunden – es war gerade zwölf Uhr mittags – war das Becken beinah bis an den Rand gefüllt, und während ich noch an selbem stand, fing das Wasser wieder an, sich heftig aufzuwerfen und die dumpfen Töne von sich zu geben. Ich hatte kaum Zeit zurückzuspringen, denn allsogleich erhoben sich die Strahlen. Sie stiegen diesmal während des Brüllens empor und waren noch wasserreicher als jene der ersten Explosion, was wohl daher kommen mochte, weil sie nicht so hoch sprangen und daher dichter beisammen blieben. Ihre Höhe mochte bei 13 bis 16 Meter betragen. Kessel und Becken blieben diesmal nach dem Ausbruch beinahe ebenso gefüllt wie vorher.
   Somit hatte ich nun zwei Explosionen des Geysirs gesehen und fühlte mich bereits reichlich entschädigt für meine unermüdete Geduld und Wachsamkeit. Aber ich sollte noch glücklicher sein und seine Ausbrüche in allen Formen und Gestalten kennen lernen; er sprang abermals um sieben Uhr abends, stieg höher als mittags und führte diesmal einige Steine mit, die in der weiß schäumenden Wassersäule gerade wie schwarze Flecken und Punkte aussahen. Und wieder ein anderes Schauspiel gewährte er in der dritten Nacht. Da erhob sich das Wasser in furchtbaren, schnell aufeinanderfolgenden Wallungen, ohne Strahlen zu werfen; das Becken floss stark über, und es erzeugte sich eine solche Masse von Dampf, wie ich noch nie gesehen. Zufällig trieb ihn der Wind gerade der Gegend zu, wo ich stand, und da hüllte er mich so dicht ein, dass ich kaum einige Fuß weit sehen konnte. Ich fühlte jedoch weder einen Geruch noch eine Beängstigung, sondern nur einen geringen Grad von Wärme.
    
Pfeiffer, Ida; Habinger, Gabriele (Hg.)
Nordlandfahrt - Eine Reise nach Skandinavien und Island im Jahre 1845
Neudruck Wien 1991
    
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hrg.)
Reisende im Nordmeer seit dem Jahr 530
Wien 2009

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!