1692 - Engelbert Kämpfer
Von der Stadt Nagasaki
Japan
Nagasaki oder (wie es einige des Wohllautes wegen aussprechen, aber nie schreiben) Nangasacki ist in zwei Teile geteilt: Utsimatz oder die innere Stadt, welche aus 26 Tsjoo oder Straßen besteht, die alle so irregulär sind, daß sie in der Kindheit der Stadt erbaut zu sein scheinen; Sottomatz, d. i. die äußere Stadt oder, wie man es sonst zu nennen pflegt, die Vorstädte, welche aus 61 Straßen besteht. Nagasaki hat also zusammen 87 Straßen.
Die merkwürdigsten öffentlichen Gebäude in- und außerhalb Nagasakis sind: Einige Janagura des Kaisers, wie sie von den Japanern genannt werden. Diese sind fünf hölzerne Häuser an der Nordseite der Stadt, auf irgendeinem niedrigen Grund erbaut. Es werden in denselben drei Kriegsjonken oder Kriegsschiffe mit ihrem Rüstzeug aufbewahrt und stehn bereit, daß sie, sobald es nötig, ins Wasser abgelassen und gebraucht werden können.
Am gegenseitigen Ufer steht das Tensjogura oder Pulverhaus, zu mehrerer Sicherheit ist im Hügel ein Pulverkeller angelegt.
Die zwei Residenzen der beiden hier beständig gegenwärtigen Gouverneure schließen einen über andere Gassen erhabenen Boden mit zierlichen Häusern ein, die von gleicher Höhe und mit starken Pforten der Vorhöfe versehen sind. Der ankommende dritte Gouverneur logiert allemal auf Tattesama in einem Tempel, so lange, bis der abgehende ihm durch seinen Abzug seine Wohnung räumt.
Außer diesen gibt es hier noch etwa zwanzig eigene Häuser. Alle Daimio, d. i. Fürsten des Reiches, haben dergleichen hier und auch viele Siomio (d. i. Adel vom zweiten Range) aus der Insel Kusju oder, wie sie sonst auch heißt, Saikokf, d. i. westliches Land, auf welchem die Stadt Nagasaki liegt. Einige von Adel halten sich hier beständig auf, um bei nötigen Vorfällen das Interesse ihrer Herren zu beobachten, denen sie bei ihrer Wiederkunft von allen Vorfällen Rechenschaft geben müssen; Die Daimio bedienen sich auch dieser Häuser zu ihrer Wohnung, wenn sie nach Nagasaki kommen.
Die Fremden wohnen außer der Stadt, in zwei Vorstädte eingeschlossen und als Diebe bewacht: die Holländer bei der Stadt am Hafen auf einer aus dem Grunde hervorragenden Klippe, oder Insel Deshima genannt, d.i. Insel De; die Chinesen (und unter diesem Namen auch die ihnen benachbarten Nationen, welche mit ihnen gleicher Religion sind) am südlichen Ende der Stadt auf einem mit einem Wall umschlossenen Hügel, der Jakujin heißt, d. i. medizinischer Garten, der ehemaligen Bestimmung dieses Hügels. Er heißt auch Dsjusensi, von den auf demselben etwas höher gelegenen Wohnungen der Schauer, die achtgeben, was für fremde Schiffe nach dem Hafen segeln, und von Ankunft derselben den Gouverneur unterrichten.
Der Tempel in und außer der Stadt sind zusammen 62, nämlich 5 Sinsju Tempel, die den einheimischen Götzen zu Ehren errichtet sind; 7 Jamabos oder Bergpfaffentempel und 50 Tira oder Tempel der auswärtigen Götzen, Von diesen letztem liegen 21 in der Stadt und 29 außerhalb derselben, am Abhang der Gebirge und auf steinernen Treppen zu ersteigen. Alle dienen ebenso sehr dem öffentlichen Vergnügen als der Andacht. Sie sind zum ersten auch wegen der angenehmen Galerien und Gegend, auch wegen der herrlichen weiten Aussicht, die der hohe Boden gibt, sehr bequem.
Um dem japanischen Landesgebrauche gemäß zu handeln, muß ich nun von den Tempeln unmittelbar zu den Hurenhäusern übergehen, die nicht viel weniger als jene besucht werden. Kasjematz oder Hurenstadt, die man auch ehrenhalber nach dem Hügel, auf dem sie liegt, Mariam nennt, macht den südlichen Teil der Stadt aus und besteht, nach japanischer Art zu rechnen, in zwei, nach unserer in mehreren Gassen, die am Abhang eines Hügels angelegt sind. Sie enthält die schönsten Wohnhäuser der ganzen Bürgerstadt und wird von keinen anderen als Hurenwirten bewohnt. Sie ist, außer einer anderen, doch kleineren, die einzige ihrer Art auf Saikokf, welche Insel außer Miako die schönsten Menschen auf ganz Japan hervorbringt. Die armen Leute können ihren wohlgestalteten Töchtern zu Brot helfen, und wegen der guten Nahrung von Fremden und Einheimischen (die der Wollust sehr ergeben sind) ist diese Anstalt mit einer guten Menge solcher Töchter wohl versehen und wird nach der von Miaco [Kyoto] für die berühmteste des ganzen Reiches gehalten.
Die Mädchen werden in der ersten Kindheit für ein Stück Geld auf gewisse Jahre (etwa zehn oder zwanzig) erhandelt und ihrer von sieben bis dreißig, große und kleine, in einem Hause und von einem Hurenwirt, je nachdem, was für ein bemittelter Mann er ist, unterhalten. Sie haben alle sehr bequeme Zimmer und werden täglich im Tanzen, Spielen musikalischer Instrumente, im Brief schreiben und andern ihrem Geschlecht anständigen und die Üppigkeit befördernden Geschicklichkeiten geübt. Die jüngeren sind Dienerinnen und zugleich auch Schülerinnen der älteren und mehr geübten. Nachdem sie nun an Geschicklichkeit und gefälligem Betragen zunehmen und dem Wirt, weil sie viel begehrt und abgeholt werden, großen Vorteil bringen, werden sie auch in höheren Rang erhoben, bekommen bessere Begegnungen und steigen im Preise, den der Wirt allein erhält. Dieser kann von 2 Maasen zu 2 Itziba steigen, welches letztere aber als der höchste Preis von der Obrigkeit festgesetzt ist. Eine von der schlechtesten Klasse (die entweder schon ausgedient haben oder zu dieser Strafe verdammt sind), ist verbunden, in einer Kammer des Hauses die Abend- und Nachtwache zu halten, um den Vorbeigehenden für 1 Maas die Kerze anzuzünden.
Wenn diese Dirnen von ehrlichen Leuten geheiratet werden, gelten sie unter gemeinen Bürgern für ganz ehrliche Frauen, weil sie an ihren Vergehungen unschuldig und doch wohlgezogen sind. Die Wirte hingegen, wenn sie auch noch so reich, passieren doch niemals für ehrliche Leute und dürfen sich nicht unter dieselben mischen. Man gibt ihnen einen sehr schändlichen und nachdenklichen Namen, Katsuwa, d. i. Gebisse. Sie werden fast für Unmenschen gehalten und in die niedrigste Klasse der Jetta oder Ledergerber gesetzt, welche in Japan die Büttel sind und nahe an den Gerichtsstätten von ehrlichen Leuten abgesondert wohnen müssen. Die Katsuwa sind auch noch mit der Schande belastet, daß sie bei gerichtlichen Exekutionen dem Jetta ihre Hausknechte oder gemietete Tagelöhner zu Hilfe schicken müssen.
Es wird nicht unschicklich sein, nunmehr aus der Hurenstadt nach der Gokuja, d. i. die Hölle, überzugehen. Man versteht unter diesem Namen den Gefangenenhof, der auch Roja oder das Bauer heißt. Er liegt mitten in der Stadt in einer abhängenden Quergasse und besteht aus vielen Hütten und Apartements, in denen man jeden nach seinem Verdienst behandeln kann. Außer den gewöhnlichen Verbrechern hält man hier auch alle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der christlichen Religion überführt sind oder doch beschuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangenen in dieser Hölle öfters über hundert, und wenn häufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter fünfzig ausmacht. Im Umkreis dieses Gefangenenhauses findet sich ein Gasthof, ein Haus zur Tortur, ein Gerichtshaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Küche, ein Haus zum Spazierengehen und ein Tange oder Teich.
Die Gefangenen sind von verschiedenen Klassen, einige zum Tode verdammt, andere nur wegen Verdachts und andere auf ewig gefangen. Zu diesen letzteren gehören besonders diejenigen, welche man Bungoso, d. i. Geschmeiß aus Bungo, nennt. Unter diesem Namen versteht man die Christen, deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa fünfzig gefangengehalten und auch noch zuweilen einige aufgebracht werden, welches zuletzt noch im Jahre 1688 geschah. Diese guten Leute wissen vom christlichen Glauben weiter nichts als den Namen des Seligmachers, wollen aber doch bei ihrem einfältigen Bekenntnis viel lieber sterben als durch Verleugnung ihres Heilandes sich die Freiheit erwerben, die sie unter dieser Bedingung bekommen könnten. Im September des jetzigen Jahres 1692 hat man zum erstenmal das Beispiel gehabt, daß drei von diesen gefangenen Christen etwas Geld an die Tempel des Amida schickten, um für ihre verstorbenen Verwandten bitten zu lassen. Die Priester aber wollten ihnen nicht einmal willfahren, bis sie die Erlaubnis der Gouverneure erhalten hätten, welche sogar nötig fanden, den Vorfall an den kaiserlichen Hof zu berichten und Verhaltensbefehle einzuholen.
Da man die Strenge gegen die Christen jetzt für unnötig hält und die wenig übergebliebenen so einfältig sind, so werden diese mit der Todesstrafe verschont und müssen nur ihr Leben in dieser zeitlichen Hölle bei ganz schlechter Kost und bloßem. Wasser zum Getränk zubringen. Alle zwei Monate werden sie nach dem Palast des Gouverneurs geschleppt und daselbst wegen ihres verbotenen Glaubens examiniert und aufgefordert, andere Christen zu entdecken. Dies geschieht aber nicht mehr mit alter Strenge und bloß aus beibehaltener Gewohnheit der ehemaligen Gesetze. Bei dieser Gelegenheit können sie sich aus ihrer ewigen Gefangenschaft erlösen, sonst aber nicht. Sie genießen indes doch jährlich einige Erquickstunden. Zweimal werden sie in jedem Jahr einzeln aus dem Kerker gelassen, um sich nach Landesgebrauch mit Moxa zu brennen und sich dadurch vor Qualen zu präservieren. Sechsmal wird ihnen jährlich erlaubt, sich im Teiche des Gefangenenhauses zu waschen; und ebensovielmal wird ihnen in dem besonders dazu erbauten geräumigen Spazierhause erlaubt, sich eine Bewegung zu machen.
Zur Beschäftigung in ihrem müßigen und kümmerlichen Zustande läßt man diese elenden Leute ein schlechtes Garn aus Hanf spinnen, womit die Säume der Matten in ihren Zimmern benäht werden. Ihre Kleider nähen sie mit einer Nadel von Bambusrohr zusammen, weil ihnen alle eisernen Werkzeuge verboten sind. Einige machen auch Taapids, d. i. Füßlinge oder Fußsocken, und andere dergleichen Kleinigkeiten. Das wenige Geld, das sie damit erwerben können, gebrauchen sie, um sich einige Erfrischungen zu verschaffen oder ihren Weibern und Kindern, die in anderen Kammern von ihnen abgesondert sitzen, davon zukommen zu lassen. Sie pflegen den Reis, der ihnen von ihrer täglich zugeteilten Portion überbleibt, über Nacht gären zu lassen und dadurch ein Getränk zu bereiten, das sie Ama Saki, d.i. lieblicher Saki oder Trank, nennen und das ihnen zu einer besonderen Veränderung und Delikatesse dient. Einige dieser Gefangenen erhalten auch zuweilen von ihren Freunden aus Bungo Kleider. Da der Christen jetzt so wenig und diese bloß aus Einfalt dem Namen nach Christen sind, so geht man sehr gelinde mit ihnen um und erlaubt ihren Freunden, ihnen diese Geschenke zu machen. Doch müssen sie vorher strenge Untersuchungen und Prüfungen durchgehen. Die Gouverneure pflegen auch jedem Gefangenen jährlich eine neue schlechte Matte zum Schlafbett zu schenken. Ja, vor einiger Zeit haben die Gouverneure auch einigen Gefangenen erlaubt, sich eines Kogatan oder kleinen Messers zu bedienen.
Zu den öffentlichen Anstalten in der Stadt Nagasaki gehören auch noch die Brücken. Man zählt 20 steinerne und 15 hölzerne, zusammen 35 große und kleine- Brücken, alle stark und breit, doch nur von gemeiner Bauart und weiter nicht merkwürdig.
Die Gassen der Stadt sind meistens krumm, schlecht, enge, uneben, bald auf-, bald abgehend, weil sie alle am Hügel, einige hoch, andere niedrig liegen, so daß man oft auf steinernen Treppen aus einer Gasse in die andere steigen muß. Alle sind sehr dicht bebaut. Jede Gasse ist durch zwei hölzerne Pforten von der anderen unterschieden und wird, sobald man einigen Aufstand befürchtet, sogleich abgeschlossen. Jede Gasse hat auch einen Quasi Doguu, d.i. einen Platz, wo man alle zum Feuerlöschen nötigen Dinge und Werkzeuge unterhält, nämlich einen ausgegrabenen Wasserbrunnen, einen Brandhaken, Löschwedel von Stroh; die Leiter wird allemal beim Wachtmeister aufbewahrt.
Es ist eine allgemeine Anmerkung, die von Nagasaki und anderen japanischen Städten gilt, daß die Gassen hier nicht genau nach geometrischer Länge einer japanischen Tsjo oder eines Feldweges von 60 Kin oder Klaftern (von der sie doch den Namen führen) gerechnet werden. Sondern eine Gasse geht immer bis an den Ort, wo man sie am bequemsten mit einer Pforte verschließen kann. Diese Gassen haben also gemeiniglich ungefähr die Länge einer Tsjo und so viel Häuser, als ein Wachtmeister bequem unter seiner Aufsicht haben kann, selten über sechzig und unter dreißig.
Die Häuser der gemeinen Bürger und Einwohner sind äußerst schlecht gebaut, klein, niedrig, entweder mit keinem oder doch einem sehr niedrigen, fast unbrauchbaren Söller, mit einem Dach von Tannenholz belegt, das meistens nur wieder mit übergelegten Schindeln festgehalten wird.
Alle Häuser im ganzen Reich sind aus Holz und Leimwänden erbaut, inwendig mit buntem Papier zierlich beklebt, mit gewebten Binsenmatten, welche dick gefüttert, ganz artig belegt und durch papierne Schaubfenster in verschiedene Kammern abgeteilt. Stühle und Bänke findet man gar nicht in diesen Häusern und nur so wenig Hausgerät, als zum täglichen Küchengebrauch nötig ist. Hinter jedem Hause ist nur ein sehr enger, kleiner Platz (zum geheimen Gebrauch), in welchem, so schlecht er auch ist, man doch immer einige Blumen findet, die zum Vergnügen der Augen unterhalten werden.
Von dieser gewöhnlichen Einrichtung der Häuser in Nagasaki sind die einiger Vornehmen, Bemittelten und des Handels wegen sich hier aufhaltenden Fremden sehr unterschieden. Diese haben gemeiniglich einen doppelten hohen Söller, sind geräumig und zum Teil auf chinesisch angelegt. Sie haben allemal ein weites Vorhaus mit bloßem Estrich.
Die Stadt wird von vielerlei Krämern, Handwerkern, Künstlern, Bierbrauern und Bedienten der Gouverneure, chinesischen und holländischen Handelsleuten bewohnt. Zwischen diesen findet man viele arme Leute und Bettler, die hier häufiger und unverschämter sind als an irgendeinem anderen Orte.
Von den Bettlern machen einen großen Teil aus die Quansin Bos und Quansin Bikuni, d. i. Bettelmönche und Bettelweiber. Eine einzige Gasse, Jawattamatz oder Fatzmanmatz, zählt ihrer überhaupt hundert. Diese Klasse von Bettlern besteht aus armen, geschorenen Leuten, die ein frommes und keusches Leben wie die Pfaffen führen und ein schwarzes Priesterkleid tragen, um desto ehrlicher und leichter ein Almosen zu erhalten, wenn sie mit Bet- oder Rosenkränzen, kleinen Glocken und anderen äußeren Zeichen der Andacht die Gassen durchkreuzen. Einige dieser Leute lassen sich wohl gar bei den Tempeln abscheren und mit einigen Gebeten einsingen, nach der Gewohnheit vornehmer und bemittelter alter Leute, welche in ihren Häusern ein eingezogenes Priesterleben führen. Die Pfaffen der chinesischen und anderer Sensjuklöster schicken auch etwa sechsmal jeden Monat einige Brüder zum Betteln aus; dies geschieht aber nicht aus Mangel, sondern bloß, um dem Muster ihres großen Stifters Sjaka zu folgen und ihrem klösterlichen Gelübde ein Genüge zu tun.
Unter die Einwohner von Nagasaki könnte man auch fast die Hunde rechnen, die wie ordentliche Bürger der Stadt angesehen werden, doch nicht mit solcher Strenge wie an andern, besonders den kaiserlichen Orten. Auf allen Gassen liegen diese Tiere in großer Menge und weichen keinem Pferde oder Menschen aus dem Wege. Kein Mensch darf sie töten, außer der Büttel auf Befehl der Obrigkeit, wenn sie jemand umgebracht oder sonst den Tod verdient haben. Die kranken und vor Alter unvermögenden werden auf jeder Gasse in besonderen Gemächern (Bauern) unterhalten. Wenn sie gestorben, werden sie auf die Berge gebracht und gerade wie Menschen beerdigt.
Die Waren der Manufakturen zu Nagasaki sind schlechter, obgleich teurer als an irgendeinem anderen Orte des Reiches. Doch muß man alle Manufakturen in Gold, Silber und Sawaas ausnehmen. Weil diese nicht sowohl für die Einheimischen als vielmehr vorzüglich für die Ausländer bestimmt sind, so werden sie hier weit besser gearbeitet als vielleicht in irgend einem anderen Lande der Welt.
Was die Nahrungsmittel betrifft, so liefert der Grund und Boden von Nagasaki nur etwas wenig Reis, und daher muß man diese gewöhnliche und tägliche Nahrung durch ganz Asien noch aus anderen Provinzen als Fisen, Figo, Tsikungo, Amakusa, Gotho, welche gegen Norden der Stadt liegen, einführen. Gartenfrüchte, wilde, eßbare Kräuter und Wurzeln, Brennholz, ebenso Wildbret und zahme Hühner liefern die bergige Gegend und die nächstgelegenen Dörfer soviel man ihrer bedarf. Schildkröten und Fische liefert dieser Seebusen im Überfluß. Das Wasser der hiesigen Flüsse ist klar und zum täglichen Trinkwasser brauchbar. Denn das Saki oder Reisbier ist zu stark und kein tägliches Getränk in Japan. Das hier in Nagasaki gebraute hat auch einen unlieblicheren Geschmack als an anderen Orten in Japan.
Ein leichtes und sehr geschätztes Trinkwasser quillt aus dem Rücken des an der Stadt liegenden Berges Tatta. Ein anderer Brunnen, an der östlichen Seite des Hafens, unweit der Stadt, gibt den Schiffen ihr Wasser. Man hält zwar hier (so wie durch ganz Japan) das Wasser ungemein gesund und lauter, allein es hat doch den Fehler, daß es zur Kolik disponiert. Ebendieses bemerken die Eingeborenen auch von dem Saki, wenn sie es kalt und in zu großer Menge trinken.
Man hört in dieser Stadt ein beständiges Geräusch und Lärm, bei Tage von den immer umhergehenden Verkäufern, welche Eßwaren und andere Sachen ausrufen, von Tagelöhnern, die beim Heben und Tragen sich mit gewissem Geschrei aufmuntern, von Ruderknechten beim Hafen, welche den Fortgang ihrer Arbeit durch ein gewisses abgemessenes Geschrei andeuten. Des Nachts hört man im Hafen auf den Wachtbarken und in den Gassen der Stadt nach geringer Zwischenzeit ein rasendes Lärmen der Wächter, die mit zwei Hölzern aneinanderschlagen und mit lautem, verdrießlichem Geklapper ihre Wachsamkeit und die Zahl der Nachtstunden anzeigen. Auch ,die Chinesen vermehren dieses rasende Lärmen auch noch mit ihren Zymbeln und Trommeln, wenn sie teils ihrem Götzen Maatso Bosa zum Opfer alle Abende einige angezündete Stücke Goldpapier in die See werfen, teils diesen Götzen aus dem Tempel und wieder hinein bringen. Vor allem anderen aber wird dieser Lärm noch durch das Geschrei in den Sterbehäusern vermehrt, wo gleich nach dem Augenblick des Verscheidens und auch an gewissen Gedächtnistagen des Verstorbenen die Meßpfaffen und Verwandten ein Namanda für die abgeschiedene Seele unter dem Anschlagen einer kleinen Glocke durcheinanderzuheulen und dieses Geschrei bis zur Ohnmacht abzuhalten pflegen.
Namanda ist ein kurzes, aus den Worten Namu Amida Budsu zusammengezogenes Gebet. Es ist an den Gott Amida, obersten Richter der abgeschiedenen Seelen, gerichtet, um für die Seele des Verstorbenen Gnade zu erlangen.
Noch ein neues Geschrei machen die Nembuds Koo, d. i. religiöse Brüderschaften oder freiwillige Betzünfte. In diesen pflegen sich andächtige Freunde, Nachbarn oder Bekannte zu vereinigen und täglich zu einer gewissen Stunde, morgens oder abends in ihren Häusern wechselseitig zusammenzukommen, um gemeinschaftlich zu beten und besonders ein Namanda aus Vorsorge abzusingen, um ihre künftige Seligkeit zu erlangen.
Kämpfer, Engelbert
Geschichte und Beschreibung von Japan
Hrg. von C. W. von Dohm
2. Band, Lemgo 1779