1868 - Gerhard Rohlfs
Axum
Äthiopien
Also am anderen Tage sollten wir das berühmte Axum sehen, die alte Capitale des Landes, wo nach den Aussagen der Abessinier die Königin Saba ihren Thron hatte und von wo aus sie die Reise nach Jerusalem unternahm, um Salomon als Beisteuer zum Tempelbau Gold und Ebenholz zu bringen. Der Weg von Adua nach Axum ist verhältnissmässig gut, nur zwei oder drei kurze Strecken sind schlecht. Nachdem man gleich bei Adua den Assem überschritten, kreuzt man noch die kleinen Flüsse Mai-Goga und Mai-Schugurti. Die Gegend ist kahl aber stellenweise gut cultivirt. Rechts hat man nach 3 Meilen auf einem Hügel den Ort Bit Johannes, dann später dicht vor Axum eine einsame Kirche auf einem hohen Berge, Pantalem genannt.
Axum, von Alvares Chaxuma genannt, ist jetzt bedeutend heruntergekommen, obschon es immer noch zu den grösseren Orten Abessiniens gehört. Es liegt einige hundert Fuss höher als Adua, welches selbst nach einer durchschnittlichen Berechnung 5500 Fuss über dem Meere liegt. Alvares erzählt uns, dass hier die Königin Saba, deren wahrer Name Maquerda gewesen sei, regiert und nach ihr ihr Sohn, den sie mit Salomon gezeugt hatte. Auch finden wir in seinem interessanten Buche, dass von hier aus zuerst das Christenthum nach Abessinien verbreitet wurde, und zwar als auch eine Königin regierte, mit Namen Candace oder Judith. Freilich finden wir heutzutage nichts von den Wundern, von denen Alvares uns in seiner Beschreibung von Axum unterhält, und da unmöglich die Gebäude und Steine in einem Zeitraume von 4000 Jahren können spurlos verschwunden sein, so ist wohl anzunehmen, dass er seiner Phantasie grossen Spielraum gelassen hat, ebenso wie er es mit Beschreibung der Kirchen von Lalibala thut. An Merkwürdigkeiten haben wir nur heutzutage in Axum die alten Ruinen aus vorchristlicher Zeit und die Kirche. Letztere ist ein Gebäude ohne alle Kunst, obgleich ganz verschieden von allen anderen Kirchen in Abessinien, weil sie ganz aus Stein aufgeführt ist. Das Material dazu haben die alten Ruinen liefern müssen, wie auch die Substructionen, sowie die steinernen Treppen, welche zur Kirche führen, andeuten, dass hier früher wohl ein heidnischer Tempel gestanden haben mag. Vor der Hauptfaçade ist ein Säulengang, die anderen Seiten der Kirche, welche selbst ein längliches Viereck bildet mit glattem Dache, sind ohne jeglichen Schmuck. Die fanatischen Bewohner wollten uns nicht erlauben das Innere zu betreten; hier war der religiöse Fanatismus noch grösser als die Geldgier. Von den vielen Palästen, dem Löwenhause oder Ambacabete, den Springbrunnen, von denen Alvares schreibt, konnten wir keine Spur finden, ebensowenig Inschriften, eine amharische ohne Bedeutung ausgenommen.
Ebenso scheinen Alvares Aussagen von den anderen Ruinen entweder sehr übertrieben zu sein, oder der Vandalismus der Bewohner müsste dieselben zerstört haben, denn selbst wenn dieselben auseinander gefallen wären, so müssten die Bruchstücke heutzutage zu finden sein, da der Stein, dessen man sich zu diesen Bauten bedient hat, sehr gut der Witterung wiedersteht. Der Stein, welcher eine Art von Granit ist[, muss aus einer anderen Gegend hergeholt sein, denn in der Umgegend von Axum findet man nur Sandstein, Kalk und Schiefer.
Dicht bei einem ungeheuren Feigenbaum, der in seinem Umfange dem ausserhalb der Stadt Adua stehenden gleichkommt, und in Axum den Namen "Baum des Pharao" führt, findet man den berühmten Obelisk von reinster und schönster Arbeit, als ob er gestern aus der Hand des Meisters hervorgegangen wäre. Aber die Zeit, welche den Obelisk selbst nicht angreifen konnte, so scharf sind noch heute alle Ecken, Umrisse und Zeichnungen, hat eine Senkung des Erdbodens bewirkt, welche ihn in eine merkwürdig geneigte Stellung gebracht hat, vielleicht nur noch einige Regenzeiten und der Mittelpunkt der Lothrechten wird sich ausserhalb der Basis befinden, und dann wird auch der letzte Zeuge der Wunderbauten Axums gleich seinen Brüdern in Stücken auf dem Boden liegen. Ferret und Gallinier erwähnen nichts von dieser geneigten Stellung dieses Obelisken, den sie 80 Fuss hoch schätzen, während Alvares dessen Höhe auf 66 Ellen oder Bracia angiebt. Auch letzterer, der genau das ganze Ruinenfeld beschreibt, erwähnt nichts von einer schiefen Stellung, ebensowenig Th. von Heuglin.
Leider war unsere Zeit zu kurz gemessen, als dass uns genug übrig blieb, um die Königsgräber und die von Salt und v. Heuglin genau beschriebene griechische Inschrift zu besichtigen. Nach Salt sind diese Bauten nicht vor der Zeit der Ptolemäer errichtet und sollen von einem gewissen König Acizane circa 300 Jahre nach Chr. durch nach Abessinien gekommene christliche Arbeiter hergestellt sein. Dapper in seiner Liste der Abessinischen Könige führt ihn nicht auf.
Rohlfs, Gerhard
Land und Volk in Afrika; Berichte aus den Jahren 1865-1870
Bremen 1870