1875 - Paul Pogge, Afrikaforscher
In Musumba, der Hauptstadt des Lunda-Reiches
Kongo
Am 9. Dezemeber erfolgte unsere Ankunft in Mussumba. Schon ehe wir zu den ersten Hütten, sozusagen den Vorstädten Mussumbas gelangt waren, hatten die Träger eine geschlossene lange Linie gebildet, welche unter Chorgesang die ersten Ansiedlungen passierte. Wir wurden an dem Wege überall von Massen neugieriger Neger empfangen, welche durch Händeklatschen, Schreien und Pfeifen ihr Willkommen ausdrückten. Inzwischen war meine Dolmetscher mit seinem Gefolge mit schon entgegen gekommen, welcher uns nach viertelstündigem weiterem nördlichen Marsch im rechten Winkel rechts am Wege führte, wo dicht neben demselben auf sauber gereinigtem Boden Germano [der Dolmetscher] für mich vorläufig einen Fundo [Lagerplatz] hatte herstellen lassen. An tausend Menschen mochten hier wohl zur Stelle sein, welche mich wie ein Bienenschwarm umschwärmten, so daß ich mich, des Empfanges müde, in meinen Fundo zurückzog und mich fürs Erste nicht wieder sehen ließ.
Als ich nach eingenommenem Mittagsbrot Tee trank, kam Germano, um den Besuch eines erwachsenen Sohnes Muata Jamwos [des Königs] mit einer seiner Frauen zu melden. Beide erschienen mit Germano, den sie inzwischen schon kennengelernt hatten, und nahmen mir gegenüber auf den bereitstehenden Kisten Platz. Der Prinz erschien mit künstlicher Perücke und war mit Fazenda [Baumwollstoff] bekleidet, welche von den Hüften bis zu den Schenkeln reichte. Verschiedene Perlenschnüre und kleine Antilopenhörner schmückten den Hals, Kupfer- und Eisenspangen die Fuß- und Handgelenke. Die Prinzessin, ein junges, überaus hübsches und schön gewachsenes Weib, war nach Sitte der Kalunda nur mit einem ganz kurzen Stück Fazenda, welches etwas über die Hüften reichte, bekleidet. Die Brust war unbedeckt, das Haupthaar kurz geschnitten und auf der Stirn in Gestalt eines Dreiecks ausrasiert. Von ihren schönen Zähnen waren die zwei unteren Schneidezähne ausgebrochen. Von Unterhaltung war wenig die Rede. Der Sohn Muata Jamwos konnte sich, sobald er mich ansah, des Lachens nicht enthalten, welches ich reichlich erwiderte, während die Prinzessin wie versteinert mich starr und stumm angaffte. Obgleich ich beiden verschiedene kleine Geschenke verabreichte, dachten sie nicht daran, sich zu empfehlen, sondern blieben mit großer Ausdauer in meiner Hütte. Nach und nach trat Besuch auf Besuch ein, sämtliche Prinzen und Prinzessinnen oder Große von Mussumba, wie Germano mir mitteilte. Die große Schar des gemeinen Volkes hingegen durfte nicht wagen, in meine Hütte einzudringen oder hineinzugaffen, sondern mußte sich damit begnügen, mit meinen Trägern zu fraternisieren, die damit begonnen hatten, sich für die Nacht Hütten zu bauen.
Dies war wirklich ein großartiger, imponierender Empfang. Muata Jamwo schickte Lebensmittel über Lebensmittel, unter anderem Palmwein (Maluvo), Hirsebier und zwei Ziegen. Gegen Abend nach einbrechender Dunkelheit war ich endlich allein und fand die lang ersehnte Ruhe. Dieser Empfang aber hatte mich förmlich nervös gemacht. Ich befand mich dennoch in gehobener Stimmung, denn fürs erste hatte ich meine Aufgabe gelöst und befand mich In Mussumba.
[…]
Als Ich mich am nächsten Tage, dem 10. Dezember, gegen 7 Uhr morgens vom Lager erhob, war schon ein buntes Menschenwogen im Lager. Die Weiber brachten in großen Quantitäten Lebensmittel zum Verkauf, während Scharen neugieriger Neger das Lager durchzogen. Gegen 9 Uhr erschienen drei Abgesandte des Muata Jamwo, die sich im Auftrage Ihres Herrn für denselben einige derjenigen Lebensmittel ausbitten ließen, die ich aus meinem Vaterlande mitgebracht hätte und genösse. Ich schickte Sr. Majestät In einer leeren Zigarrenkiste etwas Zwieback und in einem kleinen Blechkasten etwas Zucker. Gegen 11 Uhr machte ich meinen ersten Spaziergang in die Stadt, begleitet von einem Träger und meinen kleinen Dienern. Sobald ich die Hütte verlassen hatte, bildete sich hinter mir ein Schwarm Eingeborener, welcher sich lawinenartig vergrößerte, so daß ich schließlich eine Begleitung von vielleicht tausend Menschen hinter mir haben mochte, bevor ich bei der Umzäunung von Muata Jamwos Lager angekommen war. Letzteres lag etwa 10 Minuten nördlich von meinem Lager auf der Kuppe eines Hügels.
Als ich der Menschenmenge wegen schon im Begriffe war, wieder umzukehren, kam ein Adjutant Muata Jamwos in schnellem Trabe zu meinem mich begleitenden Träger gelaufen, um ihm zu sagen, er möchte mich zum Warten veranlassen, da Muata Jamwo sogleich selbst erscheinen würde, um mich zu sehen. In demselben Augenblick öffnete sich die einfache Tür der Umzäunung: voran schritt eiligen Schrittes ein Neger, dann folgte ein großer Trupp Weiber, welche, wie eine Meute Hunde aus ihrem Zwinger, lärmend auf den freien Platz hinausströmten; dann erschien der Herrscher selbst in sitzender Stellung auf einer Art Tragbahre getragen und weit über die Köpfe der acht Neger hervorragend, welche, vier zu jeder Seite, auf den Schultern die Tipoya [Tragbahre] des Herrschers trugen. Eine Anzahl Neger ging neben derselben her. Den Abschluß des Zuges bildete das Musikkorps, bestehend aus vier Negern, von denen die beiden vorderen je eine Marimba, die beiden hinteren je eine Trommel bearbeiteten. Die Musiker trugen ihre Instrumente, wie unsere Tambours ihre Trommel, an einem breiten, aus der Haut des Zebra verfertigten Riemen. Ziemlich auf der Mitte des Platzes angelangt, hielt der Zug still. Es erschien bei mir wieder ein Adjutant, welcher mich jetzt zu dem etwa 50 Schritte von mir entfernten Herrscher führte.
Mit mir hatte sich inzwischen das ganze Menschengewoge an die Tipoya herangedrängt, einen großen Kreis um den Zug Muata Jamwos und mich herum bildend. Der Herrscher war sichtlich erfreut und geruhte, mir mit wohlwollend lächelnder Miene seine Hand von der Tragbahre herab zu reichen, in welche ich kräftig einschlug. Muata Jamwo hielt eine längere Rede, welche an das Publikum gerichtet zu sein schien und welche mir mein Dolmetscher, der sehr gebrochen portugiesisch sprach, nur so weit zu übersetzen vermochte, daß der hohe Herr über meinen Besuch erfreut wäre und mir dafür danke. Ich ließ ihm ebenfalls danken, indem ich zu meinem Träger und dieser wieder zu dem Adjutanten Muata Jamwos sprach. Als die erste Zeremonie beendet war, ließ mich Muata Jamwo bitten, den Hut abzunehmen, welchen Wunsch ich erst nicht verstehen konnte, bis der Adjutant ihn mir durch Pantomimen verständlich gemacht hatte, da meine Dienerschaft gar nicht, der Träger aber sehr schlecht die Lunda-Sprache verstand. Als ich endlich meinen Hut abgenommen hatte, brach ein allgemeiner Jubel aus. Muata Jamwo lachte und schien Bemerkungen über mein Haar zu machen, während seine Umgebung in die Hände klatschte und auf den Fingern pfiff. Jetzt bat er mich, meinen Regenschirm aufzuspannen, ließ mir darauf sagen, daß er mich heute noch besuchen würde. Vor ihm auf seinem Sitze stand die oben erwähnte Zigarrenkiste mit Zwieback, aus welcher er nach allen Seiten hin an die anscheinend zu den Großen Mussumbas gehörenden Neger Kleinigkeiten spendete, welche sich an die Tipoya gedrängt hatten und die offenen Hände Sr. Majestät entgegenstreckten.
Der Zug bewegte sich jetzt weiter und zog an meinem Lager vorbei südlich zur Maniokpflanzung Muata Jamwos. Ein großer Trupp Neger schloß sich dem Zuge an, während die größere Menge bei mir zurückblieb. An den Hütten einzelner Großer, die jener Zug passierte, hielt Muata Jamwo an. Es erschienen dann die Insassen, mit denen der Monarch einige Sekunden plauderte, um sich dann weiter zu begeben. Ganz Mussumba schien außer sich vor Freude zu sein ob meiner Ankunft. Ich werde wahrlich von Muata Jamwo, von den Kilolos [Herren], den Prinzessinnen und Baronessen wie ein Kaiser honoriert.
Das Klima des Landes gleicht dem der Sommer in Norddeutschland, ist aber weniger heiß. Bei klarem Himmel weht meistens eine angenehme Brise, oder der Himmel ist bedeckt. Es ist dies wahrlich ein schönes Land, überall mit gesundem und frischem Wasser und schönem Boden. Reichlicher Regen fehlt niemals zur Regenzeit. Überschwemmungen sind unmöglich.
Gegen ein Uhr war ich ins Lager zurückgekehrt, wo mich inzwischen das dampfende Mittagsmahl erwartete. Meine Leute hatten meistens ihre Hütten noch nicht fertig; es mangelte hier an Bauholz, und es mußte das erforderliche Baumaterial aus dem Kabebe-Walde geholt werden, da in dem näher liegendem Urwalde keine verwendbaren Hölzer vorhanden waren. Für mich sollte demnächst noch ein großer Fundo gebaut werden, um als Warenlager zu dienen, damit den Trägern möglichst bald das Gepäck abgenommen werden konnte. Letztere schienen mich übrigens mehr oder weniger bedenklich bestohlen zu haben; die meisten Ballen zeigten davon verdächtige Spuren. Zur Feier des heutigen Tages liess ich einen Blechkoffer herbeischaffen, welcher Schiffszwieback und englische Bisquits enthielt. Ich wollte mir und meinen Dolmetschern etwas Besonderes zu Gute tun. Wir waren aber sehr enttäuscht, als wir in der Blechkiste anstatt der besagten Leckerbissen nur noch einige Hände voll schimmeligen Staubes vorfanden. Diese Blechkiste war vor langer Zeit nicht weit von Kimbundo in denselben Bach gefallen, in der die Medizinkiste zu Schaden gekommen war, und der Träger hatte in seiner Nachlässigkeit oder aus Angst vor Strafe diesen Vorfall damals nicht gemeldet.
Am Nachmittag zog der Muata Jamwo wiederum mit großem Gefolge ohne mich zu besuchen an meinem Hause vorbei. Eine Stunde später erschien derselbe Mensch, welcher meine Vorstellung vermittelt hatte, bei mir im Lager und erklärte, daß Muata Jamwo ihn geschickt hätte und sich zwei Stücke Zeug à 8 Yards ausbitte als Strafe dafür, daß ich ohne seine Erlaubnis die Stadt besucht habe, welchem Ansinnen ich nolens volens Folge leistete. Der ganze Nachmittag verging mit dem Empfang von massenhaften Besuchen der Großen des Ortes, von denen viele Geschenke wie Ziegen, Palm-Maniokmehl, Bananen, Ananas etc. überbrachten. Einzelne dieser Herren (sog. Kilolos) ritten auf den Schultern eines Sklaven waren von einigen Sklaven und Weibern umgeben.
[…]
Germano wurde heute zu Muata Jamwo zitiert, und letzterer ließ mir sagen, daß ich die Damen Mussumbas als meine eigenen betrachten möge, daß er aber einen Sittenwächter in meinem Lager anstellen würde, der darauf zu achten habe, daß von seinen Frauen keine mein Lager unberufen betrete, um nicht den Trägern Gelegenheit zu geben, Majestätsverbrechen zu begehen, worauf gesetzlich als Strafe in Mussumba der Tod stehe. Gleichzeitig ließ er mir mitteilen, daß ich an niemanden Geschenke machen möge, ehe er und die Lukokescha [Mitregentin], offizielle Geschenke von mir bekommen hätten. Er würde mich in Umgebung seiner Würdenträger offiziell besuchen, um die Geschenke entgegenzunehmen; angenehm wäre es ihm aber, wenn er vorher schon einige Geschenke erhielte, zumal er wisse, daß ich Kleidungsstücke für ihn mitgebracht hätte. Außerdem übersandte er mir als Geschenk eine Anzahl Strohmatten. Abends Gewitter mit ebenem Regen, nachts starker Regen.
11. Dezember. Die Physiognomie des Treibens im Lager blieb immer dieselbe. Eine Unmasse neugieriger Menschen bewegte sich entweder gaffend im Lager umher oder lagerte vor meiner Hütte, um mich zu sehen oder zu besuchen. Heute vormittag schickte mir Muata Jamwo einen Sklaven. Der Mensch, von jeglicher Kleidung entblößt, wurde mir in rohester Weise überbracht, indem er gebunden und sich sträubend sozusagen mir vor die Füße geworfen wurde. Die Überbringer verlangten acht Yards und ein Panno da costa (gelb und rot gestreifte ganze Umschlagetücher, von denen Muata Jamwo bereits eines als Geschenk von Germano bekommen hatte). Ich schickte dem Häuptling, was er verlangte, ließ ihm aber sagen, daß ich ferner keine Sklaven gebrauchen könne. Ich käme als Jäger zu Besuch und würde ihm nur dann dreißig Sklaven abkaufen, wenn er mir demnächst erlaubte, nördlich oder östlich von hier in seinem Reiche Elefanten zu schießen.
Muata Jamwo war inzwischen selbst mit seinem Gefolge auf seiner Pflanzung gewesen und bereits wieder zurückgekehrt. Der Kaquata, unser Reisegefährte, lief heute, den ganzen Körper mit weißem Ton beschmiert, im Lager umher, da er am Nachmittage zur Audienz befohlen worden war. Diese verlief sehr glücklich für ihn, denn er kehrte alsbald zurück mit der frohen Botschaft, daß Muata Jamwo ihn in Gnaden aufgenommen, ihm seine alten Sünden verziehen und ihn dazu berufen habe, in meinem Lager darauf zu sehen, daß unbekannte Weiber oder Weiber Muata Jamwos mit meinen Leuten nicht in Berührung kämen. Nachmittags Regen.
Sobald es des Nachts nicht regnet, hört man von allen Seiten den Ton der Trommel, wozu die Kalunda fast immer singen. Dieser Lärm, der von allen Seiten her zu vernehmen ist, dauert bis Mitternacht und länger.
12. Dezember. Während der Nacht war der Sklave, den Muata Jamwo mir verkauft hatte, wieder entwischt. Die Sklavenkinder und die Sklaven wurden heute von ihren Fesseln befreit. Sie schienen sich vollständig an uns gewöhnt zu haben. Die beiden Kleinen machten am Morgen in der Nähe meiner Hütte der älteren Person, mit welcher sie zusammengekoppelt waren, freilich viel zu schaffen. Sie schienen die Alte zum Besten zu haben, denn sobald sie sitzen wollte, zerrten die beiden Kleinen sie so lange, bis sie ging, und wollte sie gehen, so setzten sich wiederum die Kleinen. Der Junge wurde von mir Charly genannt. Der begann auch bald den anderen zu helfen und liebte es um mich herum zu sein. Alle Knaben respektierten unter sich ganz besonders die Anciennität. Wenn sie sich beim Namen riefen, so setzte der Jüngere stets ein „Cota“ (d.h. der Ältere) vor den Namen des Älteren. Elunga sagte: „Charly“, aber Charly als Jüngerer sagte Cota Elunga, u.s.w.
Meine Dolmetscher suchten mich heute zu überreden, zu Muata Jamwo zu gehen um ihn von der Flucht meines Sklaven zu benachrichtigen, eventuell um seine Wiederergreifung zu bitten. Ich lehnte ihr Gesuch indessen ab, um Muata Jamwo davon zu überzeugen, daß ich auf den Erwerb von Sklaven nichts gäbe. Wenn den schwarzen Sklavenhändlern in Mussumba Sklaven entwischen, so ist es der Brauch, daß sie dem Herrscher davon Anzeige machen. Alsbald spielt in der Kipanga die Holzpauke (Ginguva) unter besonderen Schlägen, wodurch den Einwohnern Mussumbas angedeutet wird, daß etwas Besonderes vorgefallen sei und Muata Jamwo besondere Wünsche hege. Die Ginguva vertritt in Mussumba das europäische Amtsblatt. Sobald es nun durch die bestimmten Töne des Instruments bekannt geworden ist, daß ein Sklave entlaufen ist und von Muata gewünscht wird, daß er wieder aufgegriffen werde, bemüht sich jeder loyale Untertan, dem Befehle seines Königs nachzukommen, wodurch denn auch die meisten entwischten Sklaven in der Umgebung von Mussumba leicht wieder aufgegriffen und dem Häuptling respektive den Eigentümern zurückgestellt werden. Dem Muata Jamwo gebührt für die Ergreifung und Zurückerstattung eines Sklaven als fester Satz eine Divunga (4 Yards Zeug).
Muata Jamwo schickte wiederum einen Abgesandten und ließ sich Geschenke ausbitten. Ich sandte infolgedessen gegen Abend meine beiden Dolmetscher zu ihm, zur Lukokescha und zur Amari, der ersten seiner beiden Hauptfrauen. Die Dolmetscher ritten der Feierlichkeit wegen auf Ochsen zur Kipanga und brachten Muata Jamwo folgende Geschenke: 1) einen roten Rock, 2) zwei Musketen, 3) zwei Fässer mit Pulver à 4 Pfd., 4) zwei Stück Fazenda, 5) acht Yards rote Bacta (Flanell), 6) zwei kleine Spiegel, 7) acht gestrickte bunte Schlafmützen, 8) eine Tasse, 9) drei Bündel Perlen, 10) zwei Regenschirme. - Jedes der Weiber erhielt: 1) vier Yards rote Bacta, 2) ein Stück Fazenda, 3) einen Regenschirm, 4) eine Tasse, 5) zwei gestrickte Schlafmützen, 6) ein Gewehr, 7) ein Faß Pulver (4 Pfd.), 8) zwei Spiegel.
Nach einiger Zeit kamen meine beiden Dolmetscher sehr kleinlaut zurück, da sie weder von Muata Jamwo noch von der Amari empfangen worden waren, sondern die Geschenke an einen Adjutanten Muata Jamwos hatten ausliefern müssen, während sie von der Lukokescha sehr freundlich aufgenommen und mit Palmwein bewirtet worden waren. Ich bedeutete nach diesem Vorfall meinen Dolmetschern, in Zukunft sich bei Muata Jamwo durch einen Träger anmelden zu lassen, damit jener die Zeit des Empfanges bestimmen möge. Am heutigen Tage hatte ich einigermaßen Ruhe. Außer gewöhnlichen Negern war niemand von Bedeutung zu Besuch hier.
Spät am Abend ließ Muata Jamwo meine beiden Dolmetscher zu sich bescheiden. Sie kehrten zurück mit einem Löwenfell als Geschenk für mich. Die Amari war bei ihrem Gemahl zu Besuch gewesen. Der König hatte den Dolmetschern zu verstehen gegeben, er sei mit den Geschenken zufrieden, obgleich er die Qualität des Pulvers für zu wenig gehalten hätte. Muata Jamwo ließ mir sagen, daß ich weder Geschäfte machen noch Geschenke an andere geben dürfe, ehe er es mir nicht ausdrücklich erlaubt hätte. Auch wünsche er nicht, daß ich Besuch bei anderen Großen mache, bevor ich ihn selbst nicht besucht habe. Im übrigen betrachte er es als gutes Zeichen, daß ein Weißer ihn jetzt schon besuche, nachdem er erst kurze Zeit sich auf dem Throne befinde. Wenn Kilolos jedoch gegen sein Verbot feine Waren von mir kaufen sollten, so würde er sie zur Strafe enthaupten lassen. Die Amari ließ sich gleichzeitig mehr Perlen ausbitten.
Der rote Rock hatte großen Effekt gemacht, und Muata Jamwo hatte die beiden Dolmetscher in ihm empfangen und auch einen Teil der Geschenke unserem Kaquata zur Verwahrung übergeben. Die meisten Großen lassen ihre Reichtümer, Elfenbein etc., durch ihre Sklaven, Muata Jamwo dagegen durch seine Beamten so lange aufbewahren, bis sie gebraucht werden.
Ich brenne jetzt Palmöl, was hier billig und reichlich zu haben ist, behufs der Beleuchtung meiner Hütte. Eine Blechbüchse ersetzt den Ölbehälter. Der Docht wird aus Baumwolle gedreht, die überall bei den Hütten der Eingeborenen zu finden ist leider war das von der Küste mitgebrachte Beleuchtungsmaterial heute zu Ende gegangen. – Nachmittags Gewitter mit starkem Regen.
13. Dezember. Morgens Regenwetter. – Heute war wieder viel Besuch im Lager. Eine Haarbürste und ein Kamm, die auf einem Koffer in meiner Hütte liegen geblieben waren, wurden zum Gegenstand allgemeiner Bewunderung, natürlich der Damen. Die ewigen Visiten, die stets mit Betteleien verbunden sind, waren kaum zu ertragen. Auch Muata Jamwo schickte Abgesandte über Abgesandte und ließ sich auf die unverschämteste Weise allerlei noch als Geschenk ausbitten, nachdem ich ihn gestern massenhaft beschenkt hatte. Die Eingeborenen sind wie die kleinen Kinder. Der Muata Jamwo ließ mich unter anderem heute um Schuhe bitten, was ich ihm natürlich abschlagen mußte. Die Lukokescha schickte eine Abgesandte und ließ um mehr Schlafmützen bitten, und so ging es weiter. Der Sohn Muata Jamwos besucht mich täglich mit seiner jungen Frau und beide wurden schon ganz mit mir vertraut. Ich ließ die Frau im Scherz fragen, welche von den Frauen ihrem Manne die liebste sei? Sie antwortete mir, sie sei es, weil sie noch neu wäre. – Nachts Gewitter mit vielem Regen.
14. Dezember. Soeben, neun Uhr morgens, zog Muata Jamwo im roten Rock zu seiner Pflanzung. Man sah den Rock schon von weitem schimmern, sobald er, hoch auf der Tragbahre sitzend, vom Berge herunterkam, und wir wußten dann genau, daß der König nähere, den wir sonst in der Entfernung kaum erkannt haben würden, da die Großen, umgeben von zahlreichem Gefolge, auch diese Straße benutzen. Oftmals hat mir dieser Rock bei meinem späteren Aufenthalte die größten Dienste geleistet, da er die zugedachten, unangemeldeten Besuche des Monarchen stets verriet und die nötigen Empfangspräliminarien dann noch rechtzeitig vorgenommen werden konnten. Die Diener, Dolmetscher ich versteckten oder absentierten dann ohne Erbarmen alles, was zu verbergen und, sozusagen, nicht niet- und nagelfest war; Trinkbecher, Morgenschuhe, Teller, Hinterlader etc., alles wurde unsichtbar gemacht, um den edlen Herrn würdig empfangen zu können und seine Aufmerksamkeit und Wißbegierde nicht auf Gegenstände zu lenken, welche ich besser gebrauchen konnte als er.
Pogge, Paul
Im Reiche des Muata Jamwo. Tagebuch meiner im Auftrag der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Äquatorial-Afrikas in die Lunda-Staaten unternommenen Reise
Berlin 1880