Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1186 - Karl Jonsson
Zu viel Wein in Bergen

Norwegen

 

Im Frühjahr segelte König Sverri mit vielen Männern von Trondheim nach Süden und kam gegen Ostern in Bergen an. In der Stadt lagen viele Kauffahrschiffe, die aus aller Herren Ländern stammten. Die Südmänner [gemeint sind Deutsche] hatten eine große Menge Wein mitgebracht, sodass Wein nun nicht teurer als Bier war. Einmal passierte es, dass Männer, die beim Wein saßen, noch mehr haben wollten, aber der Knecht der Südmänner wollte ihnen keinen mehr geben. Es entstand Streit wegen eines einzigen Kruges. Sie stritten, bis die Norweger losziehen und den Laden aufbrechen wollten. Aber die Südmänner wehrten sich von drinnen, und mehrere Männer wurden durch Speerstiche verletzt. Das sprach sich in der Stadt herum. Die Stadtleute und die Deutschen griffen zu den Waffen und es kam zum Kampf. Viele kamen um, insbesondere von den Stadtleuten. Die Südmänner beeilten sich, zu ihren Koggen zu kommen, die alle zusammen in der Bucht lagen, und die Stadtleute bereiteten einen Angriff auf die Schiffe vor. Aber schließlich gab es doch einen Waffenstillstand.
   Im folgenden Sommer gab es viele Tumulte wegen Trunkenheit. Einer der Birkebeiner [des Königs Gefolgsleute] war so betrunken, dass er zwischen der Königshalle und des Königs Wohngemächern heruntersprang, weil er schwimmen wollte, und umkam. Ein anderer sprang vom Kai am Königshof und ertrank.
   König Sverri war zu dem Zeitpunkt nicht in der Stadt; aber kurz nach seiner Ankunft stritten sich zwei Betrunkene, der eine war ein Gast des Königs, der andere ein Hauskerl [ein Gefolgsmann des Königs mit dem Recht, Waffen zu tragen]. Sie waren dabei, aufeinander loszugehen, als Thorolf Rympil, der Anführer der Gäste, dazukam. Er trug keine Waffe und nahm deshalb seinen Helm aus Stahl vom Kopf und schlug damit auf den Hauskerl ein, der sich mit einem Kriegsbeil wehrte. Darauf erhob sich ein allgemeiner Kampf, jeder griff nach den nächstbesten Waffen. Alle waren wild vor Trunkenheit. Thorolf Rympil setzte sich aus dem Tumult ab, ging zu seinen Leuten und blies das Gästehorn. Als sich alle versammelt hatten, forderte er sie auf, zu den Waffen zu greifen. Die Hauskerle sammelten sich auch, bewaffneten sich und gingen mit ihrem Führer Asgeir Hamarskalli an Bord ihres Schiffes. An der Anlegestelle schleuderte Asgeir Hamarskalli sein Schwert auf das Schiff der Hauskerle und sprang hinterher, nahm es auf und kämpfte drauflos. Die Gäste sprangen ihm nach, es gab ein großes Handgemenge, und Thorolf und seine Leute hörten erst auf, als das Schiff gesäubert war. Viele Hauskerle wurden erschlagen, aber die meisten sprangen über Bord. Als der König von diesem Kampf erfuhr, ging er hin und brachte alle zu einem Waffenstillstand und berief dann eine Zusammenkunft ein, bei der Friede geschlossen wurde.
   Einige Zeit später hielt König Sverri eine Versammlung ab, auf der er Folgendes sagte:
   »Wir möchten den Engländern danken, die hierher gekommen sind, denn sie haben uns Weizen und Honig, Mehl und Tuch gebracht. Wir möchten denen danken, die Leinen oder Flachs, Wachs oder Kochkessel gebracht haben. Dann möchten wir auch derer gedenken, die von den Orkneys, den Shetlands, den Färöern oder aus Island gekommen sind; all jene haben uns Dinge gebracht, die das Land bereichern und ohne die wir nicht auskommen. Aber dann gibt es die Deutschen, die in großer Zahl und mit großen Schiffen hierher gekommen sind, und die Butter und Stockfisch fortschaffen wollen, was unser Land ärmer macht. Dafür bringen sie Wein, den die Leute eifrig kaufen, meine Männer sowohl wie auch die Stadtleute und die Kaufleute. Daraus entsteht viel Übel, aber nichts Gutes, denn viele haben dadurch ihr Leben verloren, und manche sind bis zum Ende ihrer Tage zum Krüppel geworden. Manche trugen Verunstaltungen davon, andere sind in Schande gefallen, weil sie verwundet oder geschlagen worden sind. Trunkenheit ist der Grund für all das. Den Südmännern bin ich böse gesinnt für ihre Fahrten hierher, und wenn ihnen ihr Leben und Besitz lieb und teuer ist, sollen sie sich davon machen. Ihre Geschäfte sind für uns und unser Reich schädlich. Denkt daran, was Trunkenheit bedeutet, was sie mit sich bringt und was sie zerstört. Um das kleinste Übel zuerst zu nennen: Wer übermäßig trinkt, verdient kein Geld mehr, und der Preis der Trunksucht ist, dass er sein Vermögen verliert, bis er arm, verkommen und bedürftig ist, wenn er nicht vorher ablässt. Das zweite Übel ist, dass Betrunkenheit das Gedächtnis zerstört und einen Mann all das vergessen lässt, dessen er sich bewusst sein sollte. Zum Dritten weckt sie in einem Mann die Lust, alles Mögliche zu tun, was nicht recht ist, und er scheut sich nicht, Hand an fremdes Geld oder fremde Frauen zu legen. Als viertes Übel bringt die Trunkenheit einen Mann dazu, nichts hinzunehmen in Worten oder Taten, sondern es jedermann heimzuzahlen, und zwar weit mehr als angemessen. Außerdem verleitet sie dazu, sich an Unschuldigen zu vergehen.
   Noch ein Übel kommt von unmäßigem Trinken: Die Männer belasten ihren Körper bis auf das Äußerste, bleiben wach bis zur Erschöpfung und werden so blutleer an allen Gliedern. Und sie verbrauchen so ihr Blut, bis sie krank sind und ihre Gesundheit zerrüttet ist. Wenn Reichtum, Gesundheit und auch die Vernunft durch die Trinkerei zuschanden geworden sind, bringt sie einen Mann dazu, auch das Letzte, was er noch hat, seine Seele, zu zerstören. Sie bringt ihn dazu, die guten Sitten und rechtes Verhalten zu vernachlässigen und dafür der Sünde zu verfallen und Gott und alles, was Recht ist, zu vergessen und alles, was Gott geschaffen hat.
   Bedenkt, Ihr Trunkenbolde: Wer wird wohl Eure Seele ergreifen, wenn Euer Leben und Eure Trunksucht zur gleichen Zeit zu Ende gehen. Bedenkt, wie Euer Benehmen so wenig mit dem zu tun hat, wie es sein sollte, denn Mäßigkeit sollte in allem walten. Krieger sollten im Frieden sanft sein wie die Lämmer, im Krieg aber wild wie die Löwen. Kaufleute und Bauern sollten sich um ihre Arbeit kümmern, ihren Wohlstand auf rechte Weise vermehren und sich dabei eifrig bemühen. Sie sollen ihren Verstand gebrauchen und großzügig sein. Die Geringeren sollten dankbar sein und ihrem Herren mit gutem Willen und nach besten Kräften dienen.«
   Der König beendete seine Rede, indem er seine Männer aufforderte, sich angemessen zu verhalten und sich gegenüber Stadtleuten, Bauern und Kaufleuten friedlich zu verhalten.
   Diese Rede wurde von allen weisen Männern sehr gut aufgenommen. Im Herbst segelte König Sverri nach Norden.

 

King Sverri at Bergen / Trouble caused by drink /King Sverri's speech about drinking to excess
in: www.northvegr.org/lore/sverri
Übersetzung: U. Keller

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende im Nordmeer seit dem Jahr 530
Wien 2009

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!