1900 - Pierre Loti
Ankunft in Isfahan
Iran
Bei Sonnenaufgang brechen wir endlich nach Ispahan auf. Eine Stunde lang reiten wir durch eine traurige kleine Wüste, deren Boden aus braunen Lehmhügeln und Tälern besteht — zweifellos liegt die Wüste hier, um die Stadt der blauen Glasur mit ihrer frischen Oase doppelt schön erscheinen zu lassen.
Und dann, wie auf dem Theater, wenn der Vorhang aufgeht, teilen, trennen sich zwei einzeln dastehende Hügel; und das dahinterliegende Paradies entfaltet sich langsam vor unseren Augen. Zuerst sieht man Felder mit hohen weißen Blumen, und nach der Einförmigkeit der erdigen Wüste leuchten uns diese wie Schnee entgegen. Dann folgen mächtige Baumgruppen — Pappeln, Weiden, immergrüne Eichen, Platanen —, und zwischen den Bäumen hindurch leuchten all die blauen Kuppeln, all die blauen Minaretts von Ispahan auf... Ein Wald und eine Stadt zugleich. Dies Maiengrün ist noch üppiger als bei uns, ist von wunderbarer Frische, aber besonders ist es diese blaue Stadt, diese Stadt von Türkis und Lapislazuli, die unter den Strahlen eines Morgenhimmels so seltsam unwahrscheinlich, so zauberhaft schön wie eine alte orientalische Sage daliegt
Ungezählte kleine Kuppeln aus rosenrotem Lehm tauchen zwischen den Zweigen auf, aber alles, was ein wenig höher in den Himmel hinaufragt, die schlanken, gleich Spindeln gewundenen Minaretts, die ganz runden Kuppeln, diese aufgebauchten Kuppeln, die Turbanen gleichen, und in einer Spitze enden, die majestätischen Kuppeln der Moscheen, die Mauervierecke mit ihren spitzbogigen Toren, dies alles glitzert, flimmert in so kräftigen, wunderbaren, blauen Tönen, daß man unwillkürlich an Edelsteine, an Paläste aus Saphiren, an eine überirdische zauberhafte Pracht erinnert wird. Und in der Ferne beherrschen, verteidigen die Schneegefilde diese hochgelegene, heute vereinsamte Oase, die zu ihrer Zeit doch der Mittelpunkt aller Herrlichkeiten, aller Wunder der Welt war.
Ispahan!... Aber welches Schweigen herrscht in seinem Umkreise!... Bei uns, außerhalb einer großen Stadt, sieht man noch kilometerlange Strecken mit rußfarbenen Schmutzhaufen, mit Kohlen, mit lärmenden Maschinen, vor allem aber mit dem Netz der Eisenbahnlinien bedeckt, die eine törichte Verbindung mit der übrigen Welt herstellten.
Ispahan, einsam und entlegen, ragt in seiner Oase auf, und nicht einmal Fußsteige scheinen dorthin zu führen. Große, verlassene Friedhöfe, wo Ziegen grasen, klare Bäche, die ungehemmt dahineilen, über die man keine Brücke geschlagen hat, alte eingefallene krenelierte Mauern, das ist alles. Lange suchen wir zwischen den Trümmerhaufen der Wälle, zwischen den fließenden Gewässern nach einem Durchgang und wagen uns schließlich vorwärts, auf einem geraden Pfade, der von zwanzig Fuß hohen Mauern eingeschlossen wird, der uns keine Aussicht gewährt und durch den mitten hindurch ein kleiner Bach fließt Er gleicht einer langen Mausefalle und mündet in einen großen Platz, wo die summenden Stimmen der Menge ertönen, Käufer, Verkäufer, gespensterhafte Frauen, Tscherkessen mit anschließenden Waffenröcken, syrische Beduinen, die mit den Karawanen aus dem Osten gekommen sind (ihre Köpfe erscheinen von gewaltigem Umfang durch die darum gewickelten Seidenstoffe, Armenier, Juden ... Auf der Erde, im Schatten der Platanen, liegen ganze Haufen von Teppichen, Decken, Sätteln, von alten Burnussen oder alten Hüten; im Vorübergehen treten die Esel mit ihren Füßen darauf — gleichfalls unsere Pferde, die sich jetzt ängstigen. Aber noch haben wir nicht die Stadt der blauen Minaretts erreicht. Dies ist nicht das Ispahan, das wir beim Verlassen der Wüste sahen, und das uns in der klaren Morgenluft so nahe erschien; das wirkliche Ispahan liegt eine Meile weiter, liegt hinter den Mohnfeldern, hinter einem großen Fluß. Hier haben wir es nur mit einer armenischen Vorstadt zu tun, mit der profanen Vorstadt, in der alle Fremden, die nicht der mohammedanischen Religion angehören, wohnen dürfen. Und diese bescheidenen, fast ganz verfallenen Viertel, mit der großen armen Bevölkerung, das sind die Überreste des Djoulfa, das am Ende des sechzehnten Jahrhunderts, unter dem Schah Abbas, groß und mächtig war. (Es ist bekannt, daß dieser ruhmreiche Herrscher — allerdings durch ein etwas gewaltsames Verfahren — von den nördlichen Grenzen eine ganze armenische Kolonie kommen ließ, um sie hier am Fuße seiner Hauptstadt anzusiedeln, später überhäufte er sie mit Vorrechten, und so wurde diese handeltreibende Vorstadt eine Quelle großer Reichtümer für das Kaiserreich. In den darauffolgenden Jahrhunderten, unter anderen Schahs, sah sich diese immer wachsende armenische Ansiedlung bedrängt, verfolgt, auf jede Weise unterdrückt. (Neben den Erpressungen und Gewalttätigkeiten, die die Armenier zu erdulden hatten, erließ man ganz lächerliche Verordnungen gegen sie. So wurde es ihnen verboten, bei Regenwetter, wenn sie durchnäßt waren, die Stadt zu betreten, weil ihre Kleider in dem großen Basar die Gewänder der Muselmänner berühren und dann beschmutzen würden.) Heute jedoch, unter dem jetzt herrschenden Vezir von Jrak, hat sie wieder die Erlaubnis erhalten, ihre Kirchen zu öffnen und in Frieden zu leben.
Man drängt sich um uns, wir sollen in Djoulfa bleiben: Christen, so erzählt man uns, dürfen nicht in dem heiligen Ispahan wohnen. Auch werden unsere Pferde uns nicht dorthin bringen, ihr Besitzer weigert sich; es steht nicht im Kontrakt, folglich läßt es sich nicht machen. Armenier bieten uns Zimmer in ihren Häusern zur Miete an. Unser Gepäck und unsere Waffen liegen auf der Erde, und da stehen wir, umringt von der Menge, die einen immer dichteren Kreis um uns schließt, die immer lebhafter wird. — Nein, ich will in der schönen, blauen Stadt wohnen, deshalb bin ich hierher gekommen, und man soll mir keinen anderen Vorschlag machen! Man bringe mir Maultiere oder Esel, gleichgültig was, und dann fort aus dieser kaufmännischen Vorstadt, die nur der Ungläubigen würdig ist.
Wie ich vorausgesehen hatte, sind die Maultiere, die man herbeiführt, störrische, boshafte Tiere, zwei-, dreimal werfen sie ihre Last zu Boden. Und die Leute sehen unseren Vorbereitungen zum Aufbruch mit spöttischem Gesicht zu, mit einem Gesicht, auf dem geschrieben steht: Man wirft sie hinaus, und dann kommen sie zurück. Was tut das? Vorwärts auf den schmalen Pfaden, durch die engen Gäßchen, an den dort fließenden Bächen entlang, die in den nahen Schneegefilden entspringen. Bald befinden wir uns von neuem in den Korn- und Mohnblumenfeldern. Und dort liegt der Fluß von Ispahan, nur wenig tief fließt er in seinem Bett von Kieselsteinen dahin; er könnte als Verkehrsweg dienen, wenn er sich ins Meer ergösse, statt in die unterirdischen Lager einzudringen und schließlich in dem See zu münden, den wir zu Anfang unserer Reise inmitten der Einöden haben liegen sehen; an seinen Ufern trocknet man hunderte von diesen Wandbekleidungen, auf die man Muster in Form eines Tempelportals druckt, und die dann ganz Persien, die ganze Türkei überschwemmen.
Es ist eine prachtvolle, seltsame Brücke, auf der wir der Stadt entgegenziehen; sie stammt, wie aller Luxus in Ispahan, aus der Zeit des Schah Abbas; sie ist dreihundert Meter lang und besteht aus zwei übereinander liegenden, spitzbogigen Arkaden, deren graue Steine durch das herrliche Blau der Glasur hervorgehoben werden. Gleichzeitig mit uns halt eine Karawane ihren Einzug, eine sehr lange Karawane; sie kommt aus den Wüsten des Westens, und ihre Kamele sind alle mit wilden Federbüschen geschmückt. Zu beiden Seiten der Fahrstraße, die die Mitte der Brücke einnimmt, liegen die für Fußgänger bestimmten Wege, geschützt Von anmutigen, fayencebekleideten Bogenwölbungen; sie gleichen gotischen Klostergängen.
All die schwarzen, gespensterhaften Frauen, die auf den überdachten Pfaden lustwandeln, halten einen Rosenstrauß in der Hand. Rosen, überall Rosen. All die kleinen Zuckergebäck- und Teeverkäufer am Wege haben ihre Aufsatzplatten mit Rosen überladen, haben Rosen in den Gürtel gesteckt, und die in Lumpen gehüllten Bettler unter den Spitzbogen entblättern die Rosen zwischen ihren Fingern.
Die blauen Kuppeln, die blauen Minaretts, die blauen Zinnen zeigen uns jetzt die Einzelheiten ihrer Arabesken, die den Zeichnungen alter Gebetsteppiche gleichen. Und unter dem wundervollen Himmel, der sich über Ispahan wölbt, tummeln sich viele Taubenschwärme, sie fliegen auf, sie kreisen in der Luft, sie lassen sich von neuem auf den fayencebekleideten Türmen nieder.
Nachdem wir die Brücke überschritten haben, erreichen wir eine große, gerade Allee, die allen unseren bis jetzt gesammelten Eindrücken von orientalischen Städten widerspricht. Zu beiden Seiten des Weges läuft eine Hecke von dichten Rosenbüschen entlang; im Hintergrunde sieht man die Gärten liegen, aber die Häuser, die vielleicht schon verfallenen Paläste, schimmern nur undeutlich zwischen den hundertjährigen Bäumen hindurch; das Laub ist gar zu dicht Diese Rosenwände, die hier auf offener Straße stehen, und die die Vorübergehenden plündern können, haben in toller Üppigkeit geblüht, und da jetzt die Zeit der Ernte gekommen ist, da man jetzt an die Essenzbereitung geht, stehen die verschleierten Frauen mit der Schere in der Hand zwischen den Büschen und schneiden und schneiden; sie lassen einen Blätterregen herniederfallen; überall Körbe, gefüllt mit Rosen, überall Berge von Rosen auf der Erde... Erzählte man uns nicht in Djoulfa, daß wir einen üblen Empfang haben würden in dieser Stadt der großen Bäume und der Blumen, die so offen daliegt, und in die man uns so ruhig hineinziehen läßt?
Aber die Eingeschlossenheit, die Beklommenheit der Ruinen und des Geheimnisvollen wartet unser bei der ersten Biegung des Weges. Plötzlich finden wir uns wie in Chiraz in einem Labyrinth von verlassenen, dunklen Gäßchen, zwischen hohen, fensterlosen Mauern wieder, und auch hier ist der Boden mit Unrat, mit Gebeinen, mit verreckten Hunden bedeckt. Alles ist unbewohnt, baufällig und finster; zuweilen sehen wir durch einen Riß in der Mauer einige Häuser, aber diese können nur Geistern und Eulen als Unterschlupf dienen. Und in der unendlichen, grauen Eintönigkeit der Wände streuen die immer reizvollen alten Türen mit ihren wunderbar glasierten Einfassungen ihr Mosaik in kleinen blauen Stückchen auf die Erde, so, wie die Bäume im Herbst ihre Blätter über den Boden säen. Es ist kalt, und man atmet schwer zwischen diesen Trümmern, durch die wir im Gänsemarsch dahinziehen, und mehr als einmal verlieren wir unsere störrischen Tiere, die uns nicht folgen wollen, aus dem Auge. Wir wandern, wir wandern immer weiter, ohne recht zu wissen, wohin.
Unser Führer scheint auch nicht zuversichtlicher als die Armenier in Djoulfa in bezug auf den Empfang zu sein, den man uns wird zuteil werden lassen. Zuerst wollen wir es in den Karawansereien versuchen, später können wir uns immer an die Einwohner wenden...
Wir erreichen jetzt die großen gewölbten Schiffe der Basare und befinden uns plötzlich mitten im Volksgewühl, hier ist es schattig und kühl. Die Stadt kann also doch nicht überall ausgestorben sein, denn ein lautes Gesumme dringt an unser Ohr. Aber es ist fast dunkel, und das Kommen und Gehen der burnusgekleideten Kaufleute, der gespensterhaften Frauen, der Reiter, der Karawanen, das Treiben, in das man plötzlich nach den vielen Trümmern, nach dem großen Schweigen hineingerät, erscheint zuerst fast märchenhaft.
Die Basare Ispahans, einst die reichsten Handelsplätze Asiens, sind eine Welt für sich. Ihre steinernen Schiffe, ihre Reihen hoher Kuppeln verlieren sich in der Unendlichkeit, sie kreuzen sich, bilden regelmäßige Plätze, und diese sind mit Springbrunnen geschmückt, und sind inmitten ihres Verfalls noch immer großartig anzusehen.
Löcher, Kloaken, ein holperiges Pflaster, auf dem man ausgleitet; nur mühsam dringen wir vorwärts, wir werden von den Leuten, von den Tieren gestoßen, und immer wieder müssen wir uns mit unseren Maultieren beschäftigen, die sich in dem seltsamen Gewühl verlieren.
Zu beiden Seiten dieser Alleen öffnen sich die Karawansereien, sie werfen eine Flut von Licht auf den Weg. Alle besitzen sie ihren unter freiem Himmel gelegenen Hof, wo die Reisenden ihre Kalyan im Schatten einer alten Platane, neben einem plätschernden Springbrunnen, zwischen den Büschen der rosenroten, der weißen Rosen rauchen, kleine, ganz gleiche Zimmer, die zwei oder drei übereinander liegende Stockwerke bilden, gehen auf die inneren Gärten und erhalten ihr Licht durch die blauglasierten Spitzbogen.
[…]
Nachdem wir uns durch mehrere gewundene Gäßchen über Löcher und Trümmerhaufen dahingeeilt sind, umgibt uns von neuem der ewige Schatten der Basare. Das Gewölbe, das wir jetzt erreicht haben, gehört den Schneidern; Burnusse, blaue Kleider, grüne Kleider, Kleider aus buntem Kaschmir werden hier in einer Art von Kathedrale, die unendlich lang und wohl dreißig bis vierzig Fuß hoch ist, genäht und verkauft. Ein ganz mit Emaillemosaik ausgelegter Bogen zeigt von der Erde bis zur äußersten Spitze des Gewölbes eine Öffnung, durch die wir plötzlich den Platz Ispahans vor uns liegen sehen, der in keiner europäischen Stadt seinesgleichen findet, weder was die Größe, noch was die Pracht anbelangt. Er ist im reinen Rechteck erbaut, wird von gleichmäßigen Gebäuden eingerahmt und hat eine so gewaltige Ausdehnung, daß die Karawanen, die langen Reihen der Kamele, die Züge, die ihn in diesem Augenblick unter einem wunderbar strahlenden Morgenhimmel kreuzen, daß dies alles sich hier zu verlieren scheint; seine vier Seiten werden zum größten Teil von den langen, geraden Schiffen der Basare gebildet, mit ihren übereinander liegenden, riesengroßen, gemauerten Spitzbogen aus graurotem Stein, die sich in eintönigen, endlosen Reihen dahinziehen; aber, um diese zu große Gleichgültigkeit der Linien zu unterbrechen, leuchten die seltsamen, herrlichen Gebäude uns gleich kostbaren Porzellanstücken von verschiedenen Seiten entgegen. Im Hintergrunde, in majestätischer Zurückgezogenheit und doch im Mittelpunkt von allem, liegt die kaiserliche Moschee (die Masjed Chah). Alles ist aus blauem Lapislazuli, aus blauem Türkis, ihre Kappeln, ihre Portale, ihre ungeheuren Spitzbogen, ihre vier Minaretts, die gleich riesengroßen Spindeln in die Luft hineinragen. Mitten auf der rechten Seite sieht man den Palast des großen Kaisers, den Palast des Schah Abbas, seine schlanke Säulenhalle im alten assyrischen Stil, die auf einem dreißig Fuß hohen Sockel ruht, hebt sich wie etwas Leichtes, Luftförmiges in dem leeren Räume ab. Auf unserer Seite blitzen die Minaretts, die Kuppeln aus gelber Glasur auf, hier liegt die alte Freitagsmoschee, eine der heiligsten und der ältesten in ganz Iran (die Masjed Djummah). Und dann überall in der Ferne andere blaue Kuppeln, andere blaue Minaretts, andere blaue Türme, von Tauben umkreist, sie tauchen zwischen den Wipfeln der Platanen auf. Und schließlich am äußersten Rande der Ebene umrahmen die Berge dies große Bild mit ihren leuchtenden Schneezacken.
In Persien, wo vor undenkbaren Zeiten die Leute die gewaltige Arbeit der Bewässerung unternahmen, um ihre Wüsten fruchtbar zu machen, geht nichts ohne fließendes Wasser; so sieht man auch hier zu beiden Seiten des großartigen Platzes klare Bäche durch weiße marmorne Rinnen dahineilen; sie kommen aus weiter Ferne und speisen zwei Alleen und Rosengebüsche. Und dort unter kleinen Zelten rauchen die vielen müßigen Träumer ihre Kalyan und trinken ihren Tee; die einen kauern auf der Erde, die anderen sitzen auf Bänken, die sie über den Bach gelegt haben, um in nächster Nähe den kühlen Hauch genießen zu können, den die kleine vorüberfließende Welle mit sich bringt. Hunderte von Leuten, die verschiedensten Tiere bewegen sich auf diesem Platz, ohne ihn doch jemals ganz zu füllen, denn er ist unendlich groß, und immer liegt seine Mitte fast ganz verlassen, in ein Meer von Licht gebadet, da. Schöne Reiter führen ihre Pferde im Galopp vor — im persischen Galopp, wo sie mit straffen Zügeln dem Hals ihres Pferdes die Biegung eines Schwanenhalses geben. Scharen von turbangekleideten Männern verlassen nach der Morgenandacht die Moscheen, sie erscheinen zuerst in den großen, wahnsinnig blauen Portalen und verlieren sich dann in der Sonne. Kamele ziehen langsam vorüber, Truppen kleiner, mit schweren Lasten beladener Esel trippeln heran. Gespensterhafte Damen reiten auf ihren weißen Eselinnen spazieren, in der Hand haben sie überaus prächtige Gerten aus gesticktem Samt mit goldenen Fransen besetzt. — Und doch, wie jämmerlich würde dies Treiben, würden die heutigen Trachten sich neben dem machen, was man auf demselben Platze unter der Herrschaft des großen Kaisers sehen konnte, als die Vorstadt Djoulfa noch mit Reichtümern überschwemmt war! Zu seiner Zeit floß alles Geld Asiens nach Ispahan; die Glasurpaläste schossen so schnell wie das Maiengras aus der Erde hervor; und Kleider aus Brokat, Kleider aus gold- und silbergewirkten Stoffen wurden tagtäglich auf den Straßen getragen, ebenso wie die Agraffen aus kostbaren Steinen. Wenn man näher hinsieht, so ist man entsetzt über den Verfall aller dieser Gebäude, die beim ersten Anblick noch so glanzvoll erschienen! — Dort oben, die schöne luftförmige Säulenhalle des Schah Abbas hat sich unter dem Dach, das schon einzustürzen beginnt, geneigt. An der Seite, wo die winterlichen Winde wehen, sind alle Minaretts der Moscheen, alle Kuppeln zur Hälfte ihres geduldigen Fayenoemosaiks beraubt und scheinen von einem grauen Aussatz angenagt zu sein; mit der Fahrlässigkeit, die den Persern eigen ist, lassen sie dem Verfall seinen Lauf; und außerdem wäre dies alles heute auch nicht mehr auszubessern: man hat weder das nötige Geld noch die Zeit, und das Geheimnis dieses wunderbaren Blaus ist seit langen Jahren verloren. Man bessert also nichts aus, und dieser einzig dastehende Platz, der mehr als dreihundert Jahre alt ist, wird niemals den Schluß des Jahrhunderts erleben, in das wir jetzt hineingehen.
Loti, Pierre
Reise durch Persien
Berlin 1925