Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1542 - Fernão Mendes Pinto

Die Feuerwaffen kommen nach Japan
Tanegashima

 

Nach einer mühseligen Irrfahrt von 23 Tagen entdeckten wir endlich eine Insel, der wir uns näherten. Sobald wir vor Anker gegangen waren, besuchten uns mehrere Leute in zwei kleinen Kähnen und fragten, woher wir kämen. Auf unsere Erwiderung, daß wir China verlassen hätten, um Handel zu treiben, und auf unsere weitere Erkundigung, ob wir hier die Erlaubnis dazu erhalten würden, bemerkten sie, daß der Statthalter dieser Insel, welche Tanixuma [Tanegashima] heiße, dies gern gestatten würde, wenn man die vorgeschriebene Abgabe an Japan, das große Land, welches wir vor uns sähen, entrichte. Sie zeigten uns darauf den Hafen, auf welchen wir sogleich zusteuerten, um hinter einer Landspitze bei der großen Stadt Miaygimah vor Anker zu gehen. Es erschienen bald einige Kähne mit Erfrischungen, welche wir sogleich kauften, da wir ihrer sehr bedürftig waren.
   Wir hatten kaum zwei Stunden die Anker ausgeworfen, als der Statthalter der Insel mit mehreren Kaufleuten an Bord kam und einige mitgebrachte Kästen mit Silberbarren öffnen ließ, um mit uns Tauschhandel zu treiben. Wir drei Portugiesen fielen ihm sogleich durch unsere Bärte und durch unsere Gesichtsbildung ganz besonders auf, und da er uns unmöglich für Chinesen halten konnte, so fragte er den Schiffseigentümer, woher und wer wie seien. Dieser antwortete, wir gehörten einem Lande an, welches Malacca heiße und seien dorthin vor mehreren Jahren aus einem mächtigen Reiche gekommen, welches man Portugal nenne. Er war darüber sehr erstaunt und rief zu seinen Leuten gewendet aus: „Ich will des Todes sein, wenn diese Männer nicht die Schienschicogis sind, von denen in unseren Büchern geschrieben steht, daß sie auf der Höhe der Gewässer fliegen und auf denselben die Bewohner des Landes unterjochen werden, wo Gott die Reichtümer der Welt geschaffen hat, weshalb es für uns ein großes Glück sein wird, wenn sie als gute Freunde in unser Gebiet kommen.“
   Er rief darauf eine alte Frau von den [Ryukyu] herbei, die ihm als Dolmetscherin diente, und ließ durch diese, da sie die Sprache des Schiffsherrn verstand, denselben fragen, wo er die fremden Männer gefunden und in welcher Absicht er sie mit sich nach Japan gebracht habe. Er antwortete, wir seien ehrliche Kaufleute, die er zu Lapacau getroffen habe, wohin wir durch Sturm verschlagen worden seien, und gegen die er Barmherzigkeit geübt habe, auf daß ihm Gott gnädig sein und ihn vor einem ähnlichen Unglück bewahren möge. Der Statthalter, welcher durchdiese Auskunft befriedigt schien, stellt nun noch mehrere Fragen über die Beschaffenheit der Junke und ihren Inhalt, woraus wir schließen konnten, daß die Befriedigung seiner Neugierde ihm vor Allem am Herzen lag. Er nahm darauf den Schiffsherrn und uns Portugiesen auf die Seite und lud uns auf den folgenden Tag in sein Haus ein, mit dem Ersuchen, ihm die Neuigkeiten der großen Welt, die Erfahrungen, die wir auf den Reisen in derselben gemacht, und die Geschichte unserer Erlebnisse mitzuteilen. „Denn wisset“, fügte er hinzu, „daß diese Erzählungen mir weit angenehmer sind als alle Waren, die ihr mir bieten könnt.“ Er nahm nun Abschied und schickte uns eine große Bake mit Erfrischungen, worunter sich auch Weintrauben, Birnen, Melonen und andere Erzeugnisse dieser Gegend sich befanden, die uns äußerst willkommen waren. Wir erwiderten dieses Geschenk durch einige kostbare Stoffe und chinesische Kleinigkeiten, und der Necoda oder Schiffsherr ließ ihm sagen, daß wir unseren Besuch abstatten würden, sobald unsere Junke an einer guten Stelle in Sicherheit gebracht sei.
   Der Necoda begab sich auch am folgenden Morgen mit uns und mehreren Chinesen, auf welche er vertrauen konnte, ans Land und ging zu dem Statthalter, um ihm Proben der mitgebrachten Waren vorzuzeigen und ihm den Wert derselben anzugeben. Der Statthalter ließ die vornehmsten Kaufleute der Stadt zusammenrufen und wurde bald über den Preis einig. Man wies nun dem Necoda ein Haus an, worin die Handelsgeschäfte besorgt werden sollten, und wo er bis zu seiner Abreise wohnen könne. Nachdem diese Angelegenheiten abgetan waren, wandte sich der Nautaquin oder Statthalter wieder zu uns und bestürmte uns mit Fragen über allerlei Dinge. Wir antworteten ihm mehr, wie es ihm zu Gefallen und es unserem Vorteil zu entsprechen schien als der Wahrheit gemäß.
   Die erste Sache, welche er vorbrachte, war die Bemerkung, daß er von den Chinesen und den Lekios gehört habe, Portugal sei größer und reicher als China, was wir natürlich auch bestätigten, die zweite Frage war, ob die Versicherung, die man ihm gegeben, daß unser König zur See der größten Teil der Welt erobert habe, wahr sei; wir bejahten auch dies im Fernen Osten verbreitete Gerücht, zuletzt erkundigte er sich, ob unser König wirklich zweitausend Häuser besitze, die bis unter das Dach mit Gold und Silber angefüllt seien. Wir antworteten, daß wir, weil das Königreich Portugal sehr groß sei, die Zahl der Häuser nicht genau anzugeben wüßten, daß aber das ganze Land ungeheuer reich an großen Schätzen sei, die man unmöglich überblicken und berechnen könne. Nach dieser übertreibenden Prahlerei wandte sich der Nautaquin zu den Seinen mit den Worten: „Sicherlich kann keiner der Machthaber, die jetzt auf der Welt leben, glücklich sein, wenn er nicht der Vasall des Königs dieser Leute ist.“
   Als der Necoda nun Abschied nahm, bat er uns, diese Nacht am Lande und bei ihm zuzubringen, um seine Wißbegierde noch weiter zu befriedigen, wobei er uns noch die Versicherung gab, daß er uns am folgenden Morgen eine bequeme Wohnung neben der seinigen werde einrichten lassen, womit wir sehr zufrieden waren.
   Der Necoda ließ am folgenden Morgen seine Waren ans Land bringen und sie in den ihm angewiesenen Gemächern zur Schau auslegen; er verkaufte sie alle in der Zeit von drei Tagen, weil der Vorrat nicht sehr groß war und das Land großen Bedarf hatte. Er wurde deshalb für seinen Verlust in dem Treffen mit dem Korsaren entschädigt und erlöste aus den Waren, die etwas einen Wert von fünftausend Talern hatten, mehr als dreißigtausend Taler. Wir Portugiesen, die wir keine Waren abzusetzen hatten, verkürzten uns die Zeit mit der Jagd und mit dem Besuche der Tempel dieser Heiden, welche sehr prachtvoll und reich waren und in welchen die Bonzen, wie diese Leute ihre Priester nennen, uns sehr freundlich empfingen, wie denn überhaupt Freundlichkeit ein sehr angenehmer Zug des japanischen Charakters ist. Einer von uns drei Portugiesen, welcher Diego Zeimoto hieß und ein sehr guter Schütze war, ging zuweilen mit seiner Flinte, die er in allen Unfällen zu retten gewußt hatte, auf der Jagd und schoß mehrere Enten, worüber die Japaner, die keinen Begriff von der Einrichtung und Wirkung des Feuergewehrs hatten, so sehr erstaunt waren, daß sie die Nachricht von diesem Wunder sogleich dem Nautaquin hinterbrachten. Dieser beschied Zeimoto zu sich und geriet über die schnelle Wirkung dieser Waffe, die ihm der Portugiese zeigte, in solche Verwunderung, daß er diesen hinter sich auf sein Pferd sitzen und durch seine Herolde vor allem Volk ausrufen ließ, daß er den Zeimoto als einen Verwandten angenommen und daß jeder Bewohner der Insel Tanixuma ihn als solchen zu ehren habe. Er führte ihn an der Hand in den Palast und setzte ihn an der Tafel an seine Seite und erzeigte auch uns beiden anderen Portugiesen seinetwegen viel Ehre.
   Zeimoto war über dies Aufmerksamkeit so sehr überrascht, daß er dem Nautaquin eines Tage die Flinte als Geschenk anbot. Dieser nahm sie sehr gern an und gab dem Schützen als Gegengeschenk zweitausend Taler. Dabei bat er ihn aber, ihn zu lehren, wie man das Pulver bereite, weil ihm sonst die Flinte keinen Nutzen bringen könne. Zeimoto lehrte die Japaner die Verfertigung des Pulvers, und diese wußten in ihrer bekannten Kunstfertigkeit die Flinte alsbald so geschickt nachzuarbeiten, daß sich, als wir nach etwa einem halben Jahr abreisten, mehr als 600 Feuergewehre auf der Insel befanden und später, als mich der Vizekönig Alphonso de Noronha im Jahr 1556 nach Japan sandte, alle Städte diese Reiches reichlich mit dieser Waffe versehen waren und man sie zum Gegenstande eines lohnenden Handels gemacht hatte, denn dieses Volk findet großes Gefallen am Kriegshandwerk und übertrifft darin alle benachbarten Völker.

 

Pinto, Fernão Mendez
Abenteuerliche Reise durch China, die Tartarei, Siam, Pegu und andere Länder des östlichen Asiens
Bearbeitet von Philipp H. Külb
Jena 1868

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