Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1598 - Jacob van Neck, Befehlshaber der 2. Niederländischen Flotte nach Ostindien
Landung auf Mauritius oder: Der Dodo

 

Am 17. September kam eine Insel in Sicht, genannt Ile de Cerne oder Mauritius, die sehr hügelig zu sein schien; deshalb hofften wir, dort frisches Wasser zu finden; wir freuten uns sehr, denn auf den Schiffen begannen wir, an Skorbut zu leiden.
   Am 18. morgens ruderten wir mit zwei Booten ans Ufer der Insel um zu sehen, ob wir Süßwasser oder Grünzeug finden könnten. Wir kamen näher ans Land und ruderten am Ufer entlang, konnten aber keinen geeigneten Landeplatz finden. Unser Boot fuhr zum Vize-Admiral, und es wurde befohlen, daß wir an einen anderen Platz rudern sollten, um einen geeigneten Landeplatz zu finden. Das Boot, bemannt mit sieben Leuten, ruderte zum Ufer zurück und fand nach eingehender Suche einen sehr schönen runden Hafen, groß genug, daß 50 Schiffe dort liegen könnten, geschützt vor allen Winden und mit gutem Ankergrund. Gegen Abend kam das Boot zum Vize-Admiral zurück mit acht oder neun großen und vielen kleinen Vögeln, die mit der Hand gefangen werden konnten. Es gab auch gutes, frisches Wasser aus den Hügeln: die Leute auf den Schiffen freuten sich sehr, daß sie ihre Bäuche damit füllen könnten. Dieser Hafen ist der schönste und beste, den man überhaupt nur finden kann, um Vorräte aufzufüllen. Am 19. fuhren wir näher ans Ufer, wo wir guten Ankergrund fanden, Ton auf 14 Faden Tiefe.
   Am 20. gingen die meisten an Land, wo sie einer Predigt des Kaplans von des Vize-Admirals Schiff zuhörten. Es waren nun vier Monate und zwanzig Tage, daß wir nicht an Land gewesen waren, und an diesem Tag gab es eine doppelte Ration an Wein zur Erinnerung an den Feiertag, der in Amsterdam begangen wurde. Und an diesem Tag (es war Sonntag) taten wir nichts als zwei Predigten am Morgen und am Nachmittag anzuhören und zu beten und Gott dem Allmächtigen von Herzen zu danken, daß er uns zu diesem Ort der Stärkung geleitet hatte; denn hätten wir nicht hierher gefunden, hätten viele nicht überlebt, um von ihren Erlebnissen zu berichten. Unsere Leute hatten angefangen, stark unter dem Skorbut zu leiden, und das meiste Wasser stank und war schwarz wie Jauche, und es waren noch 500 Leguas bis nach Bantam, wie uns unser Steuermann versicherte. Wir nannten diese Insel Mauritius.
   Am 21. desselben Monats ruderten Leute mit unserem Boot zu einer anderen Stelle der Insel um festzustellen, ob es irgendwelche Einwohner gab. Schließlich kamen wir an einen Fluß mit frischen Wasser, der aus den Bergen kam, aber Menschen konnten sie nicht entdecken. Hier nahmen wir Wasser ein, denn man kann nahe dahin rudern und leicht an das Wasser kommen, so daß es ein wunderbarer und bequemer Ort zum Wasserfassen war. An diesen Fluß erlegten unsere Leute so viel Geflügel wie wir nur essen konnten, denn wenn wir uns näherten, blieben sie still sitzen und flohen nicht, so daß wir sie leicht mit den Händen greifen konnten. Daran merkten wir, daß die Insel nicht bewohnt war.
   Am 23. fuhren einige Leute mit einem kleinen Boot aus, um mit dem Netz zu fischen, das der Vize-Admiral mitgebracht hatte, denn es gab einen Überfluß an Fischen.
   Am 24. wurden Leute mit einem größeren Boot an Land geschickt, um nach einem anderen Platz außer dem zu suchen, den wir schon passiert hatten, und den wir erreichen könnten, denn der Wind hatte gedreht und wir konnten auf unserem Kurs nicht zurücksegeln.
   Am 25. kamen diejenigen zurück, die an Land geschickt worden waren; sie hatten dort keine Menschen gefunden. Alle waren an diesem Tage eifrig damit beschäftigt, Wasser an Bord der Schiffe zu bringen.
   Am 27. gab es für die gemeinen Matrosen an Land eine weitere Predigt. Es gab einen Indianer, der war einer von denen, die auf der letzten Reise von Madagaskar nach Holland mitgenommen worden waren, und der wurde freiwillig Christ und wurde getauft auf den Namen Laurence. Am selben Tag kam das große Boot zurück, hatte aber nicht genügend Wassertiefe gefunden, daß unsere Schiffe passieren konnten. Am 29. kamen einige von unseren Leuten zurück, die an Land geschickt worden waren, ohne erwünschte Neuigkeiten; sie erzählten nur, daß sie eine Stelle gefunden hatten, wo viele Kokosnüsse wuchsen, und sie brachten auch ein paar Nüsse mit; wir holten Wasser.
   Am 30. gingen einige Leute an Land, um Kokosnüsse zu holen. Dann hatten wir unsere erste Brotration, täglich ein und ein viertel Pfund.
   Am 2. Oktober hatten wir günstigen Wind und setzten Segel.
   
   Eine Beschreibung der Insel Cerne, jetzt von den Holländern Mauritius genannt, auf 21 Grad südlich des Äquators gelegen:
   Die Insel Cerne, von den Holländern Mauritius genannt, liegt auf 21 Grad südlich des Äquators und hat einen Umfang von gut sechs Meilen oder ungefähr zwei Leguas.
   Wer die Insel ansteuern will, muss die zwei höchsten Hügel ineinander bringen und die sechs kleinen Inseln zur Rechten lassen in 10 Faden tiefem Wasser. Zur Linken liegt einen kleine Insel, die wir Helmskerken nannten, und die Bucht der besagten Insel Cerne nannten wir nach unserem Vize-Admiral Bucht von Warwick. Sie ist ein guter Hafen, in dem 50 Schiffe liegen können, geschützt vor Wind und Wetter.
   Die besagte Insel Mauritius ist und war nie bevölkert nach allem, was wir feststellen konnten, denn viele von gingen oft landeinwärts und fanden keine Menschen. Da die Vögel zahm waren, nahmen wir an, daß es ein unbesiedeltes Land ist, denn wir konnten sie in großer Zahl mit bloßen Händen fangen.
   Das Land ist sehr hügelig, so daß es zu größten Teil mit Wolken bedeckt ist, und manchmal geht so ein Rauch oder Nebel über das Land, daß ein Mann kaum seinen Nachbarn sehen kann. Zum größten Teil ist der Boden steinig, trotzdem aber mit wilden Bäumen unzähliger Arten bestanden, die so dicht stehen, daß ein Mann kaum hindurchkommen kann. Die Bäume sind gut gewachsen, wie man sie auch in anderen Ländern findet, schwarz wie Pech und glatt wie Knochen. Außen haben sie eine sehr dicke grüne Borke, unter der Borke ist das schwarze Eben, bei einigen mit schönem rotem Holz, andere gelb wie Wachs. Von den drei Sorten brachten wir einige mit zur Prüfung, und sie haben sich als sehr gut herausgestellt.
   Es gibt auch Palmitos, die uns gut versorgten; sie wachsen wie die Kokospalme, oben im Wipfel haben sie dicke und ausladende Zweige. Die schnitten wir herunter, nahmen das Mark heraus und aßen es. Manchmal machten wir Salat daraus, der unsere Leiber kräftig purgierte und erfrischte.
   Fast alle gingen an Land und fanden die Insel sehr gut und der Gesundheit zuträglich, so daß wir Zelt und Hütten aufbauten, in die wir unsere Geschwächten und Kranken brachten. Da blieben sie, bis sie sich erholt hatten, was nach sehr kurzer Zeit der Fall war. So bemerkten wir, daß diese Insel angenehme und bekömmliche Luft hatte.
   Als alle an Land waren, gab es eine Predigt am Vormittag und eine am Nachmittag, Gott dankend und preisend, weil er uns an einen so guten Ort zur Erholung geleitet hatte. Wären wir nicht hierher gekommen, hätten viele nicht überlebt, um Nachrichten zu überbringen, denn der Skorbut begann mächtig unter unseren Leuten zu wüten, und der größte Teil des Wassers stank und war schwarz wie Jauche; vier Monate und 20 Tage hatten wir keinen Fuß an Land gesetzt.
   Als wir nun auf der Insel Mauritius waren, fuhren wir mit einem unserer Boote an eine andere Landestelle, um etwa Einwohner zu finden, aber es gab keine. Wir kamen aber an einen Fluß mit Süßwasser, der aus den Bergen kam, wo wir Frischwasser für unsere Schiffe faßten.
   Einige von uns gingen auf Fischfang mit einem kleinen Boot, mit einem Netz, das der Vize-Admiral mitgebracht hatte, und wir trafen auf eine wunderbare Menge von Fisch, so daß wir mit einem Zug fast zweieinhalb Fässer voll bekamen, und wir konnten das Netz kaum einholen, weil so viele Fische darin waren. Jeden Tag bekamen wir so viel Fische, daß wir nicht alle essen konnten, solange sie gut und frisch waren. Hier fingen wir einen Nagelrochen, der so groß war, daß er für uns und die Mannschaft unseres Schiffes für zwei Mahlzeiten reichte.
   Hier gibt es eine große Anzahl an Schildkröten, so groß, daß sich auf eine vier Mann stellten, und sie kroch mit uns davon. In einem Panzer gab es genug Platz, daß 10 Mann darin sitzen konnten.
   Die Insel ist sehr fruchtbar und voller Vögel wie Turteltauben, von denen es so viele gibt, daß drei von uns an einem Nachmittag 150 Stück gefangen und mit einem Knüppel erschlagen haben. Es gibt auch sehr viele Papageien, rostfarbene und andere.
   Es gibt auch große Vögel, groß wie ein Schwan und mit großem Kopf, und auf dem Kopf sitzt eine Haut wie eine Haube; sie haben überhaupt keine Flügel, statt dessen drei oder vier schwarze Federkiele, und da, wo der Schwanz sein sollte, haben sie vier oder fünf gelockte Federn; ihre Farbe ist gräulich. Wir nannten sie Walghfowl [Dodo], zum Teil, weil sie zäh zu essen waren, wie lange auch immer man sie kochte, Kropf und Brust waren aber gutes Fleisch, besonders aber, weil wir Turteltauben als Proviant bekamen, die besser schmeckten.
   Es gibt auch andere Vögel, die gut schmecken und Rabos Forcados genannt werden, weil ihre Schwänze wie eine Schneiderschere gegabelt sind. Diese Vögel sind so zahm, daß ein Mann sie mit den Händen greifen kann, wenn sie auf dem Nest sitzen, oder sie mit Steinen und Knüppeln erschlagen; innerhalb einer halben Stunde konnten wir ein Boot mit ihnen füllen. Deshalb nahmen wir an, daß sie noch nie Menschen auf der Insel gesehen hatten, denn sie scheuten nicht vor Menschen und konnten es kaum lassen, sich auf unsere Köpfe zu setzen und sich so fangen zu lassen.
   Wir bauten auf der Insel eine Schmiede auf, wo unser Schmied Neues machte und Altes reparierte, und die Zimmerleute bauten ein Boot für die Utrecht, weil eins vor Saint Laurence verloren gegangen war. Wir fanden etwa 300 Pfund an Waren mit griechischer Schrift, Tauwerk mit einer Spillspake und eine mächtige Großrah; daraus schlossen wir, daß es einen Schiffbruch gegeben hatte.
   Auf dieser Insel ließ unser Vize-Admiral ein Schild aus Holz machen und an einem Baum befestigen, damit, falls andere Schiffe hierher kämen, ihnen bekannt würde, daß Christen hier gewesen waren. Also waren die folgenden Worte eingeschnitzt: „Christianos Reformados“, Reformierte Christen, mit den Wappen von Holland, Zeeland und Amsterdam.
   Es gibt auf der Insel auch eine große Ebene, wo der Vize-Admiral einen umzäunten Garten anlegen und alle Arten von Früchten säen und pflanzen ließ um festzustellen, ob sie wachsen und gedeihen würden. Wir ließen auch Hühner hier um zu sehen, ob sie sich vermehren würden. Immer wieder schickten wir Leute aus um festzustellen, ob es auf der anderen Seite der Insel Einwohner gab; sie blieben manchmal drei oder vier Tage aus bevor sie zurückkehrten, aber niemand sah oder hörte etwas, und vierfüßige Tiere fanden sie auch nicht.
   
Neck, Jacob Cornelissoon van
The iournall or dayly register …
London 1601
Übersetzung: U. Keller

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