1868 - Gerhard Rohlfs
Magdala nach Theodores Niederlage und Tod
Äthiopien
Am 13. April 1868 wehte die englische Flagge auf den drei Amben von Magdala, freilich nur für einige Tage, aber ein Ereignis wichtig genug mit seinen damit verknüpften Erfolgen, immer eine der merkwürdigsten Thaten der Englischen Armee, welche sie bis jetzt vollbracht hat, zu bleiben. In der That, die Befreiung der europäischen Gefangenen, die Vernichtung des abessinischen Heeres, der Tod des Negus Negassi, die Einnahme von Magdala erfolgten so rasch nach jenem beschwerlichen Marsche durch Abessinien, dass selbst wir Theilnehmer der Expedition uns oft hinterher fragten, wie Alles so schnell und glücklich zu Ende kommen konnte. Und Magdala, für einige Monate der Aufenthalt der europäischen Gefangenen, von Theodor für unüberwindlich gehalten und daher als sein letzter Zufluchtsort ausgesucht, dann für einige Tage Standquartier einer englischen Brigade, ist jetzt nur noch, was es ursprünglich war, ein interessanter Punkt, denn wohl schwerlich werden die plündernden Galla etwas noch Brauchbares dort oben lassen, sie werden die Kirche zerstören und höchst wahrscheinlich die Gebeine ihres Erzfeindes, der bei seinen Lebzeiten Tausende ihrer Brüder mit kaltem Blute erwürgte, in alle Winde zerstreuen.
Etwas südlich von Beschilo sich erhebend sendet der Magdala-Berg seine Bäche diesem Flusse zu, welcher nach Aufnahme der Djidda dem blauen Nil oder Abai zufliesst. Der Magdala-Berg selbst besteht aus drei verschiedenen oben flachen Amben oder Plateaux, dem nördlichen oder Selasse, dem westlichen Fala und dem eigentlichen Magdala, welches am weitesten nach Süden zu liegt. Die Vegetation in dieser Gegend ist reichlich und besteht meist aus Mimosen, aber zur Zeit unserer Anwesenheit war Alles vertrocknet und verbrannt und nur der in Abessinien überall vorkommende Kandelaber-Baum (Kolkual-Euphorbia) bringt etwas Abwechselung in die Gegend. Das Gestein ist durchaus vulkanisch um Magdala und namentlich die nahen Bänke des Baschilo zeigen die schönsten Basaltsäulen. Von der Thierwelt der Umgegend ist nichts besonders Merkwürdiges zu berichten, wenn man nicht in der Käfer- und Insektenwelt nach Neuem suchen will, und dann muss man zur Regenzeit dort sein. Grosse reissende Thiere scheinen selten zu sein und selbst Hyänen hörten wir fast gar nicht, freilich hatten sie vollauf zu thun, da gerade vor unserer Ankunft König Theodor am Charfreitag zweihundert abessinische Gefangene in einen Abgrund hatte stürzen und auf die etwa Ueberlebenden schiessen lassen. Einheimische Bevölkerung giebt es augenblicklich nicht mehr in Magdala nach dem grossen Exodus, den die Engländer nach dem Tode Theodor's veranstaltet haben. Die, welche wir vorfanden, waren aus ganz Abessinien zusammengetrieben, aus Semien, aus Tigre, aus Godjam, aus Begemmder etc., und jetzt zerstreuen sie sich wieder, Jeder nach seiner alten Heimath, und so wird Magdala wieder, was es früher war, Besitz der Galla.
Als am 16. April die meisten Angelegenheiten geordnet waren, d.h. die wenigen Befestigungen geschleift, dann die Kanonen des abessinischen Königs gesprengt, bereitete sich die englische Armee zum Rückmarsch nach Zula vor und ich, schon früher entschlossen, nicht auf demselben Wege zurückzukehren, auf dem ich mit der Armee gekommen war, trennte mich gleich hier von ihr.
Rohlfs, Gerhard
Land und Volk in Afrika; Berichte aus den Jahren 1865-1870
Bremen 1870