Um 1840 - A. Kappler, Soldat in niederländischen Diensten
Die Eingeborenen von Surinam
Jetzt hatte ich wenigstens einige Wochen Ruhe, und wendete diese Zeit zu häufigen Besuchen bei meinen Nachbarn, den Indianern, an, um ihre Sitten und Gebräuche kennen zu lernen.
Sie gehören, wie die meisten der Indianer, zum Stamme der Caraiben; ihr ganzes Dorf mochte etwa 100 Köpfe stark seyn. Das Oberhaupt, ein 55-60 Jahre alter Mann, hiess Christian. Er hatte von verschiedenen Weibern wenigstens 12 Kinder, von welchen die meisten erwachsen und verheirathet waren. Er stand bei allen Indianern als Piaiman, d. h. Doctor oder Zauberer, in grossem Ansehen und wurde, wenn Jemand ernstlich krank war, sogleich gerufen. Ich hatte später Gelegenheit, seine Beschwörungen mit allen Zubereitungen in bester Form zu sehen.
Die Lebensweise der Caraiben ist im Allgemeinen von der der Arowacken nicht sehr verschieden, nur sind diese sanfter von Character. Auch die Gesichtszüge der Arowacken, besonders die der Frauen, sind feiner und gefälliger und haben nicht den derben Ausdruck der Caraiben.
In Beziehung auf die Reinlichkeit ihrer Haushaltungen und ihres Körpers sind die Caraiben viel pünktlicher, und obgleich beide Stämme in Freundschaft mit einander leben, verachtet doch einer den andern. Die Arowacken sind meist gute Jäger; dagegen scheinen die Caraiben den Fischfang besser zu verstehen, auch sind letztere im Bau der Corjaalen und in der Führung derselben bei stürmischem Wetter jenen überlegen.
Die Caraiben sind ein schöner, kräftiger Menschenschlag; die Männer sind selten über 5½' hoch, die Weiber aber bedeutend kleiner. Sie tätowiren sich nicht, bemalen aber zur Zeit ihrer Feste, und besonders, wenn sie von Reisen zurückkommen, den Leib mit dem Safte einer Frucht (Taburiba), der das Eigenthümliche hat, dass er sich durch nichts abwaschen oder ausbeizen lässt, aber täglich blässer wird, und mit dem achten Tage ganz verschwindet. Die Farbe dieses Saftes ist schwarz und wird mit einer Federspule auf den Leib aufgetragen. Das Bemalen aber, dem sich Männer und Weiber unterziehen, ist ein langweiliges Geschäft, das mehrere Stunden dauert, weswegen man auch nur wenige so bemalte Indianer sieht. Die Meisten begnügen sich damit, dass sie den Saft auf den Leib spritzen und denselben mit der Frucht einreiben.
Die Haare werden mit einer Salbe von Rocou (Orlean) und Crapatöl beschmiert, und diese besonders auf der Stirne beinahe fingersdick aufgetragen. Die Füsse werden ebenfalls bis zu den Knieen roth gefärbt. Auf dem Gesichte werden mit einer Farbe, Crawaru, vermischt mit dem angenehm riechenden Harze (Arakasiri), Striche und Punkte angebracht. Federkronen, Colliers von Affen-, Pakir-, oder Caimanzähnen vollenden den Putz.
Ihre Weiber sind von denen der Arowacken besonders leicht zu unterscheiden, denn die Caraibinnen tragen statt des niedlichen Perlenschürzchens, das deren einzige Bedeckung ist, ein langes, dunkelblaues Tuch, das durch einen Gürtel von Affenhaaren (vom Stentor ursinus) befestigt ist, und durch die Beine gezogen, zu demselben Zweck dient. Ihre schönen, schwarzen Haare sind auf der Stirne glatt abgeschnitten, meistens los, aber auch oft in Zöpfe gebunden. Die Unterlippe ist von einer grossen Stecknadel durchbohrt, deren Spitze nach aussen gekehrt ist und als Waffe gegen unerlaubte Freiheit dienen kann.
Manche caraibische Schöne trägt in ihren Ohrläppchen Pröpfe oder Knochen, welche zuweilen daumendick sind. Das Auffallendste aber sind ihre Waden, welche gleich kleinen Fässchen hervorstehen. Die starken baumwollenen, 3" breiten Bänder, mit welchen das kleine Mädchen oberhalb der Knöchel und unterhalb der Kniee gebunden wird, und die nie abgenommen werden, hindern das natürliche Wachsthum und machen, dass die Waden so unförmlich heraustreten.
Die jungen Mädchen sind, diesen Misswachs abgerechnet, niedliche Geschöpfe, werden aber, wenn sie älter werden, übermässig breit, platt wie eine Bratpfanne, und ihre Brüste, an welchen manchmal Kinder, Affen und junge Hunde zugleich saugen, haben besonders in ihren späteren Jahren so ziemliche Aehnlichkeit mit schweinenen Tabaksblasen.
Wie ganz anders ist dagegen eine junge Buschnegerin gestaltet! Welches Ebenmaas, welche Fülle der Glieder! Die schwarze, atlasfeine Haut, die üppigen Verhältnisse der Glieder würden einem Bildhauer das reinste Modell eines schönen Weibes liefern. Nur Schade, dass diese schwarzen Schönheiten einen Geruch um sich verbreiten witch all the perfums of Arabia not can sweeting, eine Eigenschaft, welche die Indianer nicht besitzen.
In ihren häuslichen Verhältnissen findet zwischen den Caraiben und Arowacken wenig Unterschied statt. Die Meisten begnügen sich mit Einem Weibe. Man findet aber auch solche, die zwei, drei oder mehr Weiber haben, von welchen jede eine besondere Hütte für sich und ihre Kinder hat. Kommt nun ein Mann, der einen solchen Harem besitzt, nach Hause, so wird ihm von seinen Weibern sein Essen vorgesetzt, das immer in Cassavebrod und einer, aus zahllosen spanischen Pfeffern gekochten Sauce, nebst Wild und Fischen besteht, wenn er solches mitbrachte. Jede dieser Weiber bringt ihr Essen dem Mann, setzt es vor ihm nieder und entfernt sich sogleich wieder, ohne ein Wort zu sprechen. Man kann desshalb aus der Anzahl der Schüsseln errathen, wie viele Weiber ein Mann hat. Nach dem Essen nimmt jedes Weib wieder ihre Schüssel weg und verzehrt den Ueberrest mit den Kindern in ihrer Hütte.
In solchen polygamischen Ehen gibt es aber manchmal Mordspektakel, und die Autorität des Mannes wird, wenn die Damen einmal in der Wuth sind, wenig mehr beachtet. Ehliche Treue ist unter ihnen gar nicht zu finden, und es geschieht häufig, dass ein Weib monatelang sich bei einem andern Indianer aufhält, und nachher wieder zu ihrem Manne zurückkehrt. Ebenso ist es nicht selten, dass Männer ihre Weiber und Kinder verlassen und sich an andern Plätzen wieder ansiedeln.
Es gibt gewiss kein unbeständigeres Volk, als die Indianer. Der kleinste Umstand kann ihre Laune ändern und machen, dass sie Aecker und Wohnungen, selbst wenn diese erst neu angelegt sind, sowie ihre Familien verlassen, und sich lieber mit unsäglicher Mühe an andern Plätzen wieder anbauen, die ihnen bei weitem den Vortheil ihrer verlassenen Heimath nicht geben. Und wie die Alten, so die Jungen!
Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Kinder von 10-12 Jahren von ihren Eltern weglaufen, und nach andern, oft weit entfernten Dörfern, wo sie Bekannte haben, gehen. Eine Hängematte, Pfeil und Bogen und vielleicht noch ein altes Messer sind der ganze Reichthum eines solchen kleinen Vagabunden, der aus jeder Eidechse, jedem Vogel oder Fisch, den sein Pfeil erreicht, seine Mahlzeit zu bereiten weiss.
Eltern- und Kinderliebe gehört zu den Seltenheiten, und für Alte und Kranke scheint man ganz gefühllos zu seyn. Selbst Mütter, deren Kinder des Nachts aus ihrer Hängematte ins Feuer fielen und sich auf schauderhafte Weise verbrannten, liessen diese armen Würmer ohne Hülfe wimmern und tanzten ungerührt beim Tapanafeste in den Reihen der Uebrigen.
Solche Brandwunden kommen sehr häufig vor, weil die Indianer immer Feuer unter der Hängematte haben, und manches Kind, das von der betrunkenen Mutter wegkroch, ins Feuer fällt.
Die Dörfer sind ohne alle Symmetrie, meist dicht an einem Flusse oder einer fahrbaren Kreek angelegt, und die Häuser stehen ohne alle Ordnung in die Kreuz und Quer da, wo sie eben die Laune des Eigenthümers hinstellte.
Jede Familie hat ihre eigene Hütte, die so lange benützt wird, bis sich kein Plätzchen mehr findet, an welchem die Hängematte vor Regen geschützt ist. Der Bau dieser Hütten ist zweckmässig und sehr einfach. Zwei oder drei etwa 8 Zoll dicke Pfosten von schönem, geradem Holze werden so weit von einander in die Erde eingegraben, als die Hütte lang werden soll. Sie sind 10-12' hoch und tragen eine starke Querstange, die so lang ist, als das Haus, und zum Tragen des Daches bestimmt ist. Vier Pfosten von etwa 4' Höhe sind an vier Ecken in die Erde eingerammt, und tragen zwei mit der Mittelstange parallel laufende Stangen von gleicher Länge. An dieses Rahmenwerk wird eine gewisse Anzahl leichter Stangen mit Buschtau festgebunden und im Gipfel des Hauses an die grosse Querstange befestigt.
Die Blätter der grossen Heliconie werden in der Mittelrippe zusammengelegt, und ein Blatt neben das andere mit Lianen angereift.
Nachdem durch das Zusammenfügen vieler dieser grossen Blätter ein ansehnliches Stück des Daches gemacht ist, wird dieses mit Sparren und Stangen beschwert und bleibt so lange auf dem, zuvor sorgfältig gesäuberten Boden liegen, bis die steifen Blätter etwas welk geworden sind und das ganze Stück sich zusammenrollen lässt. Man befestigt sodann das eine Ende am Giebelbalken mit starken Lianen, und entrollt die Decke. Diese Stücke sind gerade so lang, als die Blätter breit sind, etwa 7-8' lang, und es werden desshalb ihrer so viele verfertigt, als die Länge des Hauses erfordert. An das erste wird das zweite, etwas über jenes, und so jedes Stück gelegt, damit der Regen nicht eindringen kann.
Sind beide Seiten des Daches auf diese Weise gedeckt, so wird mit künstlich zusammengeflochtenen Cumublättern der Giebel bedeckt.
Alles dieses wird mit Lianen ans Rahmwerk festgebunden. So leicht diese Dächer auch sind, so undurchdringlich sind sie doch für den Regen. Eine solche Hütte ist 2-3 Jahre in gutem Zustand, und wenn sie dem Winde nicht zu sehr ausgesetzt ist, noch von längerer Dauer.
Fleissige Indianer pflegen auch noch ein Schlafgemach zu bauen. Die Hütte wird dann bedeutend höher, und etwa 6' vom Boden sind über die ganze Breite desselben sogenannte Pallisaden gelegt, die den Fussboden bilden. Die Giebelseiten werden sorgfältig mit Tas oder andern Palmblättern verschlossen, und nur auf einer Seite wird eine Oeffnung, welche die Thüre vorstellt, gelassen, die des Nachts mit einer, ebenfalls aus Palmblättern geflochtenen Decke verschlossen wird.
Zu diesem Schlafzimmer führt eine Treppe, welche aus einem Baumstamme roh gearbeitet ist.
Auch hier hat jedes Individuum sein Feuerchen unter der Hängematte, und es ist in der That unbegreiflich, dass nicht mehr Brandunglück entsteht. Die Palissaden werden zu diesem Zwecke mit alten Scherben bedeckt, auf diese wird etwas Erde geschüttet und hierauf das Feuer angemacht. Das Holz hiezu schaffen die Weiber herbei, deren Aufgabe auch das Anmachen der Feuer ist.
Am frühen Morgen (denn mit anbrechendem Tage verlässt alles die Hängematte, um sich im Strome zu waschen) reinigen die Weiber die Hütte, backen Brod und kochen das Essen.
Die Männer gehen hierauf auf die Jagd, fischen manche Körbe, oder liegen wieder in die Hängematte und bekümmern sich nicht im mindesten um die Haushaltung.
Die Caraibinnen sind sehr geschickt im Verfertigen von Krügen, Töpfen und grossen Trögen, worin Casiri und Tapana gebraut wird. Ebenso haben sie eine grosse Geschicklichkeit in der Verfertigung von Hängematten. Die Töpfe werden aus einem grauen oder röthlichen, sehr fetten Lehm gemacht, den sie meist weit her holen. Dieser Lehm wird zuerst von allen Unreinigkeiten gesäubert und mit dem Pulver der zu Kohlen verbrannten Rinde des Kwepiebaumes vermischt und dann mit den Händen so lange gerieben, bis sich alles gleichmässig vermengt hat. Die Werkzeuge zu dieser Töpferarbeit sind sehr einfach und bestehen bloss aus einem Brettchen, auf welches das zu Verfertigende gestellt wird, einigen Stücken Calabassen, die wie Löffel oder Spatel gestaltet und zum Abkratzen des überflüssigen Thons, sowie zur Glättung des Werks bestimmt sind, auch aus einer Calabasse mit Wasser, um das Werk zu befeuchten.
Der Thon wird zu dünnen, langen Würstchen ausgerollt, auf dem Brettchen ein runder Boden verfertigt, an den diese Würstchen angeklebt und immer in der Runde mit dem Spatel bearbeitet werden. Ist die Arbeit fertig, so stellt man sie an einem luftigen Ort zum Trocknen auf.
Die Schüsseln werden sodann von innen mit Orlean und einer Art Firniss von Copal bestrichen, nachdem sie zuvor mit einem rothen, jaspisartigen Stein, der in der Correntin oder dem Maho gefunden wird, geglättet wurden.
Sind die Töpfe oder Krüge trocken genug, so wird ein Feuer aus Baumrinde um sie angemacht, und sie dann, wenn sie vortheilhaft ins Auge fallen sollen, mit dem Safte eines Käfers, welcher braun färbt, bemalt.
Diese Wasserkrüge sind in der ganzen Colonie im Gebrauche, und es erhält sich das Wasser auch sehr kühl in ihnen, weil sie porös sind und immer schwitzen.
Eine andere bedeutende Beschäftigung ist die Verfertigung von Hängematten.
Cattun, den sie theils selbst um ihre Hütten pflanzen, theils von den Plantagen eintauschen, wird in müssigen Stunden von ihnen gesponnen, und dann, wenn eine hinreichende Quantität, etwa 10-15 Pfund Garn vorhanden sind, der Webstuhl aufgeschlagen. An zwei aufrecht stehenden Pfosten sind zwei andere so weit auseinander befestigt, als die halbe Länge der Hängematte betragen soll. Um diese Pfosten wird nun der Zettel gewunden, der Eintrag durch Aufhebung der Zettelfäden durchgeschoben und mit einem harthölzernen, glatten Lineal festgeklopft.
Dass diese Arbeit sehr langsam fortschreitet, ist leicht begreiflich. Diese Hängematten sind aber sehr dicht und warm, und werden mit 25-30 fl. bezahlt. Die andern Hängematten werden aus Schnüren, welche aus den Blättern der Mauritia geflochten sind, gewoben, gleichen aber einer Art Netzwerk, und sind nicht dauerhaft.
Die Bebauung der Felder ist ebenfalls den Weibern überlassen. Die Männer fällen zwar die schweren Bäume mit der Axt, aber die Weiber müssen das kleinere Gesträuch mit den Hauern abschlagen. Nachdem nun alles in vier bis sechs Wochen gut ausgetrocknet ist, steckt man den Haufen an der Windseite in Brand. Was nicht verbrannte, wird in kleinere Stücke gehauen und wieder angezündet, und das thut man so lange, bis man einen hinlänglichen Platz zur Anpflanzung der Cassavestöcke hat. Auf einem solchen Acker sind bei weitem nicht alle Bäume verbrannt, sehr viele liegen noch durcheinander am Ort, wo sie gefällt wurden, und es ist desshalb eine Promenade in einem indianischen Acker sehr ermüdend, weil man bald über Bäume klettern, bald unter ihnen durchkriechen muss.
Beim Beginn der kleinen Regenzeit, Anfangs December, wird der Acker mit Cassave oder Maniok bepflanzt. Die knotigen Zweige dieses Strauches werden in 3-4 Fuss lange Stücke zerbrochen, und zwei oder drei derselben etliche Zoll unter dem Boden kreuzweise übereinandergelegt und vergraben. In einigen Tagen schon schlagen die Stöcke aus und wachsen sehr schnell, so dass bei gutem Boden die Wurzeln oder Knollen in neun Monaten reif sind. Mais und Ananas wird zwischen den Maniok hinein gepflanzt, auch Yamswurzeln oder dergleichen, aber alles ohne die mindeste Ordnung.
Wird ein solcher Acker nicht fleissig gejätet, so findet man nach zwei bis drei Monaten mehr Unkraut als Früchte darauf. Stachlichte Solaneen, Brennnesseln und schneidende Grasarten überziehen den Boden und die Gewächse, und ein Indianer nur kann sich in solcher Wildniss zurecht finden.
Das Reinigen dieser Felder, ein nicht gar leichtes Geschäft, bleibt den Weibern überlassen, welche auch die Wurzeln ausgraben und nach Hause bringen. Die Körbe, in welchen diese Feldfrüchte, Holz und andere Gegenstände getragen werden, hängen auf dem Rücken und sind mit einer starken Liane um die Stirne befestigt.
Auf dem Kopfe wird nichts getragen, während die Neger die grössten Lasten auf dem Kopfe schleppen.
Die Männer sind sehr geschickt im Verfertigen von Pagaals, einer Art viereckiger Körbe, die aus der Rinde eines Rohres (Warimbo) gemacht werden. In die Deckel dieser Körbe werden verschiedene Figuren eingeflochten. Da sie sehr dicht geflochten sind und den Regen nicht durchlassen, so sind sie überall im Gebrauche und der Haupthandelsartikel der Indianer.
Andere kleine Körbe, welche zur Aufbewahrung von Krabben, Maniokwurzeln und dergleichen bestimmt sind, nennt man Kurikuri und sind ebenfalls aus Warimbo geflochten. Bogen, Pfeile, Corjaals und Pagait werden ausschliesslich von den Männern gemacht, die trotz ihrer unvollkommenen Werkzeuge in der Verfertigung sehr behend sind.
Die Bogen werden aus 6' langen Stöcken eines harten Holzes, meist Letter oder Konordeppi, geschnitzt. Sie haben in der Mitte etwa 1¼" Durchmesser, sind halbrund und laufen von der Mitte aus allmählig spitzig zu. Die meist schlaffe Bogensehne ist aus Bromelienflachs gedreht. Die etwa 3' langen Pfeile werden aus einer Art Schilfrohr gemacht; am einen Ende sind zwei durchschlitzte Federn, um den Flug zu regeln, am andern aber ist die, etwa 1½' lange, aus sehr hartem Holze gemachte Spitze. Pfeilspitzen für grössere Fische sind von Eisen, und werden aus alten Reifen, zerbrochenen Hauern und Messern gefeilt. Sie haben zwei Widerhaken und werden Tokosi genannt. Man bindet sie an die hölzerne Verlängerung des Pfeils mit Bromelienflachs, den man mit einer Pechart, Mani, dem Harze des Manibaumes (Symphonia coccinea) bestreicht, Pfeile für Tiger, Pakire und grosses Wild sind ebenfalls von Eisen, aber stärker, während die Pfeile für Vögel und kleinere Fische verschiedene, auseinander laufende Spitzen von Palmholz haben.
Die Pfeile, welche beinahe so lange als die Bogen sind, werden mit demselben in einer Hand getragen, während das Jagdmesser im Gürtel steckt. Auf der Jagd gehen die Indianer so geräuschlos, dass man sie kaum hört, und Gehör und Geruch sind so fein, dass sie beim geringsten Geräusch im Gesträuch oder auf den Bäumen augenblicklich wissen, welches Thier dasselbe verursachte. Ich habe diess mit Verwunderung manchmal beobachtet. Nie, wie sehr ich auch meine Augen anstrengte, konnte ich die Fische bemerken, auf welche sie schossen, und wenn auch nicht immer, doch meistens trafen.
Sehr selten ist es, dass ein Indianer ohne Beute von der Jagd nach Hause geht. Findet er auch kein Wild, so bringt er doch Eidechsen, Anamueier (vom Pesus serratus) oder Kabbiswürmer in seinem Jagdsacke, und er ist doch nicht genöthigt, ohne Wild die unentbehrliche Pfeffersauce zu essen. Aber meistens sind sie zum Jagen zu faul und bleiben tagelang zu Hause, wo sie sich mit Kindereien beschäftigen und meistens in der Hängematte liegen.
Wie bei den Weibern die Verfertigung einer Hängematte vor allen andern Beschäftigungen hervorgehoben zu werden verdient, so ist bei den Männern der Bau einer Corjaal das wichtigste Geschäft, und Hängematten und Corjaalen werden daher nur im dringenden Falle verfertigt.
Der Indianer, welcher sich entschlossen hat, eine Corjaal zu bauen, sucht einen schönen, geraden, so dicht als möglich am Wasser stehenden Wanabaum. In der Nähe desselben wird nun eine temporäre Hütte errichtet und der Baum gefällt. Ist derselbe gesund, ohne Risse und Höhlungen, so wird das tauglichste Stück in derjenigen Länge abgeschnitten, welche die Corjaal erhalten soll. Die Werkzeuge, deren sie sich dabei bedienen, sind ein Beil und eine Hohlaxt. Der Baum wird nun von aussen so zugehauen, wie die Corjaal werden soll. Ist man mit der äussern oder untern Seite fertig, so wird der ganzen Länge nach Holz heraus ausgehauen, und wenn eine genügende Höhlung entstanden ist, Feuer darin angemacht. Nun sorgt man, dass die Seiten der Corjaal, noch ehe sie auseinandergetrieben werden, die nöthige Dicke erhalten. Ist diese Arbeit alle gethan, über welcher manchmal mehrere Wochen, ja Monate hingehen, so werden die Seiten der Corjaal, welche bis jetzt noch einer zugespitzten Walze gleicht, durch Stöcke, welche man quer über hineinzwängt, auseinandergetrieben. Damit nun durch das gewaltsame Auseinandertreiben der Seiten keine grossen Risse entstehen, wird in und unter derselben immer Feuer unterhalten. Es werden nun immer längere Stöcke hineingetrieben, so lange, bis die Corjaal ihre gehörige Weite hat. Diess letztere Geschäft erfordert grosse Aufmerksamkeit und Sorgfalt; denn obwohl alle Corjaalen dabei Risse erhalten, so kann ein Sachkundiger es doch so einrichten, dass diese auf Stellen fallen, wo sie weniger nachtheilig sind.
Ist das letzte Geschäft gethan und das Boot so weit vollendet, dass es in's Wasser gebracht werden kann, so wird ein Weg bis zu dem Fluss oder der Kreek geebnet, runde Stöcke oder Rollen werden auf ihn gelegt, und dann wird die Corjaal von einer gehörigen Anzahl Indianer in's Wasser geschafft. Die Risse werden mit Bienenwachs oder Mani bestrichen, und Bänke, Querstangen u. s. w. mit Lianen befestigt.
Hat nun eine Familie sich einen Vorrath von Schüsseln, Krügen, Pagaals u. s. w. verfertigt, und ist sie im Besitze eines Boots, so wird eine Reise nach Paramaribo oder den Pflanzungen unternommen. Da diese meist über See geht, so werden an der Corjaal lange, dünne Bretter, die aus dem weichen Holz des Trompetenbaumes (Cecraphia peltata) gehauen sind, an beiden Seiten befestigt, um dieselbe dadurch ein wenig höher zu machen und die überschlagenden Wellen abzuhalten. Diese Brettchen sind so lange als die Corjaal und 6-12" breit, durch Lianen und Querhölzer an diese befestigt. Die Fugen zwischen den Brettern und der Corjaal werden mit harzigen Fasern, die man aus einer gewissen Baumrinde schabt, und welche die Stelle des mit Theer getränkten Werges vertreten, ausgefüllt.
Segel werden verfertigt, indem man die Blattstiele der Mauritia trocknen lässt, den äussern Bast abzieht und die markige Substanz mittelst eines Bindfadens in ¼" dicke, 1½" breite und 4' bis 6' lange Latten schneidet. Diese, mit Bindfaden aus Bromelienflachs so dicht als möglich aneinander befestigt, geben ein gutes und leichtes Segel von beliebiger Länge, das man leicht zusammenrollen kann.
Indessen der Mann für die Ausrüstung des Fahrzeuges sorgt, beschäftigen sich die Weiber mit der Zubereitung von Kost und Getränke. Kassavekuchen werden in Menge gebacken und in der Sonne getrocknet. Ausgepresster Maniok (Madappi) wird in Körbe verpackt und mehrere Püllen (grosse steinerne Krüge) werden mit Tapana und Cosiri gefüllt.
Eine Hauptsache aber darf bei einer Seereise nicht fehlen, das ist Sacura, eine Art Mus, das aus gekautem Cassavebrod, gekochtem Yams und dergleichen besteht. Man mengt hievon eine Hand voll unter eine Kalabas Wasser, das der Indianer beinahe nie ohne Beimischung trinkt, und bereitet auf diese Weise eine Art Suppe, welche zu kosten ich nie über's Herz bringen konnte.
Ist nun endlich die ganze Haushaltung: Menschen, Affen, Hunde, Papagayen, Hühner und Schildkröten im Boote, so setzt sich der Eigenthümer desselben gravitätisch an's Steuer, und die Männer blasen auf ihren Pfeifen, dass man Ohrenweh bekommt; alsdann fährt man ab.
Da man die Zeit sehr wenig schätzt, so gehen solche Reisen manchmal sehr langsam von statten. Ist es stilles Wetter, so schiessen die Männer auf jeden auftauchenden Fisch, und an der ersten besten, günstigen Stelle wird angehalten und gekocht. Da die Küste sehr nieder ist und mit jeder Fluth überschwemmt wird, so sind sie häufig genöthigt, ihre Mahlzeiten im Boot zu bereiten. Man holt dann grosse Stücke schlammigen Lehms aus dem Wasser, breitet dieselbe in der Corjaal aus, und macht hierauf das Feuer an.
Manchmal werden auch in den niedrigen Zweigen der Parcagesträuche Holz und Lehm so hoch aufgethürmt, dass sie das Wasser nicht erreichen kann; kommt nun die Fluth, so geschieht es nicht selten, dass eine Welle Feuer und Topf fortspült, und man mit hungrigem Magen weiter ziehen muss. Daraus macht sich aber der Indianer nichts, und man muss sich darüber wundern, dass Hunger und Durst ihn wenig aus seiner guten Laune bringen. Ich bin manchmal mit Indianern gereist, die 12 Stunden hintereinander kräftig pagaiten, während dieser Zeit nichts genossen, und doch immer lustig und aufgeräumt waren. Bei den stärksten Drohungen würde ein Neger diess nicht thun, und man findet selten Neger, welche eine Fluth (6 Stunden) rudern, ohne etwas genossen zu haben.
Hat man nun die Pflanzungen erreicht, so wird beinahe Alles für Branntwein vertauscht, und selten bringen sie nützliche Dinge, als: Zeuge, Beile, Messer u. s. w. in ihre Heimath zurück. In Paramaribo verweilen sie bloss einige Tage, begaffen das ihnen Ungewohnte ohne besondere Theilnahme und laufen meist betrunken in der Stadt herum.
Kappler, A.
Sechs Jahre in Surinam oder Bilder aus dem militärischen Leben dieser Colonie
Stuttgart 1854