1761 - Carsten Niebuhr
Auf Rhodos
Wir warfen am 21. September auf der Reede von Rhodos Anker und trafen hier den Kaputan Pascha oder Admiral des Sultans mit einigen Kriegsschiffen an. Wir grüßten mit drei Schüssen, er antwortete mit einem. Man hat in der Levante nicht gern einen Besuch von der Flotte des Sultans, denn in welchem Hafen sie Anker wirft, müssen dem Kaputan Pascha große Geschenke gebracht werden, und dennoch wird nur schlechte Manneszucht unter den Matrosen gehalten, die hier Leventi genannt werden.
Wir gingen sogleich an Land, um den französischen Konsul zu sprechen. Aber seine Tür war der türkischen Matrosen wegen verschlossen, und da wir aber türkisch gekleidet waren, hätte man uns nicht eingelassen, wenn wir nicht zufällig einem Kapuziner, begegnet wären, und der führte uns zu dem Konsul zurück. Der Konsul war so höflich, uns einen Dolmetscher zu geben, der uns in der Stadt umherführen sollte. Wir waren aber noch Neulinge unter den Türken und hatten, da wir gleich zu Anfang so viel Übels von den türkischen Matrosen gehört hatten, keine große Lust, weit zu gehen. Wir sahen aber, daß alle Häuser hier sehr dauerhaft gebaut sind. In der so genannten Straße der Ritter sahen wir hin und wieder Wappen. Der Palast aber, wo ehemals der Großmeister gewohnt hat, liegt größtenteils in Ruinen. Weil die Türken sich noch sehr wohl erinnern, wie teuer ihnen die Eroberung dieser Stadt geworden ist, so halten sie sie jetzt noch für unüberwindlich, da sie die Festungswerke in dem Zustand gelassen haben, wie sie sie erobert haben, und wie sie nachher von selbst eingefallen sind. Trotzdem ist Rhodos eine der besten Festungen im ganzen türkischen Reich.
Bei dieser Stadt stand ehemals, wie bekannt, der berühmte, der Sonne gewidmete Koloß. Wo er gestanden hat, kann jetzt nicht mehr bestimmt werden. am Eingang zum Hafen ist auf jeder Seite ein Turm, und man glaubt, daß hier die Füße der Bildsäule gestanden haben. Aber ihre Entfernung ist nach dem Augenmaß wenigstens 400 bis 500 Fuß und also wohl zu groß, als daß man das glauben könnte.
Wir versuchten zum ersten Mal, in einer türkischen Garküche zu essen. Die Mahlzeit war gut und wohlfeil, aber das übrige in dieser Herberge desto schlechter. Wir aßen auf einem breiten gemauerten Sitz in der Küche und an der öffentlichen Straße ohne Messer und Gabel aus einer schlechten irdenen Schüssel. Nachher besuchten wir einen Juden, der alle hier ankommenden Europäer gerne mit Wein bewirtete. Zwei Mädchen, die er für seine Töchter ausgab, redeten italienisch und schenkten uns kleine Geldbeutel, die sie mit eigenen Händen gemacht hatten. Diese Bewirtung kostete uns mehr als die türkische.
Man findet auf dieser Insel noch sehr viele Griechen, sie dürfen aber nicht in der Stadt Rhodos wohnen. Herr von Haven und Herr Cramer gingen an Land in Gesellschaft einiger Griechen, die ihren Bischof in einem Dorf dicht bei der Stadt besuchen wollten. Kaum waren sie dort angekommen, kamen einige türkische Musikanten, um sich hören zu lassen. Weil der Bischof hierzu nicht Lust hatte und die Musikanten nicht weggehen wollten, ohne etwas verdient zu haben, so schieden sie nicht voneinander, bis sie sich rechtschaffen gezankt hatten, und beim Weggehen vertauschte einer der Musikanten die neuen Pantoffeln des Herrn von Haven gegen ein paar alte. Wären wir von hier wieder nach Europa zurückgekehrt, so hätten wir nicht viel Gutes von der Gewohnheit der Morgenländer, ihre Pantoffeln vor die Tür zu stellen, zu sagen gehabt. Aber weil meines Wissens später keinem von unserer Gesellschaft dergleichen mehr begegnet ist, so halte ich diese Begebenheit nicht für außerordentlich.
Niebuhr, Carsten
Reisebeschreibung nach Arabien und umliegenden Ländern
Band 1, Kopenhagen 1774