1829 - Adolph Ermann
Der Handel von Kjachta und Maimatschin
Sibirien
Der Handel an der chinesischen Grenze erstreckt seinen Einfluß von Kjachta aus bis zur Mitte von Deutschland. Herr Kaufmann Kotelnikow, der eines der Häuser in Kjachta besitzt, erzählte uns heute von den Tucheinkäufen, die er selbst in Preußen gemacht hatte. Er nannte uns Liegnitz, Breslau, Züllichau und Berlin als Orte in denen er Geschäftsverbindungen unterhalten hatte und nach denen er mehrmals von Kjachta aus gereist war. Für ihn und seine Prikastschiks waren Fahrten von 15.000 Werst [1 Werst = 1,07 km] in einem Jahre ein gewöhnliches Geschäft.
(18. Februar) Die Feste des Jahrestages oder des weißen Mondes, wie ihn die Chinesen benennen, begannen in diesem Jahre am 18. Februar mit einem Gastmahl, welches vom Sargutschei [oberster chinesischer Zolleinnehmer] den chinesischen und russischen Standespersonen gegeben wurde. Durch Herrn Golechowskis gütige Verwendung erhielten auch wir zu dieser Feier eine Einladung nach Maimatschin.
Die russischen Zollbeamten versäumten nichts, um dieser jährlichen Freundschaftsbezeugung die größte Feierlichkeit zu i verleihen. Alle diesseitigen Gäste des Sargutschei versam-»elten sich beim Zolldirektor in Troizko Sawsk und fuhren on dort auf stattlichen Droschken nach Kjachta. Russische und burjätische Kosaken und Dolmetscher ritten von beiden Seiten neben der Wagenreihe. In Kjachta wurden nach chinesischer Sitte in den vornehmsten russischen Kaufmannshäusern Besuche abgestattet, und zwar zuerst bei den hiesigen Geschäftsführern der russisch-amerikanischen Handelskompanie, sodann aber bei den Herren Basin, Kotelnikow und mehreren anderen.
Unsere Wagen und die Reitpferde blieben an dem Tore von Maimatschin, und wir gingen von dort in geordnetem Zuge «ach dem Hause des Sargutschei. Die Häuser waren mit farbigen und beschriebenen Papieren noch bunter und reicher verziert als am 16. Herr Golechowski sagte uns, daß diese Inschriften in der Mandschu-, oder Hofsprache abgefaßt seien. Seine Geschäfte während eines mehrjährigen Aufenthaltes an der Grenze hatten ihm einige Kenntnisse derselben erworben, und er erklärte uns die Bedeutung der Schriftzeichen auf mehreren der Fahnen, welche vor den Kaufmannshäusern wehten. Sie enthalten den Namen der Familien und einige Worte von guter Vorbedeutung, wie Freude, Reichtum, Weisheit, die man über den Haustüren liebt. Auf den Höfen der Häuser hörte man das Geknatter von kleinen Schwärmern und Raketen, welche die Kaufleute zur Verherrlichung des Feiertages abbrannten, namentlich aber, um den Gästen eine Höflichkeit zu bezeigen. Der Geruch von chinesischem Pulver mischte sich mit dem eigentümlichen Duft der Rauchkerzen vor den mongolischen Kapellen.
Die Straßen waren ungewöhnlich belebt, und auf einer derselben, in der Nähe der Sargutscheischen Wohnung, lärmte ein Haufen Verkleideter mit allerlei rasselnden Werkzeugen, es war die Schauspieltruppe von Maimatschin. Sie führten hölzerne Trommeln in Gestalt eines Fasses, erzene Becken und ebensolche Scheiben, die an einem Faden gehalten und mit Klöppeln geschlagen wurden, und hölzerne Stäbe von verschiedener Länge, welche sie wie Kastagnetten gebrauchten. Auf höchst eindringliche Weise wurden demzufolge die Ohren der Vorübergehenden mit diesen musikalischen Waffen bestürmt.
[…]
Offenbar hatte unser Gastgeber diese Schauspieler abgesandt, um uns zu empfangen und um uns schon auf der Straße fröhlich und festlich zu stimmen; denn nach mehrmaliger Wiederholung jener Rundtänze setzten sie sich an die Spitze unser« Zuges und geleiteten ihn unter ständigem Geklapper der Holzinstrumente bis vor das Haus des Sargutschei. Ein breites und von drei Säulenreihen getragenes Dach überwölbt den nach der Straße gelegenen Vorhof dieses Hauses. Zwischen den Pfeilern hingen die Köcher und Bogen der Polizeisoldaten, welche die Leibwache des Beamten bilden. Hier blieben die Schauspieler, um während des Mahles zu musizieren, damit sie das vorübergehende Volk ergötztem und auch ihm einigen Genuß von dem Feste zuwendeten.
Die Zimmer, in die wir hier nun traten, liegen zu ebener Erde wie alle in Maimatschin. An der Tür des ersten derselben stand ein Schwarm von chinesischen Gästen des Sargutschei, um uns zu bewillkommnen. Jeder einzelne von ihnen bemühte sich mit geschäftiger Eile, jedem von uns die Hand zu drücken; es lag eine kindliche Einfalt in diesem gewissenhaften Gruß, und dennoch waren es meist sehr alt aussehende Männer, die ihn vollzogen. Auch heute waren sie alle in schwarze seidene Stoffe gekleidet, trugen aber über den gewöhnlichen Röcken noch ein Oberkleid mit weiten Ärmeln. welches nur bis zum Gürtel hinabreichte.
Aus dem Vorzimmer traten wir in den Speisesaal, in dessen Hintergrund sich unser Wirt von seinem gepolsterten Sitze erhob und uns mit ruhiger Würde einige Schritte weit entgegentrat. Der Sargutschei war ein sehr großer und hagerer Mann von ernstem Ansehen, etwa fünfzig Jahre alt. Sein Rock und die weite Jacke über demselben bestanden aus grauem krausem Seidenzeug, oder Felbel, und wie die übrigen Chinesen trug er auch im Zimmer den schwarzen Filzhut mit der roten Quaste auf dem Scheitel und mit einem Knopf aus weißem Stein, um die Rangklasse anzudeuten, zu der er gehörte. Auf dem Daumen der rechten Hand trug er einen zollbreiten Ring aus Chalzedon als offizielles Zeichen der mandschurischen Beamtenwürde. Die Nägel ragten ihm nur etwa einen halben Zoll weit über die Spitzen der Finger, denn seine Gefallsucht war auch in diesem Punkte mäßig wie die eines gesetzten und alternden Mannes.
[…]
Vier quadratische Eßtische standen, mit scharlachrotem Tuch bedeckt, in einer Reihe, parallel mit der langen Seite des Saales, und voneinander genugsam entfernt, um von den aufwartenden Dienern umgangen zu werden. Nach stummen Verbeugungen nahm man Platz auf den Sitzen, welche diese Tische umgaben. Für den Sargutschei stand ein gepolsterter Diwan längs der schmalen Wand des Saales an dem vom Eingang entferntesten Tisch und neben demselben drei Lehnstühle für begünstigte Gäste. Ich hatte das Glück, den einen derselben nahe bei dem Wirt und an der Quelle des Gespräches zu erhalten. Die übrigen Tische waren mit Bänken umgeben, welche von den russischen und chinesischen Gästen s» eingenommen wurden, daß die ersten mit dem Gesicht, die anderen mit dem Rücken gegen die Fenster saßen. Auch auf den Sitzen lagen Teppiche von scharlachrotem Tuche.
Hinter den Stuhl von Herrn Golechowski stellte sich der russisch-burjatische Dolmetscher, der mit uns gekommen war, und neben den Sargutschei zwei seiner jüngeren Beamten, welche aus dem Mongolischen in das Mandschurische, der einzigen ihm verständlichen Sprache, übersetzten. Diese jungen Gelehrten schienen auf einen zierlichen Anzug sehr bedacht. Sie waren in rote Stoffe gekleidet und trugen unter anderem an ihren Hüten lange Zobelschwänze, die wie ein Federbusch, jedoch in horizontaler Lage und nach hinten hervorragten. Diese dienen nur als Putz, nicht zur Bezeichnung des Ranges wie Pfauenfedern, die auf ähnliche Weise getragen werden, und wie die Kugeln auf den Hüten. Mit Hilfe der Dolmetscher begann nun eine ziemlich geläufige Unterredung, die sich aber wegen der Seltenheit ähnlicher Zusammenkünfte meist auf gegenseitige Erkundigungen nach Gesundheitsumständen und andere dergleichen Höflichkeiten beschränkte. Der Sargutschei führte seine Rede sehr würdevoll und gelassen, mit leiser, aber klangvoller Stimme. Unter anderem erregte die Uniform der norwegischen Marine, welche Herr Leutnant Due trug, seine Wißbegierde. Er tat eine kurze Frage nach der Bedeutung dieser von der russischen verschiedenen Militärtracht, ging aber sogleich nach der ersten Antwort zu ungeteilter Aufmerksamkeit auf die Speisen und auf die Eßlust seiner Gäste über.
In der Mitte eines jeden Tisches stand ein runder und verdeckter Behälter aus Pappe, welcher nun aufgedeckt wurde und in mehreren Abschnitten eine große Mannigfaltigkeit getrockneter Früchte enthielt. Dieses Geschirr war genau auf dieselbe Weise gestaltet und angeordnet wie die jetzt in Europa üblichen und offenbar aus China überkommenen Cabarets. Wir erkannten darin große Aprikosen, Rosinen ohne Kerne und mehrere andere, die wir schon in Kasan, in Tobolsk und anderen sibirischen Orten durch den Handel mit Buchara gefunden hatten, außerdem aber große Birnen und Weintrauben, die gefroren hierher kommen. Auch schienen die getrockneten chinesischen Früchte noch süßer und größer als die bucharischen. Wir kosteten von allem, um eben dadurch nach chinesischen Begriffen den Ruf gebildeter Männer zu erlangen. Gleichzeitig wurde Tee in porzellanenen Tassen gereicht. Die Chinesen tranken ihn ohne jeden Zusatz, für die Europäer lag aber Zucker in der Mitte des Cabarets.
Nach einiger Zeit nahmen mehrere Diener die Tassen und die süßen Speisen hinweg und legten vor jeden Gast ein Stück feinen Papiers als Serviette und ein Paar elfenbeinerne Eßstöcke, oder Keh-tse, der Chinesen, welche die Stelle der Gabeln vertreten. Es sind zwei zylindrische Stäbe von der Länge und Dicke eines Bleistiftes, welche beide zwischen den Fingern der rechten Hand gehalten und wie eine Zange gebraucht werden, um die Speisen damit zu greifen auf eine für den Ungeübten durchaus nicht leichte Art. Jeder der sechs Fuß breiten Tische wurde dann mit kleinen porzellanenen Schalen von der Größe unserer Untertassen dicht besetzt, und eine jede dieser Schalen enthielt ein anderes und meist höchst kompliziertes Gericht. Alle diese Speisen sind in sehr feine Streifen zerschnitten, damit man sie ohne weiteres mit den Eßstöcken aufnehmen und zum Munde führen könne. Sie sind dadurch meist völlig unkenntlich geworden; und nur die geübteren Russen zeigten uns unter anderem vielerlei Pilze, Stücke von Fasanenfleisch sowie von Schweine- und Schaffleisch mit Stücken von Fischen und von anderen Seetieren, welche gesalzen, eingemacht oder getrocknet von Peking hierher gebracht wurden. Es waren auch Streifen von dem Seetier darunter, welches Veranlassung zu der Sage von den Regenwürmern als Lieblingsspeise der Maimatschiner Chinesen gegeben hat. In gekochtem Zustand konnte man diese Stücke von gallertartigen Tieren allerdings für längliche Würmer halten. Durch vollständige Exemplare, welche mir Herr Golechowski am folgenden Tage aus einer chinesischen Küche verschaffte, habe ich mich aber überzeugt, daß es die großen Längsmuskeln der Holothuria fuliginosa [Trepang aus südasiatischen Meeren] waren.
Alle diese Speisen sind mit vielem Fett gekocht, aber an den Ecken des Tisches standen Schalen mit schwachem und nicht eben wohlschmeckendem Essig, in welche jeder Gast die Streifen, die er sich gewählt hatte, eintauchte, um sie verdaulicher zu machen. Man kostete schnell aus jeder der vorhandenen Schüsseln. Dann brachten die Diener auf einem Brett eine zweite und in der Folge noch mehrere Lieferungen von ebenso vielen neuen Gerichten, welche nacheinander auf die vorhergehende Schicht gesetzt wurden, bis daß eine hohe Pyramide von gastronomischen Merkwürdigkeiten entstand.
Wir hatten wohl sicher von hundert Schüsseln gegessen. als dieser zweite Gang des Mahles für beendet erklärt und jeder Gast eine zum Rauchen fertige Pfeife gereicht wurde. Der Kopf oder Tabaksbehälter derselben war wie immer bei den Burjäten und den hiesigen Chinesen nicht viel größer als ein Fingerhut, und man mußte daher nach der allgemeinen asiatischen Sitte den Rauch verschlucken, um dem Genuß jedes Zuges dadurch eine stärkere und dauerndere Wirkung zu verleihen. Zu tadeln ist an den chinesischen Pfeifen, daß auch das Mundstück derselben aus Bronze besteht und daher oft einen stiptischen und nachteiligen Metallgeschmack besitzt. Gleichzeitig werden kleine Schalen mit Tschau-sen, d.i. chinesischer Reisbranntwein, und andere mit gemeinem russischem Kornbranntwein angeboten. Ersterer ist so wenig meisterhaft bereitet, daß alle chinesischen Gäste ihm das schlechte russische Getränk noch vorzogen.
Nachdem die Pfeifen geleert waren, folgte der dritte Hauptgang, der aus verschiedenen Suppen bestand. Zum Beschluß des Mahles wurden dann wiederum Pfeifen gereicht, und auf jeden der Tische setzte man ein rauchendes und dampfendes Gefäß, welches wir fälschlicherweise für eine Teemaschine hielten. Es war mit Kohlen geheizt, die sich wie bei den russischen Samowaren in einer Röhre in der Mitte der Flüssigkeit befanden. Diese aber enthielt nicht Tee, sondern war ein Aufguß auf Kohlblätter, der mittels eines Hahnes aus dem Kochgefäß abgelassen und in Tassen getrunken wurde.
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Vor den Kaufmannshäusern, von denen wir wohl zwölf besuchten, blieben die Leibwachen, die Laternenträger und der übrige Troß; wir aber wurden zuerst auf der Schwelle der Wohnung von Dienern bewillkommnet, welche kleine zollange Raketen und Schwärmer anzündeten und über unsere Köpfe warfen. Dann empfing uns der Wirt in seinem Zimmer mit einem ähnlichen Gastmahl wie das des Sargutschei. Nur wurden allmählich die Fleischspeisen weniger, und man beschränkte sich auf süße Früchte, Tee und Pfeifen. Die Kaufleute ermunterten unablässig durch die Worte »pichai, pichai«, welche in ihrer naiven Redeweise »trinke« bedeuten sollten, denn es war eine Genugtuung für sie, wenn man gern von dem Tee trank, mit dem sie bewirteten. Es waren nämlich sogenannte Familientees, das heißt Produkte bestimmter Plantagen, welche die einzelnen Kaufmannsfamilien in Erbpacht haben. Der Tee, welcher unter dem Namen ein und derselben Familie nach Maimatschin kommt, kann übrigens bald zu der schwarzen, bald zu der grünen Varietät und verschiedenen der ungeheuer zahlreichen Abstufungen derselben gehören. Die Angabe des Plantagenbesitzers dient vielmehr nur als Beweis für einen bestimmten Ursprung und daher für die Echtheit und Reinheit des Produktes, während man den sogenannten gewöhnlichen Tee weit geringer achtet, weil ihn Aufkäufer bringen, welche dessen Abstammung nicht bis ins besondere nachweisen können. In Kjachta betreiben daher die angehenden Kaufleute mit größtem Eifer das Studium der Zeichen, mit denen die einzelnen Familien ihre Ballen versehen, und man besitzt sowohl von diesen als von den Namen der Abarten geschriebene Verzeichnisse mit russischer Übersetzung, die für ein wesentliches Erfordernis zum Teehandel gelten.
Die Kaufmannszimmer sind noch eleganter eingerichtet als das des Sargutschei. Sie dienen meist auch als Gewölbe zum Verkauf für die feineren Waren, welche dann in sehr zierlichen Schränken längs einer Wand des Zimmers aufgestellt und mit chinesischer Sorgfalt geordnet sind. An der gegenüberstehenden Wand befindet sich ihrer ganzen Länge nach eine breite und etwa drei Fuß hohe Stufe, welche zugleich als Ofen und als Ruhebett dient. Sie ist hohl aus Backsteinen gemauert und wird durch eine Öffnung an der einen Seite mit Feuerung versehen. Auf einer hölzernen Verkleidung, welche dieses Gemäuer umgibt, liegen Polster und kleine seidene Decken, und auch die dahinterliegende Wand des Zimmers ist sehr zierlich mit rotem Seidenzeug bedeckt. In der Mitte jedes Zimmers steht dann noch, um den Tee zu bereiten, ein metallenes Kohlenbecken, wie wir sie auf den Kreuzwegen von Maimatschin gesehen hatten.
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(19. Februar) Ich ging schon am Morgen dieses Tages nach Kjachta und von dort nach Maimatschin, um durch einige Einkäufe in den chinesischen Phusi, oder Gewölben, den Inhalt und die Verwaltung derselben etwas näher kennenzulernen. Von Herrn Kaufmann Basin in Kjachta erfuhr ich. daß man sich hier anstatt gangbarer Münzen nur des Ziegeltees bedienen könne. Es ist dieses Produkt ein in Öfen getrocknetes Gemenge von verdorbenen Stengeln und Blättern der Teestaude mit den Blättern mehrerer anderer in China wild wachsender Pflanzen und mit geronnenem Rindsblut. In Irkutsk, wo man ihn nachzuahmen versucht hat, sind die chinesischen Pflanzen mit einigem Erfolge durch Ulmblätter, durch das Kraut von vaccin. vit. idaea und einige andere ersetzt worden.
In den südlicheren Provinzen von China gibt es eine Menge von Fabriken, in denen die Masse bereitet wird. Man teilt sie in Stücke von 3 bis 3 ½ Pfund und gibt diesen stets einerlei prismatische Form, welche sie den gebräuchlichen Mauersteinen völlig ähnlich macht. Ins Deutsche würde man daher richtiger Mauersteintee anstatt des schon üblich gewordenen Ziegeltees übersetzen. Die mandschurischen Stämme machen gar keinen Gebrauch von diesem Fabrikate. Aber für die mongolischen Nomaden in China, für sämtliche Burjäten und Kalmüken, für die russischen Bauern südlich vom Baikal und für die meisten sibirischen Tataren ist es ebenso unentbehrlich geworden wie das Brot in Europa. Nach Kjachta werden davon jährlich gegen 300.000 Pfund, das heißt 4.000 Ballen oder halbe Pferdeladungen (russisch Mjesta) gebracht. Diese reichen etwa aus, um 10.000 Trinker zu versorgen, wenn man annimmt, daß sie während des ganzen Jahres ebenso wie jetzt in den Wintermonaten zweimal täglich Ziegeltee trinken. Ein jeder Stein oder Kirpitsch ist nämlich zu sechzig bis siebzig Portionen hinreichend, weil der Aufguß auf die Blätter desselben noch mit Roggenmehl, Schaffett, und mit Kjudir oder Busun, d. i. Salz aus den Steppenseen, gemischt wird.
Die Reicheren unter den Kalchas Mongolen und unter den russischen Burjäten sammeln Vorräte von diesem Fabrikat; sie gebrauchen es unter sich als Münze, obgleich doch auch die in China üblichen gewogenen Silberbarren durch den Handel in dem Kaufhof von Urga zu ihnen gelangen. An trockenen Orten erhält sich der Ziegeltee ganz unverdorben, und Kapital davon soll deswegen in der Steppe oft für sicherer und wünschenswerter gelten als der Besitz einer großen Herde.
Ebenso wichtig ist nun auch dieses Fabrikat in Maimatschi und Kjachta. Die Russen kaufen daselbst von den Chinesen eine große Menge desselben. Außerdem aber ist auch Teestein die Münzeinheit, durch welche von beiden sehenden Parteien der Wert jedes anderen Besitztums ausgedrückt wird. Von seiten der Kjachtaer Kaufleute beginnt daher der Handel damit, daß sie bei den Maimatschinern anfragen, auf wieviel Teesteine die Gegenstände, die sie zu kaufen gedenken, in diesem Jahre zu stehen kommen. Sie setzen darauf für die Eichhornfelle, welche sie in großer Menge zu Markte bringen, einen Preis ebenfalls in Teesteinen und deren Teilen fest und führen darauf ihren Tausch durch schriftliche Wechsel, die in jener vegetabilischen Münze ausgedrückt sind. Russische Beamte, welche zu ihrem eigenen Bedarf mancherlei Kleinigkeiten in den chinesischen Gewölben suchen pflegen für russische Münze von ihren Landsleuten in Kjachta ein Kapital von Ziegeln zu erstehen. Man übersetzt dabei den Rubel in Ziegel, indem man beide in Eichhornfellen ausdrückt. und zwar den Rubel zufolge des Pelzpreises in Irkutsk und den Ziegel zufolge desselben in Maimatschin.
Der Ziegel oder Teestein kam jetzt ungefähr auf zwei Rubel zu stehen. Es geschah daher oft, daß man Brüche dieser Einheit zu bezahlen hatte, welche ich von Burjäten und Russen nach dem Augenmaße ausführen und von den Chinesen ohne weiteres in Zahlung nehmen sah. Ich zog es vor. zur Bestreitung der Einkäufe in den Maimatschiner Läden 100 Rubel bei Herrn Basin in Kjachta zu deponieren. Einer seiner Diener, den er mir als Wegweiser und Dolmetscher mitgab, sagte dann den chinesischen Kaufleuten, daß ich Teesteine besäße, und unterschrieb die Rechnungen, welche sie mit chinesischen Charakteren aufsetzten und als später zu präsentierende Wechsel bei sich behielten.
An die Wohnhäuser der Kaufleute, die ich schon gestern erwähnte, grenzt stets eine Mauer von derselben Höhe, durch welche ein Torweg, der ungleich breiter ist als die Haustür, von der Straße auf den Hof führt. In mehreren Häusern fanden wir heute die Pforten desselben geöffnet und sahen Kamele eingehen, die eben mit Teeballen von Peking gekommen waren. Sie trugen die Ballen zu beiden Seiten eines Packsattels, und ein jedes derselben hatte den Nasenknorpel durchbohrt und durch die Öffnung einen halbkreisförmigen Knochen gesteckt, der mit seinen etwas dickeren Enden zwei Zoll weit aus jedem Nasenloch hervorragte. Der Zaum wird an diesen Enden befestigt. In der Stadt gingen aber die Kamele ganz ohne Lenkung, indem sie eines dem anderen sehr ruhig folgten. Auf den Höfen wurden sie an die hölzernen Säulen der Halle gebunden, welche das Wohnhaus und die angrenzenden leichter gebauten Warenmagazine nach der innern Seite des Gehöftes umgibt. Zierliche Gitter aus Bambusstäben nehmen die Räume zwischen diesen Säulen ein, und ähnliche sind auch in den Fensteröffnungen der Warenschuppen befestigt. Überhaupt aber herrscht auf diesen Höfen dieselbe gefällige Ordnung und Reinlichkeit wie im Innern der Häuser. Die Kamele wurden sogleich entladen und dann vor die Stadt auf die Weide getrieben.
In den Magazinen auf seinem Hofe läßt der Maimatschmer Kaufmann nur die voluminöseren Vorräte, welche zugleich auch für ihn die wichtigsten sind; namentlich aber den Tee und die Ballen von Kitaika, das ist jener gröbere baumwollene Stoff, welcher hier Bu oder Siba genannt wird und der zur Kleidung jedes russischen Sibiriers unerläßlich ist. Ich beschränkte mich auf die Besichtigung der feineren Industrieprodukte, die man uns in den heizbaren Zimmern der Phusi oder Kaufmannshäuser vorlegte; denn viele derselben hatte ich in Europa niemals gesehen. Den Hausherrn fanden wir stets rauchend und Tee trinkend in seinem Zimmer, und er sorgte dafür, daß auch wir während der Dauer unseres Handels mit einer Pfeife und einer gefüllten Tasse versehen blieben.
Es scheint, daß wir Tassen in der jetzt bei uns üblichen Form zuerst in China erhalten haben, denn das, was wir Untertassen nennen, ist bei uns fast ganz unnütz geworden, spielt aber bei den chinesischen Teetrinkern eine durchaus notwendige Rolle. Nach echter Landessitte werden nämlich hier einige Teeblätter in die eigentliche Obertasse gelegt. In dieser übergießt man sie mit kochendem Wasser und schließt das so gefüllte Gefäß auf völlig dampfdichte Weise mit der Untertasse, in deren Boden sich deshalb eine auf den Rand der anderen genau passende Vertiefung befindet. Der fertige Extrakt wird dann endlich in die Untertasse gegossen und stets aus dieser getrunken.
Bei dem ersten der Kaufleute, die wir heute besuchten, verstieß ich, ohne es zu wissen, gegen die Foische Religion, indem ich von einem Teller mit getrockneten Früchten aß, welcher auf einem eigenen Tisch in einer Ecke des Zimmers stand. Mein russischer Begleiter erklärte mir zu spät, daß dies geheiligte Opfer für einen Hausgott seien. Der Kaufmann bewies indes alle Toleranz, die einem gebildeten Manne zukommt, denn er lächelte mit ruhiger Würde und schützte seinen Gott vor fernerer Beraubung nur dadurch, daß er für uns einen anderen Vorrat von ähnlichen Früchten bringen ließ.
Ohne Zweifel findet man in den Maimatschiner Niederlagen nur einen unvollständigen Auszug von den Reichtümern der Pekinger, und dennoch sahen wir auch hier Belege von Wissenschaft und Kunst und von sehr merkwürdigem Gewerbefleiß unter den Chinesen. Zu den wissenschaftlichen [Belegen] rechne ich tragbare Sonnenuhren, welche durch eine mit diesen verbundene Bussole orientiert werden. Die Anordnung eines Fadens, der beim Gebrauch mit der Himmelsachse zusammenfällt, und die Vorzeichnung einer horizontalen und einer geneigten Stundenscheibe auf dem Hauptteil und auf dem Deckel des Kastens sind wesentlich ebenso wie bei ähnlichen Instrumenten, welche Nürnberger Künstler in früheren Jahrhunderten anfertigten. Nur sind bei den hiesigen Tag und Nacht zusammen in zwölf zweistündige anstatt wie bei uns in 24 einstündige Intervalle geteilt und durch diejenigen zwölf Zeichen unterschieden, deren sich die chinesischen Astronomen bei allen Kreisteilungen bedienen. Die erste jener chinesischen Tageszeiten geht von elf Uhr nachmittags bis ein Uhr nach Mitternacht. Auf den Maimatschiner Bussolen entsprechen die beiden äußersten Schattenlinien dem Anfang der vierten und dem Ende der zehnten jener Tageszeiten, so daß dieselben noch an einem vierzehnstündigen, nicht aber an einem längeren Tage brauchbar sind.
Der magnetische Teil dieser Apparate unterscheidet sich aber durch so auffallende Einzelheiten von den europäischen Bussolen, daß man auch von dieser Seite veranlaßt wird, den Chinesen eine selbständige Erfindung dieses wichtigen Werkzeuges zuzuschreiben. […]
Andere Arten von Zeitmessern habe ich in den Maimatschiner Läden nicht gesehen, dagegen aber in jedem derselben als Spielwerk für Kinder oder für kindische Erwachsene, an denen es in China nicht zu fehlen scheint, eine Menge von Tier- und Menschengestalten und anderen Puppen, welche durch Stahlfedern und Räderwerk in fortschreitende und drehende Bewegungen versetzt werden und die daher eine vollständige Ausbildung der Uhrmacherkunst bei den Chinesen nachweisen.
Gemälde auf verschiedenen Arten von Papier werden in großer Menge nach Maimatschin gebracht. Sie sind teils in eigentlicher Miniaturmanier und dann in kleinen Formaten höchst sauber und kunstreich ausgeführt; teils sind es Wandgemälde von zweieinhalb Fuß Breite und sechs bis acht Fuß Länge. Auch diese empfehlen sich durch ein warmes Kolorit und eine Sauberkeit des Pinselstriches, die man kaum in einem anderen Lande bei Meistern finden wird, welche ihre Gemälde dutzendweise für den Kramhandel anfertigen. Eine wesentliche Vorübung zu dieser Fertigkeit erhält jeder Chinese durch die nationale Schreibkunst, denn auch für diese ist eine große Leichtigkeit der Handbewegungen unerläßlich. Hier in Maimatschin sah ich zum Schreiben teils Rohrhalme im Gebrauch, welche wie unsere Gänsekiele gespalten, aber mit weit gröberen und weicheren Spitzen als diese versehen werden, teils aber sehr schöne Pinsel von Eichhornhaaren; ferner schwarze Tusche, die man mit reinem Wasser anreibt, und ungeleimtes Papier. (Im russischen Handel führt daher die schwarze Tusche mit Recht den Namen chinesische Tinte. Die Kaufleute führen ihre Schreibmaterialien gewöhnlich an der linken Seite ihres Gürtels in einem länglichen Behälter, genauso, wie es im Mittelalter auch in Deutschland allgemein üblich war. Die Tusche wird bei jedesmaligem Gebrauch von neuem gerieben, und zwar in einem kleinen Napf, der sich anstatt des Tintenfasses in jenem Behälter befindet.) Mir schien nach einigen Versuchen der Gebrauch dieses Materials ebenso unbequem wie der der Keh-tse oder Eßstöcke, aber die geübten Kaufleute schrieben damit Buchstaben und Zahlen ebenso zierlich wie europäische Kalligraphen.
Von den erwähnten Malereien ist noch zu bemerken, daß sowohl der Gegenstand als die Preise derselben von dem Stoffe, auf dem sie ausgeführt waren, abhängig schiene. Wandgemälde auf dünnem und ungeleimtem Papier sind nämlich ungemein wohlfeil und wohl offenbar für die unterem Volksklassen bestimmt. Man sieht darauf chinesische Landschaften und Wohnungen, sodann aber mannigfaltige Gruppen von Figuren in halber Lebensgröße, welche die verschiedenartigen Geschäfte der Menschen, auch unschuldigere Karikaturen oder religiöse Allegorien vergegenwärtigen. Die chinesischen Kunstleistungen würden daher ebenso lehrreich als anziehend zu nennen sein, wenn nicht die ungleich kostbaren Gemälde auf geleimtem Papier einen gar entgegengesetzten Charakter besäßen. Äußerlich unterscheiden sich diese von den früher genannten durch ein noch glänzenderes Kolorit, auch sind sie mit buntem Seidenzeug eingefaßt und, um gerollt oder aufgehängt zu werden, an gedrechselten Stäben befestigt, an deren Enden sich kostbare Knöpfe aus Elfenbein, aus Glasflüssen oder aus geschnittenen Steinen befinden. Ihr Lieblingsthema besteht aber in den allerunzüchtigsten Handlungen von Männern und Frauen, welche man leicht an Kleidung und Umgebung für vornehme chinesische Städter erkennt. […]
Den erwähnten obszönen Geschmack bemerkte ich fast ohne Ausnahme in Maimatschin an den Malereien auf den porzellanenen Tassen; aber auch bei diesen schienen Erinnerungen an Ausschweifungen nur Sache der Reichen und Vornehmen, denn die schamlosesten und unzüchtigsten Darstellungen standen stets am höchsten im Preise. Weit geschmackvollere Malereien in ebenso schönen Farben sieht man auf gewissen Fenstervorhängen, welche hier unter dem Namen Schtori verkauft werden. Sie bestehen aus dünnen und höchst gleichförmigen Grashalmen von 1 ½ Fuß Länge, von denen je zwei in derselben Linie liegen und eine Breite des Vorhanges ausmachen. Diese Halme sind parallel gegeneinander und in Abständen von einer halben Linie durch drei dünne Fäden verbunden, welche nach der ganzen Länge des Vorhangs laufen, und das ganze Gewebe ist dann auf beiden Seiten mit einer reinen und glänzenden Grundfarbe und auf der einen noch außerdem mit vielfarbigen und lebhaften Gemälden versehen. Dergleichen Anwendungen von gitterförmigem Geflechten zur Schwächung des Lichts findet sich häufig bei den asiatischen Völkern, und ich werde ihrer namentlich noch bei den Jakuten als üblichen Schutzmittels gegen Blendung der Augen zu erwähnen haben.
Von Skulpturarbeiten findet man in Maimatschin Reliefs und ganze Figuren aus Holz, aus Bronze und verschiedenen teils natürlichen, teils künstlich nachgeahmten Steinmassen. Sie bilden Verzierungen an Gefäßen, Lichtschirmen. Laternen und dergleichen. Außerdem aber gehören viele derselben zu den nutzlosen oder nur zum Spiele vorhandenen Gegenständen, an denen die hiesigen Niederlagen reich sind. Auch bei diesem Industriezweig zeigt sich die Sorgfalt und die Geduld der chinesischen Arbeiter, oft aber noch außerdem eine sehr richtige Zeichnung. Wahrscheinlich wurden die Chinesen ursprünglich zu diesen Skulpturarbeiten durch ein sehr günstiges Material veranlaßt, welches sich in ihrem Lande findet. Es ist der Bildstein, die im talkigen Übergangsgebirge vorkommende Verbindung aus Kieselerde, Tonerde, Kali und Wasser, welche sich mit dem Messer schneiden läßt und dabei polierbar ist. Ich sah diese zu zollangen Tiergestalten, zu Laubwerk und Götterbildern verarbeitet, welche alle äußerst wohlfeil verkauft wurden. Der Stein war an sich weiß oder hellgelb und an den Kanten durchscheinend; er wird aber meistens nach der Bearbeitung mit roter Farbe gebeizt, und auf eine so tauschende Weise, daß man deren Anwesenheit nur durch den Bruch kennt. Nicht minder häufig, aber ungleich teurer waren Bildwerke aus den härtesten Gesteinen, namentlich aber große kugelförmige Schalen und eiförmige Vasen aus Chalzedon und Achat, und Reliefs, die aus Stücken von Karneol, von Nephrit und von anderen farbigen Steinen bestehen. Meistens sind es Blumen, deren einzelne Teile aus verschiedenen und geschmackvoll gewählten Steinen geschliffen und mit Mastix auf eine gemeinsame steinerne Unterlage gekittet werden. Für manche dieser ebenso nutzlosen als kunstreichen Gegenstände forderten die Maimatschiner Kaufleute 4000 Teesteine, das heißt gegen 2.500 preußische Taler. Wir sahen hierin ein Beispiel von eer Prachtliebe und Verschwendung der Chinesen, während viele andere Industrie-Produkte an deren Verweichlichung und weibische Sitten erinnerten.
Ich kaufte zu genauerer Untersuchung auch mehrere andere Gegenstände, welche wir von den Chinesen im gewöhnlichen Leben angewendet sahen. Die kleinen Schwärmer, Raketen und andere Feuerwerksstücke erhält man in sehr zierlichen Kisten verpackt. Sie bilden sowohl hier als auf anderen chinesischen Märkten einen nicht unwichtigen Handelsartikel, denn ich fand sie in Brasilien wieder, wohin sie von Kanton gebracht werden, um bei den katholischen Feiertagen auf dieselbe Weise zu dienen wie hier bei der Feier des foischen weißen Mondes. Auch in Deutschland sah ich sie später in Menge als Kinderspielwerk verkaufen, und es immer bemerkenswert, daß dergleichen chinesische Industrie-Produkte nach so weitem Transport noch neben den europäischen den Preis halten. Noch ausgedehnter ist der Handel mit gedrechselten hölzernen Trinkgeschirren und größeren hölzernen Gefäßen. Sie sind lackiert und mit einem Firniß überzogen, welcher sie zur Aufnahme von kochendem Wasser geschickt macht. Ich kaufte eine von den braun lackierten hölzernen Teetassen, deren sich alle Burjäten bedienen, und habe mich beim Gebrauch derselben währen der folgenen Reise überzeugt, daß sie den Geschmack des heißen Getränks, womit man sie füllt, durchaus nicht verändern. Auf der Rückseite dieser Schalen steht in schwarzer chinesischer Schrift das Wort thai oder groß, welches wohl an die unterscheidende Eigenschaft dieser Tassen vor den porzellanen erinnern soll. Wirklich sind die porzellanenen chinesischen Tassen nicht größer als unsere europäischen, während die hölzernen für die Burjäten etwas mehr als ein Viertel eines preußischen Quarts [gut einen Viertelliter] enthalten. Auch die zu religiösem Gebrauch bestimmten zylindrischen Rauchkerzen erhielt ich ohne Schwierigkeit, nachdem der Verkäufer mit einigem Lächeln bemerkt hatte, daß ihm dergleichen Dinge für mich ganz nutzlos schienen.
Auffallend war es, daß bei dem hiesigen Verkehr der Gewerbefleiß des asiatischen Volkes fast glänzender hervortrat als der des europäischen. So sah ich zum Beispiel unter den Waren, welche die chinesischen Kaufleute von den Russen in Kjachta entnommen hatten, dieselben metallenen Knöpfe, welche auf dem Obdorsker Jahrmarkt an Samojeden und Ostjaken verkauft werden, um ihre Leibgurte zu besetzen. Sie mögen wohl für ganz Nordasien aus einerlei Fabrik hervorgehen, denn auch hier waren sie genau wie in Obdorsk mit dem eingeprägten Bild eines Hundes versehen und nur für die zivilisierten Käufer etwas besser poliert als für die Ostjaken. Die Maimatschiner kaufen übrigens sowohl diese rohen Metallwaren als auch eiserne Töpfe, Kessel und dergleichen russische Produkte nicht zum eigenen Gebrauch, sondern bringen sie den mongolischen Nomaden ihres Landes.
Die Gegenstände, die wir in dem Innern der Phusi oder Maimatschiner Läden gesehen haben, gewähren aber durchaus keinen vollständigen Begriff von dem hiesigen Handel. Zu einem solchen gehört unter anderem, daß von den eigentlich und in Europa gebräuchlichen Teearten jährlich gegen 70.000 Mjesta oder halbe Ladungen für Saumpferde gekauft werden. Eine jede derselben kann mindestens auf 2 Pud [1 Pud = 16,38 kg]und der gesamte Einkauf daher auf 5 Millionen preußische Pfund oder einen Geldwert von 10 bis 15 Millionen preußische Taler gerechnet werden. Auch der Handel mit Rhabarber ist beträchtlich, wenn wirklich, wie man mir in Irkutsk versicherte, die Chinesen davon jährlich 10.000 Pud zu einem Preise von 600.000 preußischen Talern absetzen. Von den Russen wurden dagegen durchschnittlich außer den schon erwähnten Waren für eine halbe Million Rubel polnisches Tuch und ertwa ebenso viel baumwollene Zeuge oder zusammen für 300.000 preußische Taler von hier nach China verkauft.
Erman, Adolph
Reise um die Erde …
Abt. 1, Band 2, Berlin 1838