1804 - James Macdonald
Auf dem Golfplatz von St. Andrews
Schottland
Ich begleitete heute eine Gesellschaft von vier Herren zu einem Rasenplatz nahe der Stadt, wo sie sich drei Stunden mit einem Spiel belustigten, welches diesem Lande eigentümlich ist, Golf (sprich Gohf) genannt. Das Spiel ist ganz dem Charakter der Schotten angemessen. Ich muss es Ihnen beschreiben, denn mich däucht, es bezeichnet das Wesen der Schotten besser als irgendeine Schilderung ihrer Gestalt und Kleidung. Die Spieler gingen in kurzen offenen Wämsen zum Golfplatz, wo sie sich verteilten und zwei gegen zwei ihr Spiel begannen. Der Golfplatz ist ein großes weites Feld, im Ganzen ziemlich gleich und eben, doch hin und wieder auch mit Sandgruben und kleinen Hügeln untermischt; an einigen Stellen mit hohem Grase und mit Heide bewachsen, an anderen mit schönem grünen Rasen bedeckt. In verschiedenen Entfernungen (von zweihundert bis sechshundert Schritt in gerader Linie voneinander) sind runde Löcher, ungefähr sechs Zoll [15 cm] breit und vier bis acht Zoll tief gegraben. Auf dem großen ausgedehnten Golfplatz zu St. Andrews sind deren in allem neun, und die Spieler wissen genau, an welchen Stellen sie sich befinden. Die Spieler sind sämtlich mit Kolben zum Schlagen der Bälle bewaffnet, die fast wie Billardkugeln gestaltet sind. Der Stiel oder Schaft ist von starkem, biegsamem Holz, drei bis vier Fuß lang, je nach Statur des Spielers, und der Fuß oder das Klötzchen, das den Ball treffen soll, ist von starkem Horn und bildet mit dem Stiel einen mehr oder weniger stumpfen Winkel. An der unteren oder hinteren Seite ist dieser Fuß mit Blei belegt, um die Schwere und Elastizität des Kolbens zu vermehren und dem Schlage einen kräftigeren Schwung zu geben. Der Spieler fasst den Kolben mit beiden Händen, schwingt ihn von der linken Schulter über seinen Kopf gegen den Boden, um mit aller Kraft den Ball, der 1 3/4 Zoll [4,3 cm, heute Minimum 4,26 cm] im Durchmesser misst, und vier Lot [70 g, heutige Bälle: max. 45,9 g] schwer ist, und am Rande des ersten Loches liegt, nach dem nächsten Loch zu schlagen. Der Ball ist von hartem Leder, fest ausgestopft mit Federn, und mit starkem Garn genäht. Jede Partei hat ihren eigenen Ball, und diejenigen, welche zusammen spielen, schlagen wechselweise den Ball von der Stelle, wo er liegt, (sie mag bequem oder unbequem zum Schlagen sein) vorwärts, so weit sie können. Das Ziel des Spiels besteht darin, dass man den Ball mit so wenig Schlägen wie möglich zum nächsten Loch und in dasselbe hinein bringt. Wenn demnach die eine Partei in fünf Schlägen ihren Ball zum Loch bringt, so gewinnt sie dieses Loch von der anderen Partei, wenn diese sechs oder mehr Schläge getan hat. Ist die Zahl der Schläge für beide Parteien gleich, so gehört das Loch keiner von beiden. So geht das Spiel durch alle Löcher fort, bis zum letzten, und wer die meisten Löcher gewonnen hat, gewinnt das Spiel. Die Zahl der Spieler muss auf beiden Seiten gleich sein. Gewöhnlich spielen zwei oder vier, bisweilen aber auch sechs oder acht auf jeder Seite; es wird aber in allen Fällen nur mit zwei Bällen gespielt. Sie werden bemerken, dass zu einem guten Spieler drei Eigenschaften erforderlich sind, erstlich Kraft und Geschicklichkeit, um den Ball weit fortzuschleudern, bisweilen zweihundert Schritt mit einem Schlage; zweitens eine feste Hand und ein scharfes Auge, um den Ball in gerader Richtung auf das nächste Loch zu halten und unebenen Boden zu vermeiden, und drittens große Genauigkeit im Blick und in Anwendung der Kraft, wenn der Ball schon ganz nah am Loch liegt, und nun in dasselbe hineingeschlagen werden soll. Letzteres ist das Unterhaltsamste und Interessanteste bei diesem Spiel. Dass der Ball nie mit der Hand berührt werden darf, brauche ich wohl nicht zu sagen. Hier haben Sie denn den ganzen Charakter der Schotten, der sich in ihrem Lieblingsspiel so augenscheinlich zeigt: Kraft, Gewandtheit, Vorsicht und Behutsamkeit. Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Geschicklichkeit sie spielen. Professor Playfair, ein Mann von beinahe siebzig Jahren, zeigte in seinem Spiel alle diese Eigenschaften. Was ihm an Elastizität der Glieder abging, das ersetzte er durch kluge Berechnung und durch Gewandtheit der Hand und des Auges, wenn er sich zum Schluss dem Loch näherte. Sie werden kaum glauben, dass gewöhnlich nicht mehr als fünf bis sechs Schläge erforderlich waren, um den Ball 450 Schritte weit von einem Loch in das andere zu bringen. Ich versuchte, mitzuspielen, und nach verschiedenen Versuchen gelang es mir dennoch kaum in fünfzehn Schlägen. Der Preis der Kolben, deren ein jeder Spieler sich sieben bis acht von einem Bedienten nachtragen lässt, ist zwei Shilling und sechs Pence, und ein Golfball kostet acht Pence. Diejenigen, welche oft spielen, haben Kolben mit verschieden gestalteten Füßen, um den Ball aus seinen verschiedenen Lagen, aus Löchern, Hufeisen-Spuren, aus langem Gras oder von sandigen Stellen wegzuschlagen. Man spielt nach Belieben um kleine oder um große Summen, von einigen Pence bis zu tausend Guineen.
Die Spieler waren einander heute so gleich an Stärke, dass der Sieg erst am letzten Loch entschieden wurde. Ich sah dem Spiel mit der lebhaftesten Anteilnahme zu. Alle Mitspieler waren voll Leben und Tätigkeit. Jeder Nerv war gespannt, jedes Auge weit geöffnet, und jedes Herz schlug voll Eifer. Viel wurde auf beiden Seiten gesprochen, um sich selbst zu rühmen und durch scherzenden Spott die Gegenpartei aus der Fassung zu bringen; aber umsonst, denn Prahlen und Spotten wird als eine unbedingt zum Spiel gehörige Sache betrachtet. Genug, ich habe nie ein Spiel gesehen, das so viel Fröhlichkeit hervorbrachte; vermutlich, weil es in freier Luft und auf freiem Felde gespielt wird und weil es jede Kraft des Leibes und des Gemüts in Tätigkeit setzt. Man kann schnell oder langsam spielen, ganz wie man will; und deswegen sah ich Knaben von acht Jahren und Greise von achtzig auf demselben Felde an verschiedenen Enden spielen.
Nachdem die Parteien von ihrem Kampfplatz zurückgekehrt waren, sprachen sie zu Hause von neuem von ihren Taten, von ihrem Glück und Unglück in mancherlei Kunstausdrücken und genossen nochmals ebenso lebhaft wir am Vormittag den Wettstreit. Manche Gründe wurden von der einen Seite vorgebracht, um ihre Niederlage zu beschönigen, und manche Gegengründe wurden von der anderen Seite angeführt, warum diese Niederlage unvermeidlich und weit geringer gewesen wäre als man hätte erwarten können.
Macdonald, James
Reise durch Schottland, seine Inseln, Dänemark und einen Teil von Deutschland
Leipzig 1808
Abgedruckt in:
Ulrike Keller (Hrg.)
Reisende in Schottland seit 325 v. Chr.
Wien 2008