1851 - Fredrika Bremer
Die Sklavengefängnisse
Richmond, Virginia
3. Juli 1851
Mit einem ehrenwerten deutschen Herrn, der in Richmond wohnhaft ist, habe ich einige Negro Jails oder die Gefängnisse besucht, in denen man die Neger teils bestraft, teils bis zum Verkauf aufbewahrt. In einem dieser Jails sah ich einen großen starkgebauten Neger, die rechte Hand mit einem Tuch umwickelt, still und düster sitzen. Ich fragte ihn, ob er krank sei. „Nein“, erwiderte der gesprächige Wächter, „aber er ist ein sehr bösartiger Rascal. Sein Herr, der hoch oben am Fluß wohnt, hat ihn zur Strafe von seiner Frau und seinen Kindern getrennt und will ihn weiter südlich verkaufen. Da hat sich dieser Scoundrel, um sich an seinem Herrn zu rächen, und um zu bewirken, daß sein Herr keinen hohen Preis für ihn bekommen soll, sich selbst die Finger seiner rechten Hand abgehackt. Der Schelm verlangte von mir ein Beil, um Nägel in seine Schuhe zu schlagen; ich gab ihm eins, ohne dabei etwas Arges zu denken und nun hat sich der Kerl auf immer verstümmelt.“
Ich ging zu dem Neger, der allerdings kein gutes Gesicht hatte, und fragte ihn, ob er ein Christ sei. Er antwortete kurz: „Nein.“ Ob er von Christo gehört habe? Er antwortete wieder; „Nein.“ Ich sagte ihm, dass er, wenn er Christus gekannt hätte, diese Tat nicht verübt haben würde usw. dass er sich nun aber auch jetzt noch nicht verlassen halten sollte, denn der, welcher gesagt habe: „Kommet her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid!“, habe auch zu ihm gesprochen und könne auch ihn trösten und erquicken.
Er hörte mir anfangs mit finsterem Gesicht zu, aber allmählich erhellten sich seine Gesichtszüge, und endlich sah er ganz weich aus. Dies verbitterte Gemüt war offenbar noch zugänglich und offen. Die Sonne schien in den Hof des Gefängnisses herein, in welchem er mit seiner verstümmelten Hand und mit schweren Eisenketten an den Füßen saß, aber kein Christ kam hierher, um ihm das Evangelium der Liebe zu predigen.
Die Tür des Gefängnisses wurde uns von einem Neger geöffnet, dessen Füße ebenfalls mit schweren eisernen Ketten belastet waren. Dieser Neger sah so gutmütig und einnehmend aus, dass ich mit einiger Verwunderung fragte:
„Aber dieser da, was hat er denn getan, um so gefesselt zu werden?“
„Ach, nichts weiter“, versetzte der Wächter lächelnd, „sein Herr hatte ihn vermietet, um in den Kohlengruben (the coal-pits) zu arbeiten, und dort ist eine Unannehmlichkeit vorgefallen. Nach diesem Vorfall wollte der Kerl nicht mehr dort arbeiten und weigerte sich, wieder in die Gruben zu gehen. Um ihn zu betrafen, will ihn nun sein Herr verkaufen und hat befohlen, ihn in Ketten zu legen, bloß um ihn zu demütigen – only to mortify him.“
Das war auch vollkommen gelungen. Der arme Neger war so verlegen und beschämt, dass er nicht zu wissen schien, wohin er seine Augen richten sollte, während der Wächter seine Geschichte erzählte; dabei sah dieser starke Mann so gutmütig und so weich aus, dass man wohl sah, er konnte durch ungerechte Behandlung weit mehr leiden als zu Trotz und Rache gereizt werden wie der andere Neger. Er war augenscheinlich ein guter Mensch und eines bessern Herrn wert.
In einem andern Gefängnis saß ein kleiner weißer Knabe von sieben Jahren unter mehreren großen Negermädchen. Der Knabe hatte lichtes Haar, die schönsten hellbraunen Augen und Rosen auf seinen Wangen; er war jedoch von einer farbigen Mutter, einer Sklavin, und sollte verkauft werden. Der Kaufpreis für ihn war 350 Dollars. Die Negermädchen schienen den weißen Jungen sehr lieb zu haben und er war ihrer Pflege übergeben worden; ob gerade zu seinem Besten, will ich nicht behaupten. Kein mütterliches, christliches Weib besuchte den unschuldigen gefangenen Knaben oder die jungen Mädchen. Sie waren ihrem heidnischen Leben und der Finsternis des Gefängnisses preisgegeben.
In einem andern Jail wurden so genannte Fancy Girls für Kaufliebhaber aufbewahrt - schöne, helle Mulattinnen oder fast weiße Mädchen.
In einem Jail sahen wir das Gemach, in welchem die Sklaven (Weiber sowohl wie Männer) gepeitscht werden. Sie werden daselbst an eisernen Ringen, die am Boden befestigt sind, festgebunden, mit den Händen und Füßen zusammengeschnürt und dann auf den Boden niedergelegt.
Ich sah Riemen von Kuhhaut (the paddle), womit sie gepeitscht werden, an und sagte: „Schläge mit diesen Riemen können doch nicht sehr wehtun.“
„Ach ja“, antwortete der Wärter grinsend und machte ein bedeutungsvolles Gesicht. „Sie können ebenso viel Schmerz verursachen wie jedes anderes Instrument, denn man kann mit diesem Riemen derb zuschlagen, ohne dass sie äußere Spuren hinterlassen; sie schneiden nicht ins Fleisch ein.“
Die Sklaven können mehrere Monate in diesen Gefängnissen sitzen, ehe sie verkauft werden.
Man sagt, die südlichen Staaten zeichneten sich durch Religiosität aus; die Bewohner gehen fleißig in die Kirche und senden Missionare nach China und nach Afrika. Aber die unschuldigen gefesselten Sklaven in ihren Gefängnissen lassen sie ohne Unterricht und Trost.
Noch einmal - was könnten, was sollten nicht die Frauen hier tun!
Bremer, Fredrika
Die Heimat in der Neuen Welt: Ein Tagebuch in Briefen …
Band 9, Leipzig 1854