Um 1735 - Johann Peter Reichart, Matrose auf einem holländischen Schiff
Körperpflege in Kanton
China
Es gibt eine den Europäern lächerliche Kur, welche die Portugiesen und Holländer Ramenose nennen. Es muß sich einer am oberen Leib bis auf die Hüfte und von unten bis an die Knie entblößen und sich auf ein niedriges Stühlchen niedersetzten, das die dortigen Bader oder Feldscherer mit sich tragen; von denen sind alle Straße voll, und mit ihren Scher- und Rasiermessern machen sie einen solchen Klang, daß man sie von weitem hört; und das geschieht auf offener Straße, wo sich die Vorbeigehenden nicht einmal umsehen. Sie machen mit ihrer Hand und ihren Fingern auf dem Leibe eines Menschen ein solches Getupf und Trommeln, daß man sich, auch wenn einem nicht allzu wohl ist, fast des Lachens nicht erwehren kann. Es läßt das Blut zirkulieren; und dann haben sie einen kleinen Besen, in Form eines runden Stöberbesens, den sie, nachdem sie die Ohren gesäubert haben, hineinstecken, so daß er fast auf der anderen Seite hinausgehen sollte, und drehen ihn so geschwinde mit beiden Händen herum, daß man ein entsetzliches Geräusch und hupfende Bewegung spürt. Dann gehen sie alle Glieder und Gelenke des Menschen durch und wissen sie mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zu verrücken und zu bewegen, daß die Ohren, Nase, Kniebiegen und Achseln wie auch das Genick einen so starken Kracher gibt, daß man meint, es müsse alles entzwei brechen. Es gibt auch Europäer, die das nicht vertragen können, mir aber hat es recht wohl gedient.
Reichart, Johann Peter
Zwanzigjährige Wanderschafft und Reisen in Ost- und Westindien …
Onolzbach 1755