1899 - Fritz W. Up te Graff
Kopfjäger und Schrumpfköpfe
Peru
Ein Sieg auf dem Schlachtfeld ist für die Indianer des oberen Amazonas das Signal für den Beginn des schauerlichsten und bedeutungsvollsten aller ihrer Gebräuche. An jenem unvergeßlichen Tag wurde das ganze Schauspiel vor unseren Augen aufgeführt, ein Erlebnis, das vielleicht kein Weißer bisher oder seitdem durchgemacht hat. Ich kann dies natürlich nur als wahrscheinlich ansehen, und ich kann nur sagen, daß weder ich noch meine Kameraden jemals imstande waren, direkt oder indirekt einen Bericht eines ähnlich glücklichen Zufalls zu entdecken, der einem anderen Reisenden begegnet wäre. Gewiß ist, daß ich bei allen meinen Unterhaltungen mit Goldsuchern und Gummijägern immer nur ganz vage Vermutungen über das Präparieren der Jivaroköpfe gehört habe.
Die verhältnismäßig spärlichen Berichte über die Prozedur, die sie durchmachen (es sind Kriegstrophäen, die einzig in der Welt dastehen), waren, soweit meine Kenntnis reicht, stets auf Hörensagen begründet. Die Schilderungen der weißen und der Mischlingssiedler und der Geistlichen, deren Leben sich auf Stationen am Saum des eigentlichen Landes der Jiwaro-Kopfjäger abspielt, sind oft in wesentlichen Einzelheiten ungenau. Das Gebiet wird gebildet durch die Strombecken des Marañon und des Santiago in einem Umkreis von einigen 500 Kilometern um Borja.
Es scheint, daß dieser Gebrauch ein so ängstlich gehütetes Geheimnis ist, daß die Zeremonie nur von sehr wenigen beobachtet werden darf. Der Grund liegt in dem Rassenhaß zwischen Weißen und Braunen und in den offenkundigen natürlichen Hindernissen, die der Erforscher dieser Gegenden zu überwinden hat. Es gehört tatsächlich eine seltene Verkettung von Umständen dazu, bei der der Zufall keine kleine Rolle spielt, dem Weißen zu ermöglichen, das zu sehen, was wir beobachten konnten.
So stellt mein Bericht über die Ereignisse jenes Tages, wenn ich so sagen darf, die authentische Beschreibung eines bisher vielfach noch unklaren Vorgangs dar.
Diejenigen Huambisa, die so glücklich waren, den Speeren der Eindringlinge zu entgehen, waren in den Schutz der größten der angegriffenen kleinen Häusergruppen geflohen. Es können nicht mehr als zwölf oder fünfzehn von ihnen in den Räumen eingeschlossen gewesen sein, aber die Aguaruna hatten nicht den Mut, sie jetzt anzugreifen, als sie gereizt waren. Dies ist Jivaro-Art.
Da der Feind seine Toten und Sterbenden bei der Flucht zurückgelassen hatte, stürmten die Sieger vorwärts, um sich der am höchsten geschätzten Schlachtbeute zu bemächtigen, der Köpfe der erschlagenen Feinde. Mit Steinäxten und Messern von gespaltenem Bambus, mit Muscheln, deren Ränder an Sandstein geschärft waren, und mit Macheten aus Chontaholz gingen sie von Leichnam zu Leichnam, um ihre Siegestrophäen einzusammeln und aufzureihen.
Ich bemerke, daß bei diesen Gebräuchen keine zarte Rücksicht auf das Geschlecht obwaltet. Eine Frau, die kämpft oder sich weigert, die Sieger nach Hause zu begleiten folgen und einem neuen Herrn zu dienen, setzt sich nach den bei diesen Völkerstämmen anerkannten Kriegsgesetzen der Gefahr aus, das Los der Männer zu teilen. Ich selber konnte zufällig das Schicksal einer Huambisafrau beobachten, die, von drei Speeren verwundet, im Kampf fiel. Als wir an jenem Morgen angriffen, konnten wir kaum wissen, wie der Ausgang des Kampfes sein mochte.
Die Frau lag, wo sie von den Speerwürfen hingestreckt war. Die Aguaruna, in ihrer Gier, den Kopf zu bekommen, gingen ans Werk, während die Frau noch am Leben, aber unfähig war, sich zu wehren. Während einer an ihrem Kopf zerrte, hielt ein anderer sie am Boden fest, indes ein dritter mit der Steinaxt nach ihrem Hals schlug. Schließlich verlangten sie meine Machete als viel besseres Werkzeug für diese Arbeit. Es war in der Tat ein scheußliches Schauspiel. Als der Kopf endlich abgetrennt war, wurde er mit einem anderen unserer Abteilung zugefallenen aufgefädelt. Ein Dazwischentreten meinerseits wäre Selbstmord gewesen.
Das Auffädeln der Köpfe ist eine Kunst, deren Zweck ist, den Transport zu erleichtern. Sie werden auf dünne Streifen biegsamer Rinde irgendeines gerade in der Nähe befindlichen jungen Baumes aufgereiht, die einen vortrefflichen Ersatz für den Hanfstrick der Zivilisation bilden. Diese Rindenstricke werden durch Mund und Hals geführt.
Dann ging die Truppe daran, die Häuser zu plündern, aus denen die Bewohner vertrieben waren. Nichts entging den Räubern. Ich war mit ihnen in einem der Häuser und erinnere mich recht wohl des bunten Durcheinanders von Dingen, die wir da fanden. Da waren peruanische Münzen, Porzellantassen, Untertassen, ein Fleischermesser, eine Anzahl roter Bandanatücher, die offenbar in Barranca geraubt waren, einen Jivaro-Handwebstuhl mit einem halbfertigen Stück Stoff darauf, eine eiserne Speerspitze und eine Anzahl kleiner Gegenstände, aus Jivarohaushalt, wie sie sich in jeder Niederlassung finden. Nichts war zu klein, um der Aufmerksamkeit der Aguaruna zu entgehen. Sie leerten das Haus gründlich von einem Ende bis zum andern; jedermann behielt, was er finden konnte, für sich. Dann legten sie Feuer an das Dach, und im Augenblick stand das ganze Haus in Flammen. Die starke Glut röstete den Körper der enthaupteten Huambasifrau.
Man wird sich erinnern, daß ein Trupp Antipas von der Haupttruppe abgetrennt war, um, wie die Indianer vereinbart hatten, eine andere Gruppe Behausungen weiter oben am Flusse zu stürmen. Jetzt beschlossen wir Weißen, ihnen nachzudringen, um zu sehen, wie es ihnen erging. Wir waren nur wenige Schritt gegangen, als wir dem zurückkehrenden Trupp begegneten; er war beladen mit bluttriefenden Köpfen. Sie brachten nicht weniger als neun Stück mit; einige waren paarweise am eigenen Haar zusammengebunden und um den Hals eines der Eroberer geschlungen, während die Indianer andere auf Rindenstricke aufgefädelt hatten. Dieser schauerliche Zug wurde von einem kleinen, dicken Wilden angeführt; mit seinem Anteil der Beute beladen, zeigte er triumphierend grinsend seine spitzgefeilten, schwarzgefärbten Zähne; seine untersetzten Schultern waren mit dem Blut seiner Opfer bespritzt. Es bot einen geradezu teuflischen Anblick.
Es dürfte unnötig sein zu erwähnen, daß diese Leute, wie alle Feiglinge, jedes Mitleids bar sind. Ihre geistige Verfassung ist nur der eines Raubtiers vergleichbar. Obwohl sie wie dieses ohne Erbarmen töten, üben sie nicht den schlimmen Gebrauch der alten nordamerikanischen Indianer, ihre Gefangenen zu foltern.
Der ganze Trupp zog sich im Gänsemarsch zur Mündung des Flusses zurück, wo die Kanus zurückgelassen waren; sie schleuderten dabei den Huambisa Verwünschungen zu und warnten sie, ihnen zu folgen, da ihrer der sichere Tod durch die büchsentragenden Cristianos warte. All dies war in Wahrheit nur Bluff, denn tatsächlich fürchteten sie einen Überfall ihrer zur Wut gereizten Feinde, die einige der in Barranca geraubten Schußwaffen besitzen sollten. Um den Huambisa weitern Schrecken einzujagen, bemühte sich jeder Mann unseres Trupps, menschliche Stimmen nachzuahmen, was den Eindruck erwecken sollte, als seien es wenigstens sechsmal mehr Männer.
Mit den Trophäen und Gefangenen (drei Kinder) an unserem Ausgangspunkt angelangt, gingen sie an das Präparieren der grauenvollen Beute, die bestimmt war, in den Glaskästen eines großen Museums ausgestellt zu werden oder in die Sammlung eines Kuriositätenliebhabers am anderen Ende der Welt überzugehen. Denn es traf sich schließlich, daß sie uns zuteil wurde.
Während die Krieger die Köpfe aus den Kanus auf die Sandspitze brachten, auf der sie präpariert werden sollten, saßen die Kinder ringsherum; seelenvergnügt kauten sie an Bananen und waren gänzlich unbekümmert um das Los ihrer Eltern. Die leeren Kanus wurden an Land gezogen und Vorposten gegen überraschende Überfälle ausgestellt. Die Sonne brannte auf die Szene herab; um die Köpfe bildeten sich kleine Gruppen von Kriegern.
Die Zeremonie fing damit an, daß die Köpfe mit dem Gesicht nach oben in den Sand gelegt wurden. Jeder nackte Krieger setzte sich der Reihe nach darauf, und die Medizinmänner, von denen zwei bei jedem Trupp waren, begannen Tabak zu kauen, den ich ihnen, so viel ich mich erinnere, geborgt hatte. Sich von hinten nähernd, setzte sich einer von ihnen rittlings auf die Schultern des sitzenden Kriegers, bog dessen Kopf zurück, nahm seine Nasenlöcher in den Mund und spritzte ihm eine Menge Tabaksaft in die Nase. Dieser seltsame Vorgang hat einen guten Grund; es ist der lokale Ersatz eines Gegengiftes gegen den verderblichen Einfluß des feindlichen Medizinmannes. Die Eingeborenen glauben fest, daß diese Art von Schutzmittel sie gegen die Übel und Plagen feit, die die Feinde auf sie loslassen könnten. Ich erwähne, daß ich meinen festen Vorsatz, tätigen Anteil an den Zeremonien zu nehmen, bei dem ekelerregenden Anblick der Aufnahme in diese wilde Brüderschaft aufgab. Die Wirkung, die diese Behandlung auf die Krieger übte, war erheiternd und überwältigend, das erstere wegen des unwandelbaren Glaubens der Krieger an ihre Bedeutung, das andere wegen der der natürlichen physischen Folgen.
Nachdem sie sich von den Erstickungsanfällen und ihrem Keuchen erholt hatten, gingen die wenigen Bevorzugten, die diese Nikotineinspritzung durch das Töten der Opfer und Eintauchen der Speere in deren Blut verdient hatten, daran, die Köpfe zu schälen.
Das geschieht, indem das Haar sorgsam vom Scheitel bis zur Schädelbasis geteilt und die Haut der Scheitellinie entlang aufgeschlitzt und an beiden Seiten umgebogen wird. Dann wird sie vom Knochengerüst herabgezogen wie der Strumpf vom Fuß. An den Augen, der Nase und dem Mund muß geschnitten werden, damit das Fleisch mit der Haut abgeht. Der Schädel bleibt nackt, nur die Augen und die Zunge sind daran. Der Einschnitt in jedem Sack von Haut und Fleisch wurde mit einer Bambusnadel und einer Palmblattfaser zusammengenäht (aus der Chambira, aus der Hängematten, Stricke, Angelschnüre und Netze angefertigt werden), am Hals bleibt eine Öffnung. Die Lippen werden mit je drei 6 Zentimeter langen Bambussplittern zusammengespleißt, die sie fest verschließen, als wären sie mit vielen Baumwollfäden vernäht. Die offenen Enden der Fasern bilden Quasten.
Der Grund, warum der Mund so versiegelt wird, scheint mehr übernatürlicher als natürlicher Art zu sein, da der Verschluß dazu beiträgt, die natürlichen Linien des Gesichtes zu verzerren, die im übrigen aufs sorgfältigste erhalten werden. Die Augenlöcher dagegen werden mit Bambusstützen offengehalten.
Inzwischen waren große Feuer angezündet und große irdene Krüge daraufgesetzt. An dieser Stelle kann eine Schilderung von Interesse sein, wie leicht die Jivaros mit Hilfe ihres primitiven Verfahrens Feuer machen. Ein Hartholzstock wird vermittelst eines Bogens, dessen Sehne darum gewickelt ist, in sehr schnelle Drehung versetzt, sein unteres Ende ruht auf einem Stück Mark. Der notwendige Druck auf den Stock wird durch die Beschwerung mit einem flachen Stein erreicht, der auf das obere Ende des Stockes paßt und durch ein kleines rundes, als Pfanne dienendes Loch in seiner Lage erhalten wird. Der Druck des Stockes auf das Mark verursacht genügend Reibung, um diese zum Glimmen zu bringen, so daß es leicht zur Flamme angeblasen werden kann. Diese einfache Vorrichtung wird von jedem Trupp mitgetragen, so wie wir Zündhölzer bei uns haben. Auf kürzeren Reisen nehmen glimmende Ameisennester auf dem Ende des Astes mit, auf dem sie sich ursprünglich befunden haben. Sie dienen dem doppelten Zweck als Anzünder und als Schutz gegen die Myriaden von Sandfliegen und Mücken, die während der Sommermonate an den Ufern der Flüsse schwärmen.
Die bei dieser Gelegenheit benutzen Krüge sind von Medizinmännern mit äußerster Sorgfalt angefertigt worden, weitab von jedem menschlichen Auge und unter günstigen Mondbedingungen. Sie werden sorgsam in Palmblätter eingewickelt mitgenommen, um sie davor zu sichern, daß sie von Uneingeweihten berührt oder gar gesehen werden, ehe der Augenblick für die Zeremonie gekommen ist. Für jeden Kopf ist einer der roten kegelförmigen Tontöpfe bestimmt, die etwa fünfundvierzig Zentimeter im Durchmesser haben und fünfundvierzig Zentimeter tief sind. Die Spitze des Kegels ruht auf der Erde; die Seiten werden durch Steine gestützt. Auf diese Weise wird eine möglichst große Fläche dem Feuer ausgesetzt.
Die Töpfe werden mit Wasser aus dem Fluß gefüllt und die knochenlosen Köpfe hineingelegt. Binnen einer halben Stunde wurde das Wasser zum Sieden gebracht – dies war der kritische Augenblick. Die Köpfe müssen entfernt werden, bevor das Wasser wirklich kocht, um das Weichwerden des Fleisches und das Verbrühen der Haarwurzeln zu verhindern, wodurch die Haare ausfallen würden. Beim Herausnehmen der Köpfe zeigte sich, daß sie auf etwa ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe zusammengeschrumpft waren. Ich bemerkte, daß das Wasser mit gelbem Fett bedeckt war, ähnlich dem, das sich bildet, wenn anderes Fleisch gekocht wird. Bei der großen Vorsicht der Medizinmänner, die die Zeremonie leiteten, ist es eine offene Frage, ob nicht doch irgendein Kraut oder Pulver vor dem Kochen in den Kessel getan wurde.
Die Töpfe werden in den Fluß geworfen; sie waren zu heilig, um einem andern Gebrauch zu dienen, und mit neuen Baumstämmen wurde das Feuer genährt, so daß der Sand, auf dem das Feuer brannte, sich erhitzte. Denn nun spielte Sand eine wichtige Rolle in dem Verfahren.
Unterdessen hatten die von den Medizinmännern Eingeweihten, die eigentlichen Teilnehmer an der Schlächterei, den Vorzug, eine eigene Zeremonie abzuhalten. Die nackten Schädel wurden fortgetragen, und jede Gruppe zog sich eine kurze Strecke weit zurück, um den geheiligten Gebräuchen zu obliegen, die dem Kochen der fleischigen Köpfe folgen. Wie zu erwarten war, wurde uns nicht gestattet, daran teilzunehmen, und überdies war die Stimmung der Indianer in diesem Zeitraum einer zu genauen Beobachtung ihres Tuns unsererseits nicht günstig. Wir waren jetzt voll überzeugt von dem sehr offenkundig aus den Augen unserer Waffenbrüder leuchtenden Wunsch, fünf Köpfe mehr sowie fünf Büchsen und eine Kanuladung voller Geschenke der Beute des Tages hinzuzufügen. Es scheint, eine leise geführte Besprechung fand statt, eine viel ernstere Angelegenheit als die wilden Kapriolen, mit denen die Schädel zum Haupttrupp gebracht wurden. Die Deutung dieser Gebräuche war nicht möglich infolge des Umstandes, daß der Häuptling, der einzige Dolmetsch unter den Jivaros, viel zu emsig mit einem Versuch beschäftigt war, mich von der unumgänglichen Notwendigkeit zu überzeugen, bei der Fahrt stromab immer nur einen weißen Mann in einem Kanu zu haben! Die kindliche Einfalt dieser Naturmenschen, der offenkundige Zweck ihrer Listen, sind nur ein Beweis mehr für ihre enge Verwandtschaft mit den Tieren.
Die Schädel wurden also zurückgebracht und auf Speerspitzen gesteckt. Die Speere staken aufrecht im Boden; um sie herum fand der Tanz statt, der von allen gemeinsam und von wildem Johlen begleitet war, wobei die Speere von einem Krieger zum andern über die Schädel geworfen wurden. Wir mußten daran teilnehmen; wir sprangen herum und feuerten unsere Büchsen in die Luft ab - aber nicht mehr als zwei auf einmal setzten sich der Gefahr der eines zufälligen Speerwurfs aus Wären wir alle gleichzeitig in den Ring getreten, die Indianer hätten kurzen Prozeß mit uns gemacht.
Jetzt war heißer Sand in großen Mengen vorbereitet worden. Er wurde durch die Halsöffnung in die Köpfe gefüllt; so gefüllt, wurden sie mit heißen Steinen geglättet, mit denen die Indianer mit Hilfe von Palmblättern hantierten. Dieses auf der Sandbank gewonnene Verfahren wird in derselben Weise etwa achtundvierzig Stunden lang wiederholt, bis die Haut glatt, hart und zäh ist wie gegerbtes Leder. Der ganze Kopf hat jetzt die Größe einer Orange. Die Ähnlichkeit mit einem lebenden Menschen ist außerordentlich. Tatsächlich sind die geschrumpften Köpfe, wenn geschickt präpariert, genaue Miniaturabbilder ihres früheren Selbst. Jeder Zug, Haare und Narben bleiben unberührt, und selbst der Gesichtsausdruck geht nicht immer verloren.
Wenn sie fertig sind, werden sie in den Rauch eines Feuers gehängt, um sie vor den zahllosen Insekten zu bewahren, die sie angreifen und zerstören würden. Wie ich an jenem Nachmittag bemerkte, ist die Erhaltung der Züge in ihrer früheren Gestalt nicht immer das Bestreben derer, die sie präparieren. Einige der Aguaruna entstellten sie, wie ich sah, vorsätzlich, so lange sie noch biegsam waren, wie zur Verhöhnung ihrer Feinde. Sie fanden ein besonderes Vergnügen daran, den Mund auseinanderzuzerren, was das Aussehen vieler Jivaro-Trophäen erklärt.
Bis spät in den Nachmittag hinein wurde das sorgsame Präparieren der Köpfe fortgesetzt. Alle arbeiteten mit Eifer daran, sie zu trocknen, so daß der Aufbruch stromabwärts am Abend stattfinden konnte. Ab und zu wurde der kühle, fettige Sand aus den halbtrockenen Köpfen herausgeschüttelt, was einen Duft wie von einer Abendmahlzeit verbreitete, und durch neue heiße Zufuhr ersetzt. Flache Steine waren stets im Feuer, um die Gesichter beständig plätten zu können. Sie glitten leicht über die Haut, wie ein Bügeleisen über Leinwand, infolge des natürlichen Öls, das die sich schließenden Poren ausschwitzten, wie ein Bügeleisen über feine Leinwand. Auch die gefangenen Kinder spielten um die Feuer; sie hatten keine Ahnung von der grausigen Bedeutung dieses Augenblicks, des tragischsten Ereignisses ihres Lebens. Kaum erfaßten sie, daß sie in einigen Jahren selbst berufen sein würden, ihre eigenen Leute zu töten und zu köpfen. Schon waren sie mit ihren Fängern befreundet, in deren Familien sie für immer aufgehen sollten. Die Jivaros machen niemals erwachsene männliche Gefangene, die Frauen und Kinder aber, die bei den Überfällen gefangen werden, nehmen in den siegreichen Stämmen die gleiche Stellung ein wie die eigenen Angehörigen. Sie sind zur Polygamie gezwungen durch die fortwährende Abnahme der männlichen Bevölkerung, die durch ihre unaufhörlichen Kriege untereinander verursacht ist. Ohne diese Sitte würden sie bald ausgestorben sein.
So endigte ein, wie ich glaube, einzig dastehender Tag in der Geschichte der Forschung.
Ich füge einige Bemerkungen hinzu die das schließliche Los der Trophäen betreffen, deren Ursprungsgeschichte ich erzählt habe.
Was der Skalp dem nordamerikanischen Indianer, was die Fahne dem zivilisierten Krieger ist, das sind den Jivaro die Köpfe. Aber dieser Vergleich trifft nur bis zu einem gewissen Grade zu. Denn während der Ruhm der Fahne und des Skalps unsterblich sind, dauert der der Jivaroköpfe nur bis zum Ende des großen Freudenfestes, mit dem sie bei der Rückkehr des Kriegstrupps nach ihren Wohnstätten geehrt werden.
Graff, Fritz W. Up de
Bei den Kopfjägern des Amazonas. Sieben Jahre Forschung und Abenteuer
Leipzig 1924