1530 - Nikolaus Federmann
Auf der Suche nach dem Südmeer
Barquisimeto, Venezuela
In dieser Provinz fand ich Zeitung von einem andern Meer, das Süd- oder mittägliches Meer genannt wird, welches eben das war, das wir mit Verlangen erhofften und das, wie anfänglich gesagt, die meiste Ursach unsers Ausreisens gewesen ist, solches zu erreichen; denn daselbst grosser Reichtum von Gold, Perlen und Edelgesteinen meist zu erhoffen ist, wie in anderen Gubernationen der Indianischen Länder an Örtern, da man das gesagte Südmeer erreicht, reichlich gefunden wird.
Und wiewohl uns die Einwohner dieser Pueblos oder Flecken, wie zuvor angezeigt, davon gesagt hatten, so wollten sie doch selbst dagewesen zu sein nicht bekennen; nur, sagten sie, von ihren Ältern hätten sie es so gehört, welches wir aber nur für Ausrede hielten, um nicht von uns gezwungen zu werden, uns dahin zu geleiten. In den vierzehn Tagen, da ich die Flecken dieser Provinz besichtigt und heimgesucht, wie zuvor angezeigt, und mich dort aufhielt, wurden mir etwa sechzig Christen krank, darunter etliche, die weder zu Roß noch zu Fuß von Statt zu bringen waren.
Und wiewohl es wohl not gewesen wäre, länger still zu liegen und der Kranken Gesundheit zu erwarten, so wollten doch die Hispanier der ungesunden Luft und Feuchte dieser Provinz die Ursache ihrer Schwachheit zumessen und hofften, so sie sich von diesem Orte und der Luft abkehrten, ihrer Krankheit entledigt zu werden.
Deshalb erhob ich mich den nächsten Tag, dem angezeigten Meer zuzuziehen, liess etliche der Kranken in Hamacos [Hängematten], also heissen die indianischen Betten, deren Art ich hernach anzeigen will, tragen, dazu ich die Indios unsers Trosses gebrauchte und den Einwohnern zu verstehen gab: weil sie grosse Herren wären, würden sie getragen. Andere ließen wir reiten, die Gesunden und die, denen die Rosse gehörten, ab- und die Kranken, einen hinter dem andern, aufsitzen; und also, soviel als möglich, dissimulierten wir gegenüber den Indios, damit sie nicht spürten, dass wir, die sie für untödlich achten, auch Krankheiten unterworfen seien. Denn so sie solches gemerkt, würde es uns nicht wenig Nachteil gebracht haben und, unbezweifelt, sie würden sich auch uns zu bekriegen haben unterstanden; demnach habt ihr zu bedenken, zu wie ungelegener Zeit sie uns angriffen hätten, und auch wie bekümmerlich es mir war, dieweil ich mich in so weitem und unbekanntem Land mit krankem und unwehrsamen Volk befand, damit ich weder zurück zu reisen noch weiter zu ziehen nützliche Wege sah. Da ich mich unter solchem Volk befand, deren Freundschaft ich mich nit länger dann die Zeit, da wir ihrer mächtig und sie schwach waren, zu versehen hatte, auch nicht wusste, welches Volk wir vor uns hatten, welches dieser Provinz Variquecemeto Feind war, und da wohl zu ermessen war, dass es ein wehrsames Volk wäre, dieweil sie dieser Flecken, welche die stärksten an Gebäuden und Volk waren, Feindschaft mochten erleiden und widerstehn.
Dieses alles konnte mich aber fortzuziehen und meinen vorgenommenen Weg weiterzureisen nicht hindern, denn wir uns wenigs Gut zu versehen, wieder zurück zu ziehen und bei der Nation Xaguas der Kranken Gesundheit zu erwarten. Denn das wäre uns von den Naturales oder Indios für Furcht und Zagheit angerechnet worden, und damit unser Credito und Glaube und die Furcht, die sie ob uns hatten, geschmälert und sie dadurch erst verursacht worden wären, sich gegen uns zu erheben. Also, unter zweien Bösen das wenigst arge zu wählen, zog ich dergestalt, wie vorgesagt, mehr Zigeunern und Krüppeln denn Kriegsleuten gleich, meiner Wege. Mir wurden von diesen Pueblos oder Flecken bei zweihundert Indios unsern Plunder zu tragen, auch den Weg bis ins Gesicht der Flecken ihrer Feinde, welche eine andere Nation, Cuybas geheissen, gegeben; denen ich zusagte, sie aus der Feinde Land an ihre Gewahrsame wieder zu geleiten. Denn, wie ihr zuvor gehöret, so ward unser Trossvolk größtenteils gebraucht, die Kranken zu tragen. Als wir aber diese Indios, so uns den Plunder trugen, vorgehen liessen und ihrer keine Acht hatten, auch uns von ihnen gar keinen Betrug besorgten, allein vermeinend, dass sie so voraneilten, weil so schwer beladen gingen und die Last zu ringern suchten; sie trugen aber diesen Plunder nicht über zwo Meilen Wegs und liessen es alles in weitem Feld, am Weg, da wir fürziehen mussten, stehn und gingen davon, vielleicht besorgend, wir würden sie bis in ihrer Feinde Land bringen und sie alsdann zwingen uns ferner zu dienen, und das Zugesagte nit Glauben halten. Nun hatten wir aber solchen Plunder fortzubringen nicht Leute.
So war uns auch nicht zu tun, den Plunder unter die Christen auszuteilen. Denn der Gesunden waren wenig, und wenn dieselben erst beladen und dadurch müde wären geworden, so hätten wir den Feinden, wenn sie uns angewendet hätten, keinen Widerstand tun mögen. Klaubten das nötigste so wir bedurften, daraus, solches unter die Christen aufgeteilt, und den Rest liess ich abwegs vergraben, bis auf die Wiederkunft, da ihn fortzubringen sonst kein Mittel vorhanden war. Denn es waren uns die Indios, so uns den Weg zeigen sollten, wie vorgesagt, entloffen, doch zu allem Glücke konnten ein kleins Knäblein und ein indianisch Weib, die den Indios, so uns verlassen, nicht folgen und blieben unter uns und bei den Christen, von denen die India von der Cuybas Sprach etwas konnte, aber doch nit wollte gestehen, dass sie den Weg wüsste.
[…]
Da wir nun reisten zwischen zweien Bergen in einem Tal an einem grossen Wasserfluss, Coaheri geheissen, denselbigen Tag soviel wir mochten bis zu Abends und keinen Flecken oder Bewohnung der Indios kundten ersehen, also ward uns etwas Angst, besorgend den Gebrech an Speis, da wir keinen Proviant hatten, da niemand vorhanden, der uns den trug. Schickte also morgens frühe zwen zu Ross, jeden an einen sondern Ort auf das Gebirg, die sollten auf die Höhe desselben reiten, dem Lande und, wo Rauch und Poblation wäre, nachzusehen, damit wir den nächsten Weg dahin nähmen und nicht etwa den Tag auch keinen Proviant erreichten, welches uns mutlos gemacht und hinter und vor sich zu kommen, uns Mühsamkeit würde verursacht haben. Die Gesandten kamen aber bald und mit guter Botschaft. Deren einer hatte auf dem Gebirge eine grosse Ebne und das Ende desselbigen Gebirgs ersehen, also dass wir nicht über ein Meil aus dem Tal auf die Ebne hätten, und wiewohl er weder Flecken noch Rauch gesehen, so war es doch zu hoffen, dass sie nicht fern von da wären und dass ein solches gut eben Land, dadurch nun solcher grosser Wasserfluss (an dem wir durch das Tal gereist) laufet, nicht unbewohnet oder öde bleibet. Da wir nun die Ebne erreichten, tat ich mich mit dem Volk auf eine Höhe, damit ich die Ebne und das Volk, so ich aussendete, übersehen kundt. Sendete also an vier Orte je zwen zu Roß. Die sollten den Strassen nachfolgen bis ungefähr ein Stund oder zwo, bis sie einige Pueblos oder Flecken und Feldbau funden, und folgends solches anzeigen. Denn wir hatten nit weniger Mangel an Proviant als Überfluss an Hunger.
Als ich mich aber auf der Hohe aufhielt und auf die Gesandten wartete, sahen wir an viel Orten des umliegenden Gebirgs Rauch aufgehen, daran wir erkannten, dass wir von den Einwohnern ersehen wären und diese Feuerräuch ein Flecken dem andern zur Kreide und Warnung gegeben wären. Und wiewohl wir ihrer Zusammenrottung hatten zu besorgen, so war uns doch lieb zu wissen, wo ihre Wohnungen wären, damit, so die Gesandten keinen Feldbau zu unserm Proviant fänden, wir sie überfallen und also den Gebrech der Speis beheben möchten. Denn die Notdurft des Essens übertraf die Furcht vor den Feinden, und waren etliche meines Volks sehr unwillig, als ob sie verführet wären; zudem so fehelten auch nicht Leut, wie dann gemeiniglich geschieht, die ihnen vorredeten, dass die Indios, wie vor gesagt, so von uns geflohen, uns allein darum verlassen hätten, dass sie vielleicht gewusst hätten, dass das Land nicht bewohnet sei, und damit sie nicht Hunger mit uns litten, sich also abgestohlen, um von uns mit Fug abzukommen und uns in Hungersnot, auch bis in Tod, zu stecken. Das ward aber mit diesem, als wir die Feuerräuch gesehen, als eine Anzeigung, dass Leut allda wohneten, abgestellet. Ich liess auch diese, die solchs und auch Kleinmütigkeit und aufrührerische Vorstellungen dem Volk vortrugen, nicht ungestraft. Denn da mich nit wenig Gefahr von meinen eignen Mitgenossen, die mir doch als ihrem Haupt gehorsam und schuldig Pflicht leisten sollten, zu besorgen hatte, wenn sich das Remedio oder Abhilfe nur einen Tag hätte verzogen.
Als aber nicht über lang der Ausgesandten zwen kamen, die etliche Häuser und umher etliche Getreidäcker ersehen und erfahren hatten, aber den Flecken öde und unbewohnet funden, so zogen wir denen zu und taten uns daselbst nieder; es waren nur sechs Häuser nahe bei einem Bache und in einer schönen Ebne, weshalb wir weit um uns das Land mochten übersehen. Und wiewohl das Getreid dieser umliegenden Äcker nit zeitig, so war es doch zu dieser Zeit der Notdurft mehr als reif! Denn ihm der Hunger und dem sehr frischen Wasser der Durst bessern Geschmack gaben, als wenn es zu überflüssiger Zeit der beste Wein und Rebhühner gewesen wären.
Diesen Abend schicket ich einen Hauptmann mit dreissig Mann zu Fuß, um der Flecken einen, dabei wir des Tags den Rauch gesehen, zu überfallen und, was sie an Einwohnern fingen, vor mich zu bringen, und mit ihnen, wie mit andern zuvor auch geschehen, Friede zu machen. Als aber die Gesandten einem der Pueblo oder Flecken bei Nacht nahe gewesen, also dass sie die Einwohner desselbigen bei ihren Feuern, so sie zu Kriegszeiten pflegen zu machen, bei guter Wacht und Wehr sahen und ausspaheten, fanden sie sich diese zu überfallen nit genügsam, kamen also ohne Ausrichten wieder. Aber mich mehreren Volks zu entblössen, fand ich nicht richtig zu tun. Da der Kranken viel waren, so hatte ich nicht Volk, das den gesagten Pueblo oder Flecken zu überfallen genugsam war; mussten auch etliche bei den Kranken und zu derselbigen Hut bleiben. Denn der Flecken war am Gebirge und an Orten, da mit den Rossen nichts zu schaffen und zu handlen war. Deshalb wir der Naturales oder Indios und, den Pueblo oder Flecken zu überfallen, nicht so mächtig waren, wie wenn wir die Hilfe der Ross gehabt hätten. Denn bei ihnen richtet einer zu Ross an Orten, da sie zu gebrauchen, mehr aus, wird auch mehr gefürchtet denn fünfzig zu Fuß.
Dieweil war mir aber nicht so eilend zu verreisen. Denn an diesem Ort, da ich mich niedergetan, welches freilich etwa eines umsetzenden Cacique oder Herren Meierhof war, denn daselbst allein sechs Häuser waren, die, wie ich achtete, allein zur Zeit, da sie die umliegenden Feldfrücht eintun, gebraucht und bewohnet werden, hatten wir ein gut und sicher Lager, drumher ganz eben, und wir konnten unsere Feinde, so uns die überfallen hätten wollen, von fern sehen und uns auch der Ross, welche unser meiste Wehr, Herz und Behelf waren, daselbst wohl gebrauchen; es gebrach uns auch nicht Wasser und Mais (das ist ihr Korn), auch nicht Hirschen-Wildpret, dessen wir täglich unsre Notdurft im Lager hatten. Denn daselbst deren viel sind und nicht schnell laufen, von wegen dass die Tier von den Indios, die weder Ross noch Hund haben, nicht vergrämt sind, auch derhalben zu Ross wohl gestochen worden. Als wir nun bei fünf Tagen allda gerastet, vermeinend die Kranken sollten sich allda etwas erquicken und erholen, was doch nicht geschah, sandte ich zehn zu Ross und fünfunddreissig zu Fuß, sie sollten auf der Ebne am Wasser hinauf suchen, ob sie einen Pueblo oder Flecken fanden, und so es an Orten wäre, da sie der Einwohner mächtig wären und diese sich gütlich für mich zu kommen nicht bereden wollten lassen, sie dazu zu dringen und, was sie fahen möchten, vor mich zu bringen, doch, soviel es sich leiden wollte, ihrer zu schonen, damit es nicht, so sie grossen Schaden erlitten und ihres Volks viel umkäme, eine Ursache würde, sie desto schwerer oder gar nicht zu Freunden zu bringen.
Denselbigen Tag, und etwan drei Meilen von dem Flecken, da ich lag, erreichten sie einen Pueblo oder Flecken, darinnen grosse Summa Indios bei ihrer Wehr und zur Gegenwehr in Übung waren. Als aber zwen zu Ross etwan ein Armbrustschuss von demselbigen Flecken, solchen und auch ihren Vorteil zu besichtigen, kommen waren und den Flecken mit Gräben umgeben fanden, sahen sie, dass es ihnen nicht möglich sei in den Pueblo oder Flecken zu kommen, da sie ungeschädigt von ihnen, am Anlauf oder Gräben, nit hätten abkommen mögen.
Also gebot der Hauptmann denen zu Ross sich nicht zu nähern; allein die zu Fuß gingen mit ihm, also dass die Einwohner allein die zwei ersten Pferd, so den Pueblo oder Flecken, wie gesagt, besichtigt und erspähet hatten) ersehen kundten; aber die andern acht Ross wurden von einem Getreideacker , welche so hoch sind, dass einer zu Pferd nicht mag gesehen werden, verborgen. Und als die Christen sich naheten, meist mit ihrem Vorteil, so sie kundten, und der Hauptmann sich zurückfliehend erzeigte, empfingen die Feinde ein Herz darob und gaben sich aus ihrem Vorteil, den Fliehenden, als sie vermeinten, nachzueilen. Ihrer waren ob fünfhundert. Die wurden von denen zu Ross, so sie nun im Getreideacker verborgen, hinterzogen und von denen, so sich fliehend erzeigt, also hinten und vorne angegriffen, auch deren im Scharmützel bei sechzig gefangen und achtundvierzig erstochen, der Rest in die Flucht gejagt. Aber der Christen wurden nur vier, und doch nit tödlich verwundet, auch ein Ross erschossen. Dieses war der erste Pueblo oder Flecken, darinnen wir die vergifften Geschoss fanden, welcher Art ich auch hernach anzeige. Von den Gefangenen aber, so vor mich kamen, liess ich sechs ledig, gab ihnen Schenkungen, ihren Herren zu bringen, befahl auch ihnen, wie andern Nationen zuvor auch, sie sollten was zu Friede dienet, ihnen sagen und anzeigen und auch ihre Caciques oder Herren zu mir kommen machen, da ich ihnen ihre Gefangnen ledig geben wollte, unter denen zwen Principal oder Fürnehme waren, deren einer sehr wund war, den ich verbinden und gut Tractament oder Unterhaltung tun liess. Also kam bis an den dritten Tag, nachdem ich die obgesagten Indios ledig gelassen, niemand, welches wir weder zu Gutem, noch Argem ihren Fürnehmen, wussten zuzurechnen. Etliche unter uns waren der Opinion oder Meinung, die umliegenden Indios versammleten sich, um uns zu überfallen und uns die Gefangnen mit Gewalt abzudringen. Andere aber vermeinten, es geschehe aus Furcht, welche ihnen durch gelittnen Schaden eingebildet sei, und sie getrauten sich nicht, besorgend, wir würden die, die also, um die Gefangnen zu ledigen und uns als Freunde zu huldigen kämen, auch fahen und ihnen nit Glauben halten. Denn wir niemand hätten, der unsern Gebrauch, so wir gegen die üben, die sich an uns ergeben, ihnen anzeigte und dem sie Glauben geben kundten.
Des dritten Tags an einem Morgen früh sendet ich aber zwen Indios, auch vorgesagter Gestalt, um die Caciques oder Herren vor mich zu bringen und ihnen das Tractament und Unterhaltung, das ihnen von uns, ob sie schon gefangen wären, geschehe, anzuzeigen, welches alles ich ihnen durch die India, so ich aus der Provinz Variquecemeto gebracht, sagen liess, die doch der Sprach der Cuybas nit überflüssig gelehrt war, aber deren wir uns doch behelfen mussten, wiewohl es auch nicht wenig hinderte, teils der Sprach halber, deren sie nicht geübt war, und teils auch weil es ein Weib war, die nit beherzt war mit der Tapferkeit, die wohl not war, ihnen das, was wir ihr befohlen, mit tapferem Gemüt zu sagen. Sie hatte auch vor denen als Widerwärtigen und Feinden ihrer Nation ein Entsetzen. Als ich nun diese auch ausgesandt und gelediget hatte, ritt ich denselbigen Morgen mit zwölf zu Fuß und acht Pferden auf Gejagd, und begaben uns, den Hirschen nachzujagen; kamen dem Pueblo oder Flecken, daraus die Gefangenen waren, sehr nahe und ins Gesicht einer grossen Multitud oder Menge der Indios, mit Weib und Kindern, auch mit Gewehr und Ungewehr, auf einer Höhe, so ob dem Flecken lieget. Bald liessen sie sich sehen, bald verbargen sie sich hinter ein Bühel, also dass wir nicht wussten, wozu es zu schätzen wäre. Denn dieweil Weib und Kinder auch darunter, kundten wir sehen, dass es keine Kriegsversammlung war; vielmehr vermeinten wir, die aus dem Flecken erhüben sich, den Pueblo oder Flecken zu verlassen und sich etwas abwegs in das Gebirge, wo sie nicht zu finden wären, zu verhausen. Demnach schicket ich mit Eile in das Lager nach der vorgesagten India, so ihnen gegenüber unsere Dolmetschin war; und als die herzugebracht war, etwa um drei Uhr nachmittags, entschlossen wir uns dem Pueblo oder Flecken uns zu nähern, also weit, dass wir einander reden hören kundten. Liess ich die Dolmetschin den Einwohnern zurufen, welche aber aus dem Pueblo oder Flecken keine Antwort gaben, also dass wir vermeinten, dass sie den Flecken depobliert und öde gelassen hätten. Ritten also mit guter Gewahr und Hinterhut von etlichen Leuten, die ich an Orte stellte, da sie die Höhe (darauf wir die Indios vormals gesehen) ersehen und uns, wenn sie sich wider uns wollten etwas unterstehen, kundten warnen. In diesem Pueblo oder Flecken funden wir aber niemand, bis wir beinahe in die Mitte des Fleckens kamen. Vor einem grossen Buhio, also heissen ihre Häuser, fanden wir, auf zweien Stühlen etliche Kleinode von Gold samt etlichen Häfen mit Speis und Wildpret, aber dabei sahen oder fanden wir niemanden. Als aber die India unsere Dolmetschin den Buhio oder das Haus und die Tür desselbigen vermeinet, wie zuvor andere, aufzutun, fand sie die Tür verriegelt und verschlossen und vernahm Leute darinnen, denen, ich durch diese sagen liess, sie sollten herauskommen und mir huldigen und Freundschaft mit mir machen. Denn ich wäre allein darum allda kommen und nicht, um ihnen Schaden zu tun. Dessen wollten sie sich aber lang nicht bereden lassen, antworteten heraus, wir sollten das Gold und anderes vor der Tür nehmen und ihnen ihre Gefangenen wieder schicken. Dagegen ich ihnen weiter sagen liess: Ich wäre von Golds wegen nicht da, hätte dessen selbst genug, auch ihnen Schenkungen höheren Werts gesandt, sie sollten sich willig herauszugehn begeben, ihnen sollte nicht Leids geschehen oder widerfahren. Wo sie aber solches nit tun würden, wollte ich das Haus, darinnen sie sich verschlossen hielten, anzünden lassen und verbrennen, welches das arme Volk nicht besorgete; vermeinten als in einer Veste beschlossen sicher zu sein. Also zuletzt taten sie die Tür auf, ging der Principal oder Fürnehmst und hernach einer nach dem andern heraus, deren etwa bei hundert waren, ein stark und freidig Volk, auch bei guter Wehr. Und als ich ihnen sagen liess, was sie damit vermeinten, dass sie gedächten mir Widerstand zu tun, dieweil ich doch sie, ja ihrer ein ganzes Heer durch ein einzig Ross, so ich wider sie schicket, mächtig genugsam wäre sie zu verderben, um so mehr, als ich der Ross der Menge hätte. Und da etliche unter uns auf den Rossen die Hirschen, so wir gefangen, hinter sich führten, liess ich ihnen sagen, wie töricht zu uns zu widerstehen vermeinten, da doch ein Hirsch bei all seiner Schnelle uns nicht entgehen möchte, und dass das Scharmützel, das kurz zuvor mit ihnen gehalten sei, allein aus Zorn der Rosse geschehen wäre, denen wir wegen ihres Ungehorsams und Zornes nicht ganz hätten widerstehen können, sondern ihnen etwas wenigs hätten willfahren müssen, ihnen ihren Willen zu lassen. Denn meine Meinung sei nicht gewest ihnen Leids zu tun, sondern friedlich mit ihnen zu handlen. Denn so ich es arg gegen sie gemeint, wäre ich mächtig gewest, sie alle zu verderben und keinen davonkommen zu lassen; und machte mich nur trefflich mausig, ihnen eine Furcht einzustecken und doch ihnen einzubilden, dass wir's freundlich mit ihnen meinten. Sie entschuldigten sich anfänglich; da sie uns nicht erkannt und auch nichts von uns gewusst, hätten sie sich vor uns als vor solchen, von denen sie sich anders nichts denn was Feinde zu tun pflegen, versahen, wehren wollen. Aber itzt nachdem sie meine Gesandten anders und, warum wir da wären, hätten vernommen, wären sie auf dem Wege gewest uns heimzusuchen und sich auch an uns zu ergeben, denn die vergangenen Tage seien sie, weil sie ihre Abgestorbenen, so von uns erwürgt oder entleibet worden, zu begraben hatten, verhindert. Und als sie uns itzt von fern kommen sahen, hätten sie besorget, dass wir sie zu bekriegen kämen, darum sie ihr Weib und Kind in das Gebirge versendet hatten und sich eingesperrt, sich vor dem ersten Anrennen so zu sichern, bis wir ihre Meinung, sich als unsere Freunde an uns zu ergeben, friedlich von ihnen vernähmen. Sie gaben mir auch das Gold, so ich, wie vorgesagt, auf den Stühlen vor dem Buhio oder Haus liegen fand, des ich mich erstlich zu nehmen widersetzte, damit sie nicht dächten, dass wir darum kommen wären und uns mit vielem Golde begehrten zu beladen. Also sandte ich einen Teil der Ihren, befehlend, ihre Weiber und Kinder wieder in ihre Flecken und wie zuvor in ruhige Behausung zu bringen, damit ich an ihrer ungefälschten Freundschaft nicht zweifelte. Die andern nahm ich mit mir, gab ihnen auch ihre Verwandten, so unsere Gefangenen waren, wieder, samt etlichen Schenkungen von Messern und gläsernen Paternostern, so bei ihnen sehr hoch geacht sind, befahl ihnen auch die umliegenden Flecken ihrer Nation und Freunde zu mir kommen zu machen und auch dass sie sie beriefen, Friede mit mir zu bestätigen.
Es kamen also in nachfolgenden neun Tagen, so ich noch in dem Flecken war, darinnen ich mich anfänglich hatte niedergetan und still lag, etliche der umsitzenden Caciques oder Herren, mich heimsuchend und auch Schenkung bringend, die ich auch als Freunde hielt. Denn mir war der Verzug an diesem Orte, um die Nation zu befrieden, die Sitten und Macht der Einwohner und was sonst zu erfahren notwendig, nicht wenig dienlich, um der Sicherheit des Fortreisens willen, samt dem wir uns versahen, der Kranken Gesundheit zu erwarten, auch weil wir solche ihre Schwachheit, als Fieber und etliche offene Schäden, die von dem Wasser werden geursacht sein, nicht für langwierig achteten. Wir hatten aber die Tage, die wir still lagen, mehr Krankheit denn Gesundheit zu erwarten; denn solche Krankheit war nicht, als wir es geachtet hatten, durch die feuchte Provinz Variquecemeto verschuldet, sondern von der Arbeit und der Reise, die wir vier Tag durchs Wasser taten, samt der ungewöhnlichen flüssigen, auch zu Zeiten unreifen Speis, denn an solchen, die einem herabkommenen Menschen zur Gesundheit helfen, hatten wir Gebrech.
Also zog ich aber mit Mühe und Arbeit der Kranken halber wie zu Variquecemeto auch, von diesem Flecken auszog, das ander Meer zu erreichen, welches von der Nation Cuybas nit fern sein sollte; das sie mir aber für näher, als es an sich selbst war, angezeigt hatten, damit sie uns fortbekämen. Denn wohl zu bedenken, dass, wie friedlich wir doch bei ihnen lebten, nicht willkommene Gäste waren.
[Das Südmeer fanden Federmann und seine Truppe natürlich nicht. Das große Wasser, von dem die Indios erzählten, war der Orinoko. Federmann zog aus den Sümpfen im Stromgebiet über die Berge zurück.]
Klüpfel, Karl (Hg.)
N. Federmanns und H. Stadens Reisen in Südamerika 1529 bis 1555
Stuttgart 1895