1690 - Engelbert Kämpfer
Die Hauptstadt Ayuthia
Thailand
Diese Stadt stand ehemals an dem westlichen Ufer des großen Flusses Menam, von da sie mit einer Insel in diesem Flusse an ihre jetzige Stelle versezt wurde. Diese Insel hat ohngefehr die Figur eines platten Fußes, dessen Ferse nach Westen gekehrt ist, und im Umfange zwei deutsche Meilen. Die Gegend umher ist, so weit man absehen kan, eben, und das Land niedrig und plat. Es ist mit vielen Wassergängen aus dem großen Flusse durchschnitten, und dadurch in viele Inseln und Kämpe zertheilt, so daß man hier ohne Kahn nirgends weit fortkommen kan. Sie ist mit einer Mauer von Baksteinen umgeben, welche an der Süd- und Nordseite vier und ein halb Klafter hoch, schön und oben bedekt ist, an den übrigen aber ganz niedrig und verfallen war. Diese Mauer ist durch viele kleine Pforten durchgebrochen, durch die man an den Flus gelangen kan, und inwendig mit einem hie und da anliegenden Walle oder Erdhaufen, auf welches man Geschüz pflanzen kan, versehen. Nach der Seite hin, wo der Strom hinabfliest, hat sie noch verschiedene kleine Bolwerke und ein großes, welche mit Geschüz besezt waren, um feindliche Schiffe abzuhalten. Wider das Anspülen des Wassers ist sie mit einem schmalen Erdufer umgeben, auf welchem hin und wieder kleine Wohnhütten gebauet sind.
Verschiedene breite Graben sind aus dem Strome gerade durch die Stadt gezogen nach Osten, Westen, Norden und Süden, so daß man allenthalben in die Stadt hineinschiffen, und an den vornehmsten Häusern und Höfen anlegen kan, weil von diesen wieder viele kleinere Canäle in jene Graben abgeleitet sind. Die Gassen in der Stadt sind gleichfals ganz gerade angelegt; die meisten sind ziemlich breit, manche aber auch sehr enge und alle ausnehmend kothig und schmutzig. Verschiedene werden bei hohem Wasser allemal überschwemt.
Die Stadt ist nach ihrer Größe nicht volkreich, und in einigen Theilen sehr wenig bewohnt; in dem westlichen nemlich wegen der Entfernung, im südlichen wegen des morastigen Grundes, worüber man sich durch überliegende Bretter und schlurdige Brücken forthelfen mus. In diesen Theilen der Stadt findet man hinter den Gassen leere Plätze und große Gärten, in denen man aber die Natur allein Gärtner seyn läst. Allenthalben ist die Erde mit Gras, Büschen und Bäumen ins wilde bewachsen. In die beste Gasse kömt sogleich beim Eintrit in die Stadt, sie krümt sich gerade nach der Richtung der Stadtmauern westwärts. Man sieht in derselben die Häuser des ehemaligen englischen, holländischen und französischen Residentens und auch des Faulcons. Die mitlere Gasse, welche nordwärts und gerade nach dem königlichen Pallast läuft, ist am meisten bewohnt, und mit Künstlern, Handwerkern, Krämern und Boutiquen stark besezt. In diesen beiden Gassen sieht man über hundert sehr kleine Häuser der Sineser, Hindostaner und der sogenanten Mohren. Sie sind alle von Steinen, aber ganz auf einerlei Art gebauet, acht Schrit lang, vier Schrit breit; haben zwei Stokwerk, aber nicht mehr als drittehalb Klafter Höhe. Sie sind mit platten Dachsteinen gedekt, und mit unförmlich breiten Thüren versehn.
Die übrigen Gassen sind sehr wenig bewohnt, und die gemeinen Bürgerhäuser gar schlechte Hütten von Brettern und Bambusrohr (ein holer Ried, zwei bis drei Span dik) erbauet, und mit Gabbe Gabbe, (einem wilden in Sümpfen wachsenden Palmstrauch) bedekt. Die Mandarine (Räthe und Hofleute) wohnen in Höfen und sehr schlechten Pallästen, deren Boden kothig, die Zimmer schlurdig, und die Gebäude selbst zwar von Kalch und Steinen, aber doch sehr einfältig sind. Die Boutiquen in der Stadt sind niedrig und schlecht, doch gerade und nach der Richtung der Gasse ziemlich abgemessen. Wegen der vielen Wassergraben findet man der Brücken eine große Menge. Die, welche über Hauptgraben gehen, sind von Stein erbauet, mit Brustmauern versehen und sehr schmal, (weil man hier gar keine Karren oder Wagen hat) in der Mitte hoch und achzig Schrit lang. Die Brücken über die kleinern Canäle sind von schlechter Bauart und meist hölzern.
Käempfer, Engelbert
Geschichte und Beschreibung von Siam
Hrg. von Christian Wilhelm Dohm, Band 1, Lemgo 1777