Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1165 - „Rabbi“ Benjamin von Tudela
Jerusalem

 

Jerusalem ist eine kleine Stadt, mit drei Mauern befestigt. Sie wird bewohnt von Jakobiten, Syrern, Griechen, Georgianern und Franken, so zu sagen von allen Nationen. Den Platz, der hier sehr geeignet zu Färbereien ist, pachten die Juden jährlich dem Könige ab, damit Niemand anderer dies Geschäft daselbst ausübe. Hier gibt es 200 Juden, welche in einem Winkel der Stadt unter dem Thurme Davids wohnen. An diesem sieht man noch die alten Grundmauern, die unsere Väter gebaut haben, bis zu zehn Ellen Höhe; das Übrige bauten die Araber; wohl ist er das festeste Gebäude der Stadt. Daselbst sind auch zwei Hospitäler; aus dem einen daselbst ziehen 400 Ritter in den Krieg; dort finden auch alle Kranken vollständige Versorgung während der Krankheit und nach dem Tode Begräbnis. Eines davon heißt das Hospital Salomons (es ist der von Salomon erbaute Palast), von wo aus die 400 Ritter in den Krieg ziehen, jene Ritter ausgenommen, welche aus dem Frankenreiche und den übrigen christlichen Ländern kommen, um ihr Gelübde hier während eines oder zwei Jahren Aufenthalt zu lösen.
   Hier sieht man die große Kirche des heiligen Grabes, wo das Grab des Mannes ist, weswegen alle diese Kirche besuchen.
   Jerusalem hat vier Thore, nämlich: das Thor Abrams, Davids, Sions und Josaphats, gegenüber dem alten Tempelgebäude. An der Stelle des alten Tempelgebäudes hat der Kalif Omar, der Sohn Catabs, ein großes und prachtvolles Bauwerk errichtet, woselbst kein Bild sich findet, sondern man besucht nur dasselbe um dort zu beten. Gegenüber der Moschee sieht man an der Westseite noch eine der Tempelmauern, die man die Pforte der Barmherzigkeit nennt, und woselbst alle Juden zum Gebet sich versammeln. Im Palaste Salomos sieht man jetzt noch die Pferdeställe, die er aus großen Werkstücken erbaute, so wie auch den Teich, wo man die Opfer schlachtete. Alle Juden schreiben hier in die Wand ihre Namen ein.
   Geht man durch das Tor Josaphats hinaus, so liegt davor die Völkerwüste, wo sich das Standbild Jad Abschalom findet, so wie das Grab des Königs Osias und die große Quelle der Wasser von Siloa im Tale Cedron, woselbst auch noch ein Gebäude aus alter Zeit steht. Hier ist aber wenig Trinkwasser, so daß die meisten Leute in Jerusalem Cisternenwasser trinken. Aus dem Tale Josaphats steigt man zum Ölberge herauf, indem es Jerusalem von dem Ölberge scheidet. Vom Ölberg aus sieht man das Tote Meer, von wo aus bis zur Salzstatue von Lots Weib zwei Parsangen sind. Durch das Ablecken der Statue von den Viehherden wird sie zwar geringer, doch wächst sie bald wieder zum nämlichen Umfange. Auch übersieht man von da aus die ganze Ebene und den Schittimstrom bis zum Berg Nebo. Vor Jerusalem liegt der Berg Sion, auf welchem, außer einer christlichen Kirche, kein anderes Gebäude gesehen wird.
   Vor Jerusalem befinden sich drei alte Begräbnisstätten der Juden, an einem Grabe ist die Zeit eingegraben. Doch verwüsten die Christen immer mehr die Gräber, indem sie die Steine zum Häuserbau verwenden.
   
Tudela, Benjamin von
Reisetagbuch
Übersetzt von Adam Martinet
Berlin 1918

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