Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1539 - Ulrich Schmiedel
Die Gründung von Asunción
Paraguay

 

Die Stadt, die seine Bewohner Lampere nennen, ist mit zwei Stockaden oder Brustwehren, von Holz gemacht, ringsherum eingezäunt. Und jeder Stock oder Holz ist so dick wie ein Mann. Und die eine Stockade ist von der anderen 12 Schritte entfernt. Die Hölzer sind einen Klafter tief unter die Erde gemacht und eingegraben, und über der Erde sind sie ungefähr so hoch, wie man mit einem Rapier [Degen] reichen mag. Es gab auch Schanzgräben; auch hatten sie 15 Schritte von ihrer Stadtmauer entfernt Fallgruben, drei Mann tief. Darin steckte in der Mitte ein Spieß aus hartem Holz, der oben wie eine Nadel zugespitzt war und nicht über die Erde reichte. Diese Gruben haben sie mit Stroh zugedeckt, kleine Reiser darüber gelegt und ein wenig Erde und Gras darüber geschüttet, damit wir Christen, wenn wir ihnen nachlaufen oder ihre Stadt stürmen wollten, hineinfielen. Sie haben aber diese Gruben für sich selbst gebaut, denn sie sind letztlich dort hineingefallen. Als unser Oberster Hauptmann Don Johan Eyollas all unser Volk - es waren nicht viel über 300 Mann, denn 60 hatte er in unseren vier Brigantinen oder Ruderschiffen zu deren Verteidigung gelassen - in guter Ordnung und Rüstung gegen ihre Stadt Lampere zog, nahmen sie uns auf eine Entfernung von einem guten Büchsenschuß wahr mit ihrem Volk, das 4.000 Mann stark war in ihrer Rüstung und Wehr mit Bogen und Flitschen. Sie entboten uns, wir sollten uns wieder zu unseren Schiffen wenden und zurückzugehen, dann wollten sie uns mit Proviant und aller Notdurft versehen, damit wir in Frieden zurückkehren und davonfahren möchten. Aber dieses Anerbieten war weder unserem Obersten Hauptmann noch uns angenehm und gelegen. Denn dieses Land und dieses Volk stunden uns sehr wohl an, insbesondere wegen der Speise, dieweil wir in den letzten vier Jahren keinen Bissen Brot gesehen noch gegessen hatten und uns nur mit Fisch und Fleisch hatten behelfen müssen, und auch daran hatten wir oft großen Mangel gelitten.
   Da nahmen die Carios ihre Bögen und Wehren, empfingen uns damit und hießen uns willkommen. Doch wollten wir ihnen erstlich nichts tun und ließen ihnen anzeigen, sie sollten Frieden halten, da wir doch ihre Freunde sein wollten. Aber sie wollten sich nicht daran kehren, denn sie hatten unsere Büchsen und Wehren noch nicht versucht. Und als wir ihnen näher waren, ließen wir unser Geschütz auf sie abgehen. Als sie das hörten und sahen, dass viel Volk zu Boden fiel, obwohl sie doch weder eine Kugel noch einen Pfeil, sondern allein ein Loch im Leib sehen konnten, hielten sie es für ein Wunder, erschraken darob und flohen allesamt. Dabei fielen sie übereinander wie die Hunde. Während sie also zu ihrem Flecken eilten, fielen in solchem Tumult an die 300 in die vorher erwähnten und von ihnen hergerichteten Gruben.
   Danach kamen wir Christen zu ihrer Stadt und griffen dieselbe an. Aber sie wehrten sich, so viel ihnen möglich war, bis zum dritten Tag. Als sie sich aber nicht weiter halten konnten, zumal sie auch um ihre Weiber und Kinder fürchteten, die sie noch in der Stadt hatten, baten sie um Gnade und versprachen, sie wollten durchaus nach unserem Willen leben, wenn wir ihnen nur das Leben ließen. Auf unserer Seite sind bei diesem Scharmützel 16 Mann umgekommen. Sie brachten auch unserem Hauptmann Eyollas sechs Frauen, von denen die Ältesten etwa 18 Jahre alt waren. Sie präsentierten ihm auch sechs Hirsche und noch anderes Wildbret und baten uns, bei ihnen zu bleiben. Jeder Kriegsmann bekam zwei Frauen, die ihn umsorgen und auf jede Art pflegen sollten. Auch gaben sie uns zu essen und was wir sonst noch nötig hatten. So wurde zwischen uns und ihnen Friede gemacht.
   Danach mussten die Carios uns ein großes Haus bauen aus Stein, Erde und Holz, damit, falls es sich begäbe, sie in Aufruhr gegen die Christen gerieten und die einen Schutz brauchten, von dem aus wir uns gegen sie wehren vor ihnen schützen möchten. Diesen Flecken hatten wir am Tag Maria Himmelfahrt Anno 1539 [1537?] gewonnen und demselben auch diesen Namen gegeben, den er bis auf den heutigen Tag behalten hat. Dort blieben wir zwei Monate lang.
   
Vierte Schiffart. Warhafftige Historien. Einer wunderbaren Schiffart, welche Ulrich Schmiedel von Straubing von Anno 1534 biß Anno 1554 in Americam oder Neuwewelt, bey Brasilia vnd Rio della Plata gethan …
Hrg. von Levinus Hulsius
Nürnberg 1602

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