Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1841 - James Clark Ross
Eiskante und Vulkane in der Antarktis: Erebus und Terror

 

Mit gutem Winde und bei klarem Wetter steuerten wir südlich nach einem Lande, welches wir seit gestern Mittag in Sicht hatten und dem wir den Namen die hohe Insel beilegten; es erwies sich aber als ein Berg von 12.400 Fuß Höhe, welcher Rauch und Feuer spie; zuerst sah der Rauch wie eine Schneewolke aus, aber als wir näher kamen, zeigte sich bald sein wahrer Charakter.
   Die Entdeckung eines tätigen Vulkans unter so südlicher Breite ist gewiß von hoher geologischer Bedeutsamkeit und Interesse und kann auf die physische Beschaffenheit unseres Planeten einiges Licht werfen. Ich nannte ihn Erebus und ein erloschener Vulkan östlich von demselben, der 10.900 Fuß hoch war, erhielt den Namen Terror.
   Um vier Uhr nach mittags (28. Januar) befanden wir uns unter 76° 6‘ südlicher Breite und 168° 11‘ östlicher Länge. Die Inklination der Magnetnadel war 88° 27 ‚ südlich und die Inklination 95° 31 ‚ östlich. Demnach befanden wir uns schon sehr weit südlich vom magnetischen Pol, ohne daß sich eine Möglichkeit zeigte sich ihm zu nähern, denn das Landeis vereinigte sich nicht weit von uns im Westen mit der Westspitze der vermeinten hohen Insel, die sich später als ein Teil des festen Landes auswies. Als wir uns mit allen Leesegeln dem Lande näherten, bemerkten wir eine niedrige weiße Linie, die sich von seiner äußersten östlichen Spitze, so weit das Auge sehen konnte, nach Osten erstreckte. Sie wurde allmählich höher; wie wir näher kamen, erwies sie sich als eine senkrechte Eismauer von 150 – 200 Fuß Meereshöhe, oben vollkommen eben und nach der Seeseite ohne Spalte oder Vorsprung. Was dahinter war, war unmöglich zu entdecken; denn da dieser Wall viel höher war als unsere Mastspitze, konnten wir nichts sehen als die Gipfel einer hohen Bergkette, die sich bis zum 79. Breitengrad nach Süden erstreckte. Dieses Gebirge, das südlichste bis jetzt von mir entdeckte Land, nannte ich nach dem Kapitän Sir Edward William Parry, in dankbarer Erinnerung der mir erwiesenen Ehre, daß er dem nördlichsten bekannten Lande meinen Namen beilegte, und noch mehr in Anerkennung der Aufmunterung, des Beistandes und der Freundschaft, die er mir während der vielen Jahre, wo ich unter diesem Mann gedient habe, erwiesen hat. Ob das Parry-Gebirge sich wieder ostwärts wendet und die Basis bildet, an welcher diese merkwürdige Eismasse festhängt, muß späteren Seefahrern zu bestimmen überlassen bleiben. Wenn sich weiter im Süden Land befindet, so muß es sehr entfernt sein oder eine viel geringere Höhe haben als die übrigen Teile der Küste, sonst hätte es sich über dem Walle zeigen müssen.
   Ein solches Hindernis zu finden war für uns eine sehr verdrießliche Täuschung, denn wir hatten bereits im Geiste den 80. Grad weit hinter uns und sogar für den Fall zufälliger Trennung dort eine Rendezvous verabredet. Das Hindernis war jedoch derart, daß uns über den einzuschlagenden Weg keine Wahl übrig blieb, denn man könnte mit eben so viel Aussicht auf Erfolg versuchen, durch die Klippen von Dover zu segeln, wie durch diese Eismasse. Als wir noch vier oder fünf Meilen davon entfernt waren, wendeten wir uns östlich, um ihre Ausdehnung zu ermitteln, nicht ohne einige Hoffnung, noch weiter südlich vorzudringen. Von dem äußersten Punkte im Westen bildete die ganze Küste eine senkrechte Eisklippe von 200 bis 300 Fuß Höhe. Das östliche Kap am Fuße des Terrorberges nannte ich nach meinem Freund und Kollegen Cap Crozier, und das westliche Vorgebirge, den Ausläufer des Erebus, nach meinem ersten Leutnant Cap Bird. Diese beiden Vorgebirge bilden die einzigen auffälligen Spitzen der Küste, da die Bucht zwischen ihnen von unbeträchtlicher Tiefe ist. Um vier Uhr nachmittags war der Vulkan Erebus ungewöhnlich viel Rauch und Feuer aus und bot einen höchst großartigen Anblick dar. Bei jedem Ausbruch wurde eine dichte Rauchwolke mit großer Gewalt emporgetrieben und stieg als eine Säule von 1.500 bis 2.000 Fuß über dem Krater in die Höhe, wo sich ihr oberer Teil zuerst kondensierte und als Nebel oder Schnee herabfiel. Allmählich verschwand sie, um nach einer halben Stunde von einer neuen Rauchsäule ersetzt zu werden. Der Durchmesser der Rauchsäule war unserer Schätzung nach 200 – 300 Fuß; so oft der Rauch sich entfernte, war die rote Glut, welche die Mündung des Kraters ausfüllte, deutlich zu erblicken; einige Offiziere glaubten Lavaströme zu sehen, die am Abhang des Berges herabflossen, bis sie sich unter dem Schnee, welcher ein paar Hundert Fuß unter dem Krater anfing, verloren. Der Vulkan Terror war viel freier von Schnee, vorzüglich auf seiner Ostseite, wo sich viele kleine, kegelförmige, kraterähnliche Hügel befanden, die jedenfalls alle zu ihrer Zeit tätige Vulkane gewesen waren, zwei sehr auffällige Spitzen dieser Art bemerkten wir in der Nähe von Cap Crozier. Das Land zwischen Cap Crozier und Cap Bird, über dem sich die beiden Vulkane Erebus und Terror erhoben, erschien uns von unserer gegenwärtigen Stelle aus als eine Insel; aber das feste Eis, das uns nicht erlaubte, westlich von Cap Bird vorzudringen, gestattete uns vor der Hand nicht, die Wahrheit unseres Dafürhaltens zu untersuchen.
   Das Wetter war ausgezeichnet schön, und begünstigt von einer frischen nordwestlichen Brise machten wir beträchtliche Fortschritte in südöstlicher Richtung, dicht an den senkrechten Klippen des Eiswalles entlang.

 

Ross, James Clark
Entdeckungsreise nach dem Süd-Polar-Meer in den Jahren 1839 - 1943
Leipzig 1847

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