Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1787 - Robert Burns
Ein Brief vom Loch Lomond

 

Bei unserer Rückkehr auf den gastlichen Landsitz eines Highland-Gentleman trafen wir auf eine lustige Gesellschaft und tanzten, bis uns die Damen um drei Uhr in der Frühe verließen. Unsere Tanzerei hatte nichts von den faden gestelzten französischen oder englischen Bewegungen; die Damen sangen in den Tanzpausen wie die Engel schottische Lieder; und wir flogen nur so umher zu [den Gruppentänzen] Bab at the Bowster, Tullochgorum, Loch Erroch Side und so weiter – wie Mücken im Widerschein der Abendsonne oder Krähen vor dem Herbststurm an einem Herbsttag.
   Als uns die lieben Damen verließen, versammelten wir uns um die Punschschüssel bis zur gutkameradschaftlichen sechsten Stunde - nur ein paar Minuten gingen wir hinaus, um der strahlenden Leuchte des Tages unsere Reverenz zu erweisen, die über den hoch aufragenden Gipfel des Ben Lomond blitzte. Wir knieten alle nieder, und der Sohn unseres Gastgebers hielt die Punschschüssel. Jeder hatte ein volles Glas in der Hand, und ich als Priester rezitierte irgendeinen gereimten Unsinn, ich denke, so etwas wie die Prophezeiungen von Thomas the Rhymer [schottischer Wahrsager des 14. Jahrhunderts].
   Nach einer kleinen Erfrischung durch ein Geschenk des Gottes Somnus brachen wir auf, um den Tag auf dem Loch Lomond zu verbringen, und kamen am Abend nach Dumbarton. Wir aßen bei einem anderen Kameraden zu Abend und machten uns dann über die Flaschen her. Als wir das Haus verließen, waren wir noch nicht richtig närrisch, aber recht fröhlich. Meine beiden Freunde und ich ritten ganz nüchtern am See entlang, bis ein Hochländer im Galopp daher kam. Sein Pferd war ganz gut, aber noch nie mit Eisen oder Leder versehen gewesen. Wir wollten uns auf keinen Fall von einem Hochländer überholen lassen, und so gaben wir unseren Pferden Sporen und Peitsche. Meine Begleiter, obwohl scheinbar gut beritten, fielen deutlich zurück. Aber meine alte Mähre, Jenny Geddes aus der Familie der Rosinante, zog am Hochländer vorbei trotz aller seiner Plackerei mit dem Zügel. Gerade, als ich an ihm vorbei wollte, riss Donald [der Hochländer] sein Pferd herum, als ob er mir den Weg abschneiden wollte; da stürzte es und beförderte seines Reiters hosenloses Hinterteil in eine gestutzte Hecke. Und auf das alles stürzte nun Jenny Geddes, und meine Dichterschaft geriet zwischen sie und des Hochländers Pferd. Jenny Geddes stieg mit so vorsichtiger Ehrerbietung über mich hinweg, dass es nicht so schlimm wurde, wie man eigentlich hätte erwarten können; also kam ich mit ein paar Kratzern und blauen Flecken aus der Sache heraus und mit dem festen Vorsatz, in Zukunft ein Muster an Nüchternheit zu sein.
   Bis jetzt habe ich mich noch nicht festgelegt, was die ernsthafte Seite des Lebens betrifft. Ich bin, wie immer, ein reimender, freimaurerischer, schräger, zielloser, fauler Geselle. Aber ich werde bald irgendwo einen Bauernhof haben – beinahe hätte ich gesagt, auch eine Frau. Aber dieser Segen darf mir nicht zuteil werden. Ich bin bloß ein jüngerer Sohn aus dem Haus des Parnass, und wie andere jüngere Söhne aus feiner Familie kann ich mich mit Liebschaften abgeben, wenn ich das Risiko nicht scheue, aber heiraten darf ich nicht.
   Ich fürchte, ich habe mir eine und in der Tat die wichtigste Quelle meines früheren Glücks zum Versiegen gebracht: den ewigen Hang, mich immer wieder zu verlieben. Mein Herz glüht nicht mehr in fieberndem Entzücken. Es gibt keine paradiesischen abendlichen Treffen mehr hinter dem Rücken der unablässig aufmerksamen und neugierigen Bewohner dieser elenden und langweiligen Welt. Ich habe nur ***. Sie ist Euch flüchtig bekannt, hat eine gute Figur und feine Manieren, und hat im Gefolge großer Leute, die Ihr kennt, die vornehmsten Gegenden Europas besucht. Ich mag sie schon ganz gern; was mich aber verstimmt, ist ihr Benehmen zu Beginn unserer Bekanntschaft. Wenn ich in … war, habe ich sie oft aufgesucht, und nachdem ich immer wieder die einzelnen Stufen zwischen der formalen Verbeugung auf Entfernung und dem intimeren Griff um die Taille durchgespielt hatte, wagte ich mich unvorsichtigerweise weiter vor und sprach in zweideutigen Worten über Freundschaft; nach ihrer Abreise schrieb ich ihr auch in gleicher Weise. Das Fräulein entnahm meinen Worten mehr als ich selbst hatte hineinlegen wollen und ging in einer Wolke von weiblicher Würde und Zurückhaltung in die Luft wie eine Nachtigall an einem Morgen im April und schrieb mir eine Antwort, die mir klar machte, welch weiten Weg ich noch zurückzulegen hätte, bevor ich ihrer Gunst teilhaftig werden könne. Aber in diesem Sport bin ich ein alter Jagdfalke; ich schrieb ihr eine kühle, wohlerwogene und zurückhaltende Antwort, die mein Vögelchen platsch aus den Lüften vor meine Füße fallen ließ wie Corporal Trim's Hut [Romanfigur aus Tristram Shandy von Laurence Sterne].
   Was ich sonst so treibe, meine Kriege, meine weisen Worte, und warum mein Pferd Jenny Geddes heißt, alles das wird in ein paar Wochen in Linlithgow den Archiven eures Gedächtnisses anvertraut von
   Robert Burns.

 

Burns, Robert; Mackay, James A. (Hrg.)
The complete letters
Ayr 1987
Übersetzung: U. Keller

Abgedruckt in:
Ulrike Keller (Hrg.)
Reisende in Schottland seit 325 v. Chr.
Wien 2008

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