Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1770 - Carl-Peter Thunberg
Häuser und Hausgerät in Japan

 

Die Häuser der Japaner sind von Fachwerk und weiß übertüncht, und sehen daher von außen völlig wie steinerne Gebäude aus. Ihre Bauart ist ganz besonders. Das Holz hat nur senkrechte und horizontale Richtung; schräg, wie sonst bey Fachwerk zu geschehen pflegt, ist nichts davon angebracht; es besteht daher bloß aus Solen, Balken, Riegeln und Stendern. Diese alle sind viereckig und nicht dick. Die Fächer zwischen denselben werden mit Bamborohr zugeflochten, und dieses mit Mörtel von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verklebt. Die Mauern oder Wände werden daher eben nicht dick.
   Jedes Haus nimmt einen ansehnlichen Raum ein. Im Hause selbst hat man gar keine Zwischenwände. Es wird bloß von den Stendern unterstützt. Zwischen diesen sind an der Decke und dem Fußboden andre Querhölzer, mit eingehauenen Vertiefungen oder langen schmalen Einschnitten angebracht, die zur Abtheilung der Zimmer dienen. Anfangs macht also das ganze Haus ein einziges Zimmer aus, daß sich vermittelst dieser Querhölzer durch überzogene Rahmen, oder einzelne, kleine, leichte Wände, die nach Belieben eingesetzt, weggenommen oder hinter einander geschoben werden können, in mehrere abtheilen läßt. Diese Rahmen bestehen aus lackirten hölzernen Leisten, die mit dickem, mit Farbe überstrichenem und daher undurchsichtigem Papiere überzogen werden, und in jene Vertiefungen sehr bequem und nett einpassen. Dergleichen Zimmer wurden für uns und unser Gefolge auf der Reise oft abgetheilt, und wenn wir zum Speisen oder andern Behufe ein größeres Zimmer gebrauchten, wurden jene Rahmwände weggenommen, und hernach, wenn es nöthig war, wieder eingesetzt: eine Arbeit, die in einem Augenblick verrichtet
ist. Man kann zwar nicht sehen, was in den angrenzenden Zimmern geschieht; aber doch meistens sehr gut hören, was gesprochen wird. Die Decke der Zimmer ist getäfelt, besteht aus dicht in einander gefügten Bretern, und fällt ziemlich gut ins Auge.
   Die Häuser werden mit Ziegeln und Dachpfannen gedeckt, die auf eine ganz eigne Art gemacht, sehr dick und schwer sind. Schlechte Häuser deckt man aber gewöhnlich nur mit Schindeln, die man gemeiniglich mit einer Menge Steine belegt, welche die Schindeln festhalten und dem Dache die nöthige Schwere geben. Das Dach steht allezeit weit über dem Hause hervor, und wird oft mit einem besondern kleinen Dache vermehrt, das über einem schmalen ausgebaueten Gange oder einer Gallerie draußen vor den Fenstern hingeht. Von diesem kleinen Dache gehen nach inwendig und niederwärts einige vierseitige hölzerne Leisten, zwischen welche man von Binsen gemachte Jalousie-Matten hängt, die aufgezogen und niedergelassen werden können, und verhindern sollen, theils daß die Vorbeygehenden nicht ins Haus hinein sehen, theils hauptsächlich aber, daß der Regen nicht an die papiernen Fenster kommen kann. In den Dörfern und kleinen Städten sind die Häuser auf den Seiten, besonders die Hinterseite, ebenfalls mit Schindeln, und zwar von Borke, belegt, die durch darauf genagelte ganz schmale und dünne hölzerne Leisten zusammen gehalten werden, und das Eindringen des Regens in der Wand verhüthen.
   Fenster sind in jedem Zimmer zwey oder mehrere. Sie fangen beynahe unter der Decke an, und gehen bis auf eine Elle vom Fußboden hinab. Sie bestehen aus leichten Rahmen, die man ausnehmen, einsetzen und in zwey, zu diesem Ende in den Querhölzern und Riegeln oben und unten angebrachten, Vertiefungen oder Einschnitten vor einander schieben kann. Diese Rahmen sind durch Leisten oder Sprossen in kleine Parallelogramme, deren bisweilen an vierzig sind, eingetheilt. Auf der auswendigen Seite sind diese kleinen Fächer, die gleichsam die einzelnen Fensterscheiben ausmachen, mit feinem weißen Papier überzogen, das selten oder niemahls mit Oehl getränkt wird, und zwar einen guten Theil des Tageslichts durchläßt, aber alle Aussicht benimmt, weil man nicht durchsehen kann. Gläserne Fenster werden nicht gebraucht, eben so wenig als man Perlenmutter oder Glimmer dazu nimmt.
   Der Fußboden ist allezeit mit Matten bedeckt, die aus feinen Binsen (Iuncus) geflochten, mit Reißstroh ausgefüllt, drey bis vier Zoll dick und im ganzen Lande von einerley Größe, nämlich ein Klafter lang und ein halbes Klafter breit, und an den beyden längern Seiten mit dünnem, blauem oder schwarzem Bande eingefaßt sind. Nur im Kaiserlichen Schlosse zu Jedo [Tokio] sah ich Matten, die größer als die gewöhnlichen waren. In den Häusern der geringen Leute ist der vordere oder äußere Theil des Zimmers nicht mit Matten belegt, sondern dient zur Diele oder zum äußern Vorzimmer, wo man die Schuhe absetzt; darauf folgt ein erhöheter Fußboden, der mit Matten bedeckt ist, das Wohnzimmer ausmacht, und durch Rahmwä?nde in mehrere abgetheilt werden kann.
   Inwendig im Hause werden so wohl die Wände als das Dach mit schönem dicken Papier überklebt, worauf mancherley Blumen gedruckt sind. Diese Tapeten sind grün, gelb oder weiß; bisweilen ist auch Silber und Gold darauf angebracht. Der Leim, welchen sie dazu brauchen, besteht aus einem dünnen Brey von Reiß. Da der Rauch des Winters die Tapeten sehr verdirbt, so klebt man alle drey bis fünf Jahr neue auf.
   Die Häu?er sind sehr geräumig, allein niemahls mehr als zwey Stockwerke hoch, wovon aber gewöhnlich nur das untere bewohnt wird. Im oberen wohnt selten jemand, sondern es wird als Boden, oder dergleichen gebraucht, um allerhand Sachen hinzusetzen oder zu verwahren. Es ist auch gemeiniglich niedriger. Die Häuser der Reichen und Vornehmen unterscheiden sich zwar durch Größe, Ansehen und Schönheit, sind aber doch nicht über zwey Etagen oder zehn Ellen hoch.
   In den Häusern der Kaufleute und Handwerker macht der an der Straße liegende Vordertheil gewöhnlich die Bude oder Werkstätte aus. Darauf folgt die Küche und die Stuben für die Dienstbothen. Der nach dem Hofe gehende Theil ist eigentlich der, welcher bewohnt wird. Die dicht an den Hof stoßenden Zimmer werden für die vornehmsten und bequemsten gehalten, weil sie von dem Geräusche und Lärmen auf der Straße am weitsten entfernt sind; zugleich sind sie die schönsten. Sie haben die Aussicht und auch eine Thür nach einem mit verschiednen Bäumen, Büschen, Gewächsen und Blumentöpfen besetzten Hofe oder leeren Platze, der nach Umständen groß oder klein, auch wohl in der Mitte mit einem kleinen Berge geziert ist. Aus diesen Ursachen werden die hintersten Zimmer allemahl den Fremden eingeräumt. Sie waren es daher auch, wo wir auf der Reise und zu Jedo logirt zu werden die Ehre hatten.
   Selten findet man ein Haus, das nicht ein zum Baden eingerichtetes, und mit den dazu nöthigen Wannen und Geräthschaften versehenes Zimmer hat. Es liegt gewöhnlich an der Seite des Hofes. In bessern Häusern, wo besondre Zimmer für Fremde sind, ist dicht bey denselben eine kleine Badestube für diese befindlich, wo sie sich baden können, wenn sie Lust haben.
   In derjenigen Abtheilung des Hauses, welche die
Küche vorstellt, ist kein andrer Herd, als ein großes
viereckiges Loch, daß im Fußboden, oft gerade in der Mitte angebracht, und mit einigen Steinen, in der nämlichen Fläche mit den umher liegenden Matten, belegt ist. Der Kohlenrauch macht das Haus schwarz, weil es keinen andern Schornstein, als nur ein Loch im Dache hat; und die Nähe der Fußboden Matten verursacht oft Schaden und Unglück, wenn die Leute sich mit dem Feuer nicht sehr in Acht nehmen.
   Bey jedem Hause ist in einem kleinen abgesonderten Gebäude ein Abtritt befindlich. Dieser besteht aber bloß aus einer im Fußboden angebrachten länglichen Oeffnung, auf welche die Japaner sich setzen. An der Wand ist eine Art Lade oder Ka?ten, der schräge herunter geht, unten ein Loch hat, und worin sie ihr Wasser abschlagen. Nahe dabey findet man allezeit ein porzellanenes Geschirr mit Wasser, womit sie sich, wenn sie ihr Geschäft verrichtet haben, jedesmahl die Hände waschen.
   In verschiednen Städten, zum Beyspiel zu Jedo, ist bey jedem Hause auch ein steinernes Packhaus angelegt, das feuerfrey ist, und wo sie bey Feuersgefahr ihre Sachen hinbringen.
   Die Häu?er der Japaner haben, wie man schon aus dieser Beschreibung sehen kann, nicht das Ansehen, auch nicht die Bequemlichkeit als die Häu?er der Europäer. Die Zimmer sind nicht so hell und heiter, und im Winter nicht so warm. Auch sind die Häuser selbst weder so sicher vor Feuer, noch so dauerhaft. Daß sie sich so wohl von innen als von außen sehr schlecht ausnehmen, daran sind hauptsächlich die nur halb durchsichtigen papiernen Fenster Schuld.
   Die öffentlichen Gebäude, als Tempel und Palläste, sind zwar größer und ansehnlicher, aber alle von einerley Bauart. Die mit verschiednen, eine ganz eigne Gestalt habenden Thürmen gezierten Dächer machen ihre größte Schönheit aus.
   Die Städte sind zum Theil sehr groß, zum Theil auch mit Wällen und Gräben umgeben, und mit einer Citadelle und Thürmen versehen, besonders wenn ein Fürst darin seine Hofhaltung hat; alle aber haben Thore.
   Der Umfang der Hauptstadt Jedo, welche an Größe der Stadt Peking den Vorzug beynahe streitig macht, wird zu ein und zwanzig Stunden Weges zu Fuß angegeben, welches ungefähr eben so viel Französische Meilen beträgt ... Eben dies gilt von den Dörfern, von welchen ich hier also nur noch zwey Bemerkungen nachhohlen will. Sie unterscheiden sich von den Städten lediglich dadurch, daß sie offen sind, und nur eine einzige Straße haben. Ihre Länge ist oft unglaublich. Die meisten sind eine Viertelmeile lang. Bey einigen gebraucht man gar mehrere Stunden Zeit, um zu Fuß hindurch zu kommen. Manchmahl liegen sie auch so nahe bey einander, daß nur eine Brücke, ein Fluß, oder der Nahme sie unterscheidet.
   In den Dörfern steht der zu jedem Hause gehörige Abtritt allezeit an der Straße zur Seite des Wohnhauses. Er ist unten offen, und unter demselben ist an der Straßenseite ein großes irdenes Geschirr in die Erde gegraben, wo jeder Vorbeygehende sein Wa??er hinein lassen kann. Der von diesem gesammelten Urin, dem was sonst im Abtritte sich sammelt, und auch von dem, was aus der Küchengosse hinein fließt (dies alles sammelt
man hier zu Lande mit vieler Sorgfalt zum Düngen des Ackers), entstehende Gestank ist des Sommers an heißen Tagen so stark und unausstehlich, daß kein Zustopfen der Nase und keine Wohlgerüche dagegen helfen. Die Einwohner haben sich daran gewöhnt, aber er ist auch den Augen höchst schädlich. Daß so viele, besonders alte Leute, mit rothen, wunden und triefenden Augen geplagt sind, kommt hauptsächlich von den scharfen Ausdünstungen jener Sammlungen her. Das gestehe ich inzwischen gern, daß dieser Gestank und die haushälterische Mühe und Sorgfalt, welche man anwendet, das alles
aufs genaueste zusammen zu sammeln, durch den Ertrag
des Ackers reichlich belohnt wird.
   Camine und Stubenöfen kennt man im ganzen Lande nicht, obwohl die Kälte strenge ist, und die Einwohner nöthigt, vom October bis zum Ende des Märzes die Zimmer zu heitzen. Dies Heitzen der Zimmer geschieht vermittelst kupferner Töpfe, von unterschiedlicher Größe, mit breitem überstehenden Rande, die unten mit Mörtel oder Asche angefüllt werden, worauf man gut gebrannte Kohlen legt, die man alsdann anzündet. Den Topf stellt man entweder mitten ins Zimmer, oder an eine Seite, und die Japaner setzen sich um denselben her. Weil die Wände nicht dicht sind, müssen sie mehrmahls des Tages auf diese Art einheitzen, oder auch das Kohlenfeuer den ganzen Tag über unterhalten. Diese Art des Heitzens führt aber mancherley Unbequemlichkeiten mit sich. Oft dunsten die Kohlen. Von dem aufsteigenden Kohlendampfe wird das Zimmer sehr schwarz. Den Augen schadet der Rauch auch.
   So einfach die Bauart der Japaner ist, so einfach ist auch ihr Ameublement, oder vielmehr, sie haben gar keine Meublen. Ihre Zimmer und Häuser entbehren mithin auch des Ansehens und Schmucks, den hübsche Meublen geben. Aber auch die Leute selbst entbehren dadurch manche Bequemlichkeit. Schränke, Commoden, Bureaux, Sofa, Betten, Tische, Stühle, Uhren, Spiegel oder dergleichen findet man in keinem Zimmer. Die meisten von diesen Dingen sind ihnen unbekannt. Die weichen Strohmatten auf dem Fußboden dienen ihnen statt Betten und Stühle. Eine weiche mit Baumwolle ausgestopfte Matratze wird über die Matte ausgebreitet, wenn sie schlafen gehen wollen. Unter den Kopf legen sie ein längliches Stück lackirtes Holz. An?tatt der Decke gebrauchen sie ihren weiten Talar. Bey dieser Art zu schlafen kommt ihr Haar des Nachts nicht in Unordnung, und des Morgens sind sie in dem Augenblicke, da sie aufstehen, auch gekleidet; denn den weiten Rock können sie in einem Hui anziehen und zubinden. Beym Sitzen sind ebenfalls die Matten und ihre Fersen ihr Stuhl. Denn sie setzen sich auf die Matte nieder, und legen die Füße unter das Gesäß. Hiedurch unterscheiden sie und die Chineser sich von den meisten andern Ostindischen Völkern, die, wenn sie sitzen, die Beine und Füße kreutzweise vor sich liegen haben. Beym Essen wird für jede Person ein kleiner viereckiger, eine halbe Elle langer und breiter, und vier Zoll hoher Tisch hinein gebracht und hingesetzt, auf welchem statt der Gabel ein kleines hölzernes Stift, oder keins liegt, und worauf von jedem Gerichte eine Portion in lackirten hölzernen Näpfen, die mit einem Deckel zugedeckt sind, befindlich ist. Was sie von Schränken, Kisten, Laden, Koffern und dergleichen haben und gebrauchen, steht alles im Packhause oder in besondern Zimmern.
   Bey ihrer Toilette brauchen sie kleine Schränke mit mehreren Schubladen. Ein solcher Schrank ist eine halbe Elle lang und wenig über eine Viertelelle hoch. Unserm Ambassadeur wurde zu Jedo ein dergleichen Schrank, und zwar von so genannter alter Lackirung (vieux Lacq) zu Kauf gebracht. Er war weit besser lackirt, als heut zu Tage geschieht, und die Blumen darauf waren sehr erhoben, welches sich ungemein schön ausnimmt. Dergleichen Arbeit bekommt man jetzt selten zu sehen, noch seltner zu Kauf. Aber jenes Stück erstehen hieß so viel als es mit Gold aufwägen. Man forderte siebzig Kobang, das ist vier hundert und zwanzig Thaler dafür. So sehr es alle neuere Arbeit dieser Art hinter sich zurück ließ, dünkte mir doch der Unterschied des Preises zu groß.
   Spiegel paradiren zwar nicht in den Zimmern, aber beym Nachttische werden sie allgemein gebraucht. Allein die Japanischen Spiegel sind nicht von Glas, sondern werden aus Metall, und zwar einer Composition von Kupfer und Zink, gegossen, und sehr gut polirt. Man hat sie von sehr verschiedner Größe. Ein solcher Spiegel wird auf einem schief herab gehenden hölzernen Gestelle befestigt, und das schöne Geschlecht kann seine Reitze darin vollkommen so gut, als in einem Europäischen gläsernen Spiegel, beschauen.
   In den Häusern braucht man vielfältig Schirme, die vier Ellen hoch, und um der Bequemlichkeit willen so eingerichtet sind, daß sie mehrere Mahl zusammen geklappt werden können. Man setzt sie vor die Schlafstellen, wenn mehrere in einem Zimmer schlafen; verdeckt damit im Zimmer, was nicht in die Augen fallen soll; theilt die Zimmer damit ab; setzt sie vor die Fenster, um die Zugluft abzuhalten; stellt sie des Winters um den Feuertopf, damit die Wärme mehr bey einander bleibe; und wozu man sonst Schirme gebraucht. Man hat sie groß und klein. Manche sind recht schön angemahlt, oder mit bemahltem dickem Papier überzogen. Meistens sind sie aus sechs besondern Rahmen zusammen gesetzt, deren jeder eine Elle breit ist.

 

Thunberg, Carl Peter
Reise durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien, hauptsächlich Japan
2.Band, Berlin 1794

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!