Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1818 - Larkin
Über den Whiskyschmuggel
Grampians

 

Ströme von geschmuggeltem Whisky, die in ihrem Verlauf immer breiter werden, fließen von beiden Seiten der Berge in Richtung Süden und Südosten, wie die richtigen großen Flüsse auch. Das illegale Brennen von Whisky gibt es fast überall im Hochland und auf den Inseln, und der Whisky ist genau so ein wichtiges Handelsprodukt wie Rinder, Schafe und Wolle. Die Einwohner versuchen alles, um in ihrer angestammten Umgebung bleiben zu können, und überbieten die Kapitalisten, wenn es um ihren Besitz geht. Und der Whiskyschmuggel ist die einzige Quelle, aus der sie zuverlässig die Pachtzahlungen leisten können. Die hohen Steuern auf hausgebrannten Schnaps haben die Qualität sinken lassen, während gleichzeitig der Preis stieg; der geschmuggelte Whisky schmeckt so deutlich besser, dass es Nachfrage aus allen Kreisen der Gesellschaft gibt, und zwar zu jedem Preis, solange er nur nicht den der besten ausländischen Alkoholika übersteigt. Und viele ziehen den Highland-Whisky sowieso vor. Deshalb ist die Versuchung für die Hochländer unwiderstehlich, sich ihrer Möglichkeiten im dünn besiedelten Land und in den nahezu unzugänglichen Bergen zu bedienen. Manche brennen sogar in den Tälern, und wenn einer der Beteiligten merkt, dass Steuerbeamte kommen, wird ein vorher vereinbartes Signal gegeben, und alles Ungesetzliche wird sofort versteckt.
   Andere ziehen sich zur größeren Sicherheit in die Berge, in abgelegene Wälder oder Schluchten zurück. Wachen werden an geeigneten Punkten aufgestellt, die melden, wenn sich verdächtige Personen nähern, und wenn sie Meldung machen, wird ebenfalls alles rasch weggeräumt. Mitten in den dunkelsten und stürmischen Nächten wird der Whisky in das Unterland gebracht, zu Pferde oder mit Wagen auf den großen Straßen, in Blasen auf den Schultern von Männern in der weglosen Wildnis, oder in Booten auf Seen und Flüssen. Manchmal sind die Schmuggler allein unterwegs, um sich besser tarnen zu können, manchmal vereinen sie sich zu größeren Gruppen und vertrauen auf die Sicherheit, die ihnen ihre große Anzahl und damit Übermacht gewährt. Bei Nacht unterwegs, am Tage im Versteck, so bringen sie üblicherweise ihre Ware an den Bestimmungsort, und wer am Tag unterwegs ist, sieht sie fröhlich mit ihren leeren Behältnissen nach Hause streben. Wenn sie in größerer Anzahl unterwegs sind, schmuggeln sie manchmal auch bei Tage. Die Steuerbeamten, die ihnen auf der Straße begegnen, sehen sich genötigt, sie ohne Fragen passieren zu lassen, weil sie sonst eine sinnlose Aktion zu bedauern Anlass hätten. Es gibt aber häufige Beschlagnahmungen, hauptsächlich infolge von Angaben konkurrierender Schmuggler oder anderer Informanten, die die Beamten zu Verstecken führen. Mancher, den man vorher hat sagen hören, allein kämen die Steuerbeamten nicht an ihn heran, hat so das Geschäft aufgeben müssen.
   Man kann die Schmuggler von Malt oder Whisky oder beidem in drei Gruppen einteilen: Erstens die Kleinbauern, die nur zu bestimmten Zeiten schmuggeln, und nur so viel, dass sie die Pacht für den Hof bezahlen können. Zweitens Kleinbauern und Handwerker wie Schmiede, Zimmerleute und Ähnliche, bei denen es Teil des Geschäftes ist, und drittens die hauptberuflichen Schmuggler. Männer der ersten und zweiten Gruppe werden manchmal durch Beschlagnahmungen und Strafen zu Angehörigen der dritten, und Leute aus dieser sind gezwungen, ihren Handel aufzugeben, wenn sie ihr kleines Kapital oder den Kredit verloren haben, ohne die das Schmuggelgeschäft nicht durchführbar ist.
   Die allermeisten aber erzielen genug Erträge für ihre Zwecke, und viele bringen es zu nach ihrer Meinung großen Vermögen. Diese Erfolge und die Höhe der Gewinne bringen viele, selbst die respektabelsten Getreidebauern des Hochlands, in das Geschäft, zumindest so weit, dass sie einen erheblichen Teil ihrer eigenen Gerste in Whisky verwandeln. Die vergleichsweise leichte Arbeit und die Nachsicht gegenüber dieser Tätigkeit sind ein zusätzlicher Anreiz für Faule und Liederliche, die meistens zur dritten Gruppe gehören. Ein großer Teil der verwendeten Gerste kommt aus dem Unterland, weil der Transport durch die ausgezeichneten Straßen, die nun in allen großen Tälern existieren, problemlos geworden ist. Und ein Boll [63,5 kg] dieser Gerste, für etwa 30 Shillings gekauft und für zehn oder 15 Shillings mehr gemälzt und gebrannt, kehrt in den Süden zurück als ein Anker [45 Liter] Whisky im Wert von 10 Pfund [das entspricht 200 Shillings und damit einer Gewinnspanne von mehr als 400%, allerdings muss ja auch der Transport bezahlt werden] ohne Anrechnung des Abfalles, der noch als Viehfutter dient. Ein erfolgreich durchgeschmuggelter Anker zahlt für mehr als zwei, die nicht durchkommen.
   Die Qualität des Alkohols steht im Verhältnis zu der Abgeschiedenheit oder Unzugänglichkeit des Ortes, an dem er entstanden ist. Im südlichen Hochland, wo Aufdeckung häufiger ist, wird das Einweichen, Keimen und Destillieren häufig in Eile und mangelhaft durchgeführt, und so ist die Qualität des Endproduktes schlecht, obwohl reine Gerste verwendet wird – außer in Jahren äußerster Knappheit. Aber in den hohen Einöden, wo Entdeckung schwieriger ist, werden alle Verfahrensschritte sauber durchgeführt, und die Qualität des Produktes ist sehr gut bis perfekt. An manchen Orten des Hochlandes wird der Familienkochtopf zum Brennen des Whiskys in jeweils nur kleinen Mengen benutzt; wahrscheinlich genau so wird in Irland der Poteen genannte Whiskey von kleinen Bauern oder Pächtern hergestellt, die wenig Material einsetzen können oder keine Transportmöglichkeiten haben. Der gesammelte Whisky wird zu vergleichsweise niedrigen Preisen von den größeren Brauern und Schmugglern aufgekauft, die ihn mit dem eigenen Whisky in das Unterland bringen, wo der Absatz floriert. Viele Leute in den Grenzgebieten kaufen den Whisky aus dem Hochland auf und verkaufen ihn mit großem Gewinn weiter.
   Solch umfangreiche Geschäfte laufen das ganze Jahr über. Sogar im Monat September des Jahres 1818 waren die Schmuggler schon auf dem Rückweg von ihren Expeditionen nach Süden, obwohl im Hochland die Ernte noch nicht zu Ende war. Es waren aber nicht so viele wie zu anderen Jahreszeiten, wenn die Geschäfte richtig gut laufen. Das Unrechte an diesem Handel, der der öffentlichen Hand und den regulären Brennereien schadet, wird nur von wenigen eingesehen, und selbst wenn sie es einsehen, kann das nur wenig gegen die große Versuchung ausrichten. Die Whiskytrinker haben kein schlechtes Gewissen und behaupten, es könne von ihnen ja wohl nicht erwartet werden, dass sie das trinken sollten, was sie Gift zu nennen belieben, bloß weil es legal hergestellt worden sei. Und wenn sie nicht den geschmuggelten Whisky trinken könnten, könnten sie sich überhaupt keinen leisten, was eine sehr unerfreuliche Alternative wäre und weder dem Staat noch den legalen Brennern helfen würde.
   Vor zwei oder drei Jahren wurde ein Gesetz erlassen, dass dem Schwarzbrennen Abhilfe zu bringen versprach. Kleine Brennereien wurden legalisiert und die Vorschrift, den im Hochland gebrannten Whisky auch dort zu belassen, wurde aufgehoben. Und ein Brenner muss nun anstatt einer großen Summe pro Jahr für seine Lizenz nur noch 10 Pfund und eine Abgabe je nach Menge des tatsächlichen gebrannten Whiskys bezahlen. So kann er ohne großen Verlust in schlechten Zeiten das Brennen einstellen. Wenn das läuft wie geplant, werden die kleinen legalen Brennereien ohne zusätzliche öffentliche Ausgaben zu den effizientesten Kontrolleuren. Es scheint aber, als würde dieses Verfahren nicht überall angenommen, einmal, weil es zur falschen Jahreszeit in Kraft trat, zum anderen aber hauptsächlich deshalb, weil es bei vielen eine unausrottbare Gewohnheit ist, zu brennen, ohne dafür Steuern zu zahlen, und weil riesige Gewinne aus der Umgehung dieser Steuern resultieren. Die Verwirklichung des neuen Systems für alle ist wünschenswert, denn in den kleinen Brennereien würde dann auch ein guter Whisky produziert. Es heißt, in Atholl und womöglich auch in anderen Gegenden an der Grenze zum Unterland wären viele Schmuggler zum Aufgeben veranlasst worden, und andere würden nach dem oben beschriebenen Gesetz jetzt legal produzieren.

 

(Larkin)
Sketch of a tour in the Highlands of Scotland
London 1819
Übersetzung: U. Keller

Abgedruckt in:
Ulrike Keller (Hrg.)
Reisende in Schottland seit 325 v. Chr.
Wien 2008

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!