Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1953 - Max Reisch
Zu Gast bei König Ibn Saud
Riyadh

 

In der Ferne tauchten Lichter auf. Rasch wurden sie ein ganzes Lichtermeer. Wir näherten uns dem Ziel der abendlichen Fahrt durch die arabische Wüste. Wenn wir zuerst so viele Lichter gesehen hatten, so war es wohl, weil wir von einer Anhöhe auf die weit verbreiteten Anlagen des Palastes hinabgesehen hatten. Aber nun glitt der Wagen lautlos abwärts, die Lichter verschwanden wieder, und hinter den hohen Lehmmauern sah man nur noch den indirekten Schein von vielen starken Lampen, der sich wie in einem Nebel am Himmel zu brechen schien. Nur war es kein Nebel, sondern der Sand, der ständig wie ein Schleier über Arabien liegt.
    Ein großes, geschwungenes Tor und etwa ein Dutzend Leibwachen brachten den Wagen zum Stehen. Raschid el-Gailani sprach ein paar Worte, und dann wurde lautlos das Tor geöffnet. Fast schien es mir, daß dies nicht durch Menschenkraft geschah, sondern durch Seilzüge, die durch elektrische Motoren betätigt wurden. Hier sah man schon, daß amerikanische Ingenieure bei der technischen Gestaltung des Palastes mitgewirkt hatten. Der Wagen glitt durch dieses Tor, und ich konnte den ersten Laut der Überraschung nicht unterdrücken. Eben waren wir durch eine trostlose, trockene Wüste gefahren, und nun befanden wir uns in einem großen, gepflegten Park mit Büschen und Sträuchern, durch den schnurgerade eine breite, doppelgleisige [vierspurige] Autostraße führte. Dieser Boulevard war beiderseits von etwa einen Meter hohen Betonmauern eingefaßt, an denen hellstrahlende Neonröhren wie silberne Bänder entlangliefen. Von einem Schloß war jedoch noch nichts zu sehen. Dann erreichten wir ein zweites Tor von riesigen Ausmaßen. Der ganze Platz war von einem Neonbild über dem Tor grün erleuchtet. Es war das königlich-saudische Wappen: die zwei gekreuzten krummen Schwerter als Symbol des Kampfes für Allah und seinen Propheten und die Palme als Zeichen des friedlichen Aufbaues im geeinten Königreich Saudi-Arabien.
    Hier verließen wir den Wagen, und der Chauffeur von Raschid el-Gailani schob seinen Buick auf einen großen Parkplatz in die Reihe vieler anderer Automobile. Ich glaube nicht, daß es irgendwo auf der Welt so viele speziell gebaute und mit Gold verzierte Luxuswagen nebeneinander zu sehen gibt wie hier im Park des königlichen Schlosses von Riyadh.
    Das von Neonlicht grün beleuchtete Tor war geschlossen, und nur ein kleines, seltsam geformtes Pförtchen gab uns Einlaß. Zwei riesenhafte Neger, weiß gekleidet und mit langen, mit Halbedelsteinen besetzten Schwertern bewaffnet, standen finster blickend regungslos links und rechts der kleinen Tür, durch die nun Raschid el-Gailani als erster, gefolgt von uns, eintrat. Wenn wir gedacht hatten, in eine Empfangshalle oder in einen ähnlichen Raum zu kommen, so hatten wir uns getäuscht. Wir standen wiederum in einem Garten, diesmal einem kleineren, aber unvergleichlich üppigeren, in ein Lichtermeer getauchten, den unbedingt ein Filmarchitekt aus Hollywood entworfen haben mußte. Im Hintergrund, von Scheinwerfern farbig beleuchtet, hob sich das Gartenschloß wie in einem Märchen vom nächtlichen Himmel ab. Hier also residierte Ibn Saud, Sohn des Abdul Aziz Ibn Abdur-Rahman al-Faisal al-Saud, der König des Morgenlandes, Einiger und Herrscher Arabiens.
    Die mit feinem Kies bedeckten Gartenwege waren gerade breit genug für zwei Personen. An Teichen, Weihern und seltensten Bäumen aller Art vorbei gingen wir in vielen Windungen auf den Palast zu. Die Blumen und Pflanzen waren von versteckt angebrachten Lampen in allen Farben des Spektrums angestrahlt. Auch sah ich Rosen, die aus Porzellan waren, und in den Sträuchern hingen kleine Käfige mit Vögeln, farbenprächtigen Exoten und vielen Singvögeln. Das war ein Zwitschern und Jubilieren - die einzige Musik, die der Wahhabismus in seiner strengsten Auslegung den Muselmanen gestattet. Und der König Arabiens ist strenggläubiger Wahhabit.
    Licht, noch mehr Licht umfing uns, als die Gartenpfade über eine Freitreppe auf eine breite Marmortreppe mündeten. In die Terrasse eingelassen war ein Schwimmbecken, vielleicht 10 Meter breit und 30 Meter lang. Es war mit edlen Fayencen gekachelt, und am Boden des Bassins waren Lampen in vielen Farben angebracht, so daß das Wasser wie ein Regenbogen schillerte. Am Rande des Beckens war ein Sprungturm aus verchromten Stahlrohren aufgebaut, und auf der Terrasse lagen Schlauchboote und andere Wassergeräte umher. Nein, diese Vorstellung! Die Prinzen des Wüstenkönigs vergnügten sich mit dem Schlauchboot auf einem künstlichen See im Gartenpalast inmitten der Wüste, im Herzen Arabiens!
    Ich war so fasziniert von diesem Bild, daß ich mich im Weitergehen in den Seilen eines Schlauchbootes verfing und strauchelte; es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre der Länge nach auf die Terrasse hingestürzt.
    Raschid el-Gailani zog mich vorwärts. Ich sah zwei lange Reihen von Menschen, alle in arabische Gewänder gekleidet, auf den Marmorfliesen der Terrasse kauern. Am Ende dieser beiden Reihen - noch sehr weit entfernt - sah ich etwas Ähnliches wie einen erhöhten Stuhl, einen Thron.
    Raschid el-Gailani ging in der Mitte, Rolf und ich ihm zur Rechten und Linken. Wir schritten nun die Gasse zwischen den Höflingen, Prinzen und Gästen entlang. Alle erhoben sich gerade in dem Augenblick, als wir an ihnen langsam vorüberschritten. Schließlich kam der große Augenblick: Wir standen dem mächtigen Herrscher Arabiens gegenüber. Er erhob sich von seinem Sitz, ging uns einen Schritt entgegen und gab uns beiden nach westlicher Art die Hand. Raschid el-Gailani nickte er auf dessen tiefe Verbeugung freundlich zu. Ibn Saud, ein großer, stattlicher Mann, wohl 1,90 Meter groß, war in eine kostbare, mit sehr viel Gold bestickte, elfenbeinfarbene Abaje aus hauchdünnem Wollgewebe gekleidet. Auf dem Kopf trug er ein weißes Tuch, die Kefije, die von einem doppelten Ring aus Kamelhaar festgehalten wird. Nur die Angehörigen der königlichen Familie tragen diesen Ring, Aggal genannt, mit goldenen Schnüren und Troddeln verziert. Es fiel mir auf, daß dieser sehr kostbaren Kleidung jede Seide fehlte. Der Wahhabismus lehnt dieses Gewebe als unarabisch ab.
    Sein Gesicht ist schmal und dunkel gebräunt, die Nase leicht gebogen, groß und edel geformt. Er ist der Typus des reinrassigen Arabers ohne jeden afrikanischen Einschlag. Die Augen Seiner Hoheit sind durch eine sehr dunkle, große Brille verdeckt.
    »Ana sadiq li'1-Arab - ich bin ein großer Freund der Araber«, diese meine Worte beziehungsweise die Art, wie ich sie ausspreche, lassen wohl erkennen, daß es mit meinem Arabisch nicht allzuweit her ist. Wie aus dem Nichts springt plötzlich eine weißgekleidete Gestalt in unseren Gesichtskreis und kauert sich auf dem Boden nieder: der Dolmetsch. Nun geht es leichter, und ich bringe auf englisch meine ergebene Huldigung zum Ausdruck.
    Die Konversation wird gleich sehr interessant, als der König das Wort ergreift. Zuerst kommen allerdings die zwei allgemeinen, in ganz Arabien üblichen Fragen: »Befinden Sie sich bei guter Gesundheit? Hatten Sie eine gute Reise?«
    Dann setzt Seine Hoheit uns in Erstaunen, indem er uns durch den Dolmetsch sagen läßt: »Wir hatten Bericht, daß Sie über Hofuf nach El-Kertsch reisen würden.« (Ich dachte mir: Genauso weit hat unsere Bewilligung gereicht. Es ist nur interessant, wieso man das in Riyadh schon wußte? Natürlich durch Sprechfunk; Telegraf gibt es ja in diesem Land nicht, das ist viel zu unmodern.)
    Der Dolmetsch fährt fort: »Ja, wenn Seine Hoheit gewußt hätte, daß Sie auch nach Riyadh kommen, dann hätte er Ihnen ein Auto nach El-Kertsch gesandt.«
    Ich erwiderte: »Das ist sehr liebenswürdig; aber wir sind mit Hilfe unserer Freunde von der ARAMCO in deren Auto sehr bequem gereist.« Dabei dachte ich mir: Orientalische Höflichkeit! Jetzt, da wir hier sind und Raschid el-Gailani für uns beim König eine Lanze gebrochen hat, ist leicht reden; aber wenn wir von El-Kertsch angefragt hätten, ob wir nach Riyadh kommen dürfen, so hätte die Antwort ohne Zweifel ebenso orientalisch-höflich gelautet: »Gegenwärtig nicht möglich, zu einem späteren Zeitpunkt sehr gern.«
    Ibn Saud unterhielt sich nun mit Dr. Hecker [Reischs Reisebegleiter] über einige ärztliche Probleme, und ich konnte meine Gedanken fortspinnen. Also, nun waren wir hier in der verbotenen Stadt, und das war die große Chance unseres Lebens, denn ich weiß, wie Berichterstatter großer Zeitungen aller Nationen in den Randstaaten Saudi-Arabiens, also in Jordanien, im Irak und in Kuwait, warten und warten und doch niemals in das verbotene Land hineindürfen, geschweige denn bis ins Herz des Islam, in die Königsstadt Riyadh!
    Ich war gerade dabei, die spitzen Schnabelschuhe Seiner Majestät, die von einer koketten schwarzen Masche [Schleife] geziert waren, einer genauen Prüfung zu unterziehen, als er wieder das Wort an mich richtete. Ich mußte ihm über unser »Haus auf Rädern« aus den Jenbacher Werken und schließlich über Österreich viele Fragen beantworten. Er zeigte sich über die wesentlichen Probleme meiner Heimat erstaunlich gut unterrichtet, und ich habe ihn auch im Verdacht, daß er Englisch spricht und versteht, aber ich habe schon früher gehört, daß kein Edler der Saud im eigenen Land eine andere Sprache spricht als Arabisch. Interessant war auch, daß man in Riyadh über unsere gesamte Reise sehr genau Bescheid wußte; ich kann mir das nur so erklären, daß Zeitungsartikel, die in der libanesischen und syrischen Presse über uns erschienen sein mochten, am Hofe Ibn Sauds von seinen politischen Beobachtern registriert worden waren. Die Audienz hatte etwa eine Stunde gedauert, als wir zu Tisch gebeten wurden.
    Die Tafel war im Garten gedeckt. Umgeben von Rosenduft, vielfarbig von bunten Lampen angeleuchtet, wuschen wir uns vor dem Essen die Hände. Riesige Negersklaven liefen mit Waschbecken, Wasserkanne, Seife und Handtuch von einem Gast zum anderen. Es war für etwa 60 Personen gedeckt. Der König saß am oberen Rand der Tafel, zu seiner Linken ein greiser Beduinenfürst, der gegenwärtig zu Gast am Hofe weilte; zu seiner Rechten saßen Raschid el-Gailani, dann ich, dann Dr. Hecker und zu beiden Seiten der Tafel die Brüder des Königs, einige seiner Söhne und dann noch eine Reihe von Beratern, Höflingen und sonstigen Gästen.
    Zuerst wurden drei Gänge nach europäischer Art serviert. Ich beobachtete Seine Majestät und stellte fest, daß er diesen Gängen sehr zusprach. Anschließend gab es drei arabische Gänge, und ich war im stillen mit ihm einig, daß diese weniger Ehre verdienten. Der König im Morgenland hat Reisen nach Europa und Amerika unternommen und dort manches für gut und richtig befunden, was nach wahhabitischen Anschauungen abzulehnen wäre. Es wurde mit Messer und Gabel gegessen, ganz nach europäischer Sitte, ja noch mehr, nach sehr feinen Pariser Tischmanieren. Allerdings - je weiter man an der Tafel nach unten blickte, desto lockerer wurden die Sitten, und bei den arabischen Speisen griff man am unteren Ende der Tafel auch herzhaft mit den Fingern zu. Zu trinken gab es nur Wasser, aber es war eisgekühlt und wurde in edlen Gläsern, die das Saudi-Wappen trugen, kredenzt.
    Die Teller trugen ein Muster von Arabesken in Blau und Gold in Verbindung mit dem saudischen Wappen. Rosenthal in München hat dieses Service für den königlichen Hof in Riyadh verfertigt. In »Time« stand zu lesen, daß der König für diese Sonderanfertigung 200.000 (zweihundert-tausend!) US-Dollar bezahlt habe. Vielleicht waren es nur 20.000 Dollar. Ich habe mich übrigens nach meiner Rückkehr an die Rosenthal-Manufaktur gewandt; man sandte mir einige Fotos des königlich-saudischen Porzellans, aber meine Anfrage über den Preis überging man diskret.
    Während des Essens erzählte der König aus jenen Zeiten, in denen sein Vater viele Kriege zu führen hatte, um das heutige Saudi-Arabien - das fast so groß ist wie Westeuropa - zu schaffen. Zu der Keimzelle Riyadh und der zentralarabischen Provinz Nedjd kamen im Laufe von 25 Jahren die Provinzen Hasa, Hedschas und Asir. Eine Episode ist bezeichnend für die beduinische Kampfesweise: Es war im Jahre 1910, und Ibn Saud stand im Kampf mit den mächtigen Fürsten der Schammar-Beduinen. Die beiden Heere standen sich kampfbereit gegenüber, und der Ausgang der Schlacht schien Ibn Saud mehr als ungewiß. In kühnem Entschluß sprengte er allein auf das feindliche Lager zu, sprang vor dem Zelt des Schammar-Fürsten vom Pferde und umklammerte die Zeltstange des gegnerischen Fürsten. Damit hatte er nach alter arabischer Sitte Gastfreundschaft für sich gefordert, und seine Sicherheit war gewährleistet. Er erreichte im Gespräch mit dem Schammar-Fürsten einen Friedensschluß, der ihm und dem Gegner die Ehre ließ und den Kampf vermied.
    Nach dem Essen gestartete uns der König - eine große Auszeichnung -, ihn mit Blitzlicht zu fotografieren. Dann begleiteten wir ihn auf einem Spaziergang durch den Park, und stolz zeigte er uns seinen Garten mit hunderterlei Rosen, deren Züchtung er besondere Aufmerksamkeit zuwendet. Die Rosen waren wunderschön, und es hätte nicht der porzellanenen, von Meisterhand geformten, elektrisch beleuchteten Rosen bedurft, die zwischen den natürlichen Rosen eingefügt waren, um diesem Garten inmitten der Wüste das Prädikat »Märchen aus Tausendundeiner Nacht« zu geben.
    Bei unserem Spaziergang durch den Garten bemerkte ich an den zögernden Schritten und dem Tasten über Wasserleitungsrohre und Gartenschläuche, daß Ibn Saud in seinem Sehvermögen zumindest sehr behindert war. Lag das an den schwarzen Brillen? Oder waren seine Augen schon so schlecht? Der König war noch jung, er wurde 1903 in Kuwait geboren. Nach dem Spaziergang durch den Garten schritt Ibn Saud mit uns und seinem Gefolge wieder auf die Terrasse vor dem Palast, wo eine große Menschenmenge versammelt war. An der zweistöckigen Fassade des Schlosses flammte abermals ein mächtiges Leuchtbild in Neon auf - selbstverständlich wieder in Grün, der Farbe des Propheten. Doch während das Wappen vorhin zwei gekreuzte Schwerter und eine Palme gezeigt hatte, leuchtete uns nun das Flaggenbild entgegen mit dem Koranspruch: »La ilaha illa'llah wa Muhammadun rasulu'llah - Es gibt nur einen Gott, und Mohammed ist sein Prophet«, mit vielen Arabesken und Verzierungen. Unter dieser Schrift, die wie ein künstlerisches Ornament wirkte, lag das Schwert des Islams.
    Die Strahlen dieser mächtigen Neonbeleuchtung tauchten den ganzen Platz in ein faszinierendes Grün, und es war wirklich ein Bild märchenhafter Pracht, die Hunderte in weiße, schwarze und braune Beduinenmäntel gekleideten arabischen Würdenträger hier versammelt zu sehen.
    Da entstand eine Bewegung! Einer der Sekretäre brachte zwei Etuis, die er dem König übergab. Ibn Saud öffnete sie und überreichte eines Dr. Hecker und eines mir. Jedes Etui enthielt eine Sprungdeckeluhr; auf dem Zifferblatt war in feiner, zarter Malerei das Bild des Königs zu sehen. Wir waren fassungslos vor Überraschung. Ibn Saud sagte: »Seien Sie willkommen in Saudi-Arabien, und seien Sie mir willkommen am Hofe. Abdullah Balkhair, mein erster Dolmetsch, steht ihnen ganz zur Verfügung und wird Ihnen morgen die Paläste zeigen. Sie werden zu den historischen Stätten geführt werden, an denen vor 50 Jahren mein Vater gekämpft und die Wiedergeburt Arabiens begründet hat.«
    Spätnachts brachte uns der große dunkelblaue Buick vom Gartenschloß Ibn Sauds zurück nach Riyadh und zum Flugplatz. Ich fragte Raschid el-Gailani: »Es war so merkwürdig an der königlichen Tafel, als Seine Majestät jene Geschichte von der Zeltstange im Lager der feindlichen Schammar-Beduinen erzählte. Warum gerade das?«
    »Ich sah Ihnen an, daß Sie sich wunderten. Ja, es hatte tatsächlich einen tieferen Sinn, daß er gerade das erzählte. Es ist ein uraltes Gesetz unter den Beduinen, daß jeder drei Tage Gastfreundschaft genießt, wenn es ihm gelingt, in das Zelt des Gegners zu gelangen und sich dort an der Zeltstange festzuhalten. Sie haben sich vielleicht auch gewundert, daß Sie als Gastgeschenk nichts „Arabisches“, also keinen Dolch oder Teppich, erhalten haben. Auch das Geschenk hat seinen tieferen Sinn! Sie sind unangemeldet und ohne königliche Einladung nach Riyadh gekommen. Ohne daß die ARAMCO es ahnte, war sie Ihnen behilflich dabei«, er spielte damit auf unsere Autofahrt mit den beiden ARAMCO-Beamten Kelly und Cosinsky an, »und als Sie schließlich in Riyadh waren, da haben Sie sich - das war Ihr großes Glück - gleich „an der Zeltstange angehalten“ Ich selbst war diese symbolische Zeltstange, und nun sind Sie nach altem arabischem Brauch Gäste am Königshof mit aller Pracht und allem Prunk getreu der Sitte: „Dem Gast das Beste“.«
    »Und wenn schon diese fürstliche Aufnahme, warum dann kein fürstliches Geschenk im arabischen Sinn?«
    »Weil Sie Ausländer sind, Fremde und Ungläubige. Die Uhr soll Sie daran erinnern, daß eine Frist gesetzt ist: Drei Tage sind Sie Gäste des Königs, am vierten werden Sie - ob Sie wollen oder nicht - wieder ganz weit von Riyadh sein...«
    
Reisch, Max
König im Morgenland – Im Auto durch Saudi-Arabien
Berlin, Frankfurt/Main und Wien 1954

 

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Arabien, 25 v. Chr. bis 2000 n. Chr.
Wien 2002

 

Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Peter Reisch

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