Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1761 - Carsten Niebuhr
Malta

 

Am 14. Juni erreichten wir Malta und gingen in dem großen Hafen, gleichsam in der Stadt selbst, vor Anker. Denn die Hauptstadt dieser Insel besteht, wie bekannt, aus verschiedenen kleinen Städten, die zum Teil durch Meerbusen, die ebenso viele sichere Häfen sind, eingeschlossen werden. Die Stadt hat von dieser Seite ein vortreffliches Ansehen. Die Häuser, nach morgenländischer Art oben platt gebaut, liegen an steilen Anhöhen und nicht nur die Häuser sind aus behauenen Steinen, sondern auch die weitläufigen Festungswerke sind aus eben diesem Material gebaut. Der Felsen, aus dem die Insel besteht, ist aber ein so weicher Kalkstein, daß man ihn mit so wenig Mühe wie Holz bearbeiten kann. Und da es dem Orden nicht an Geld und guten Baumeistern fehlt, so wird man sich nicht wundern, auf dieser Insel viele prächtige Kirchen und Paläste zu finden. Der vornehmste Tempel ist die St. Johannis-Kirche. Diese wird nicht nur von allen Großmeistern reich beschenkt und mit schönen Grabmälern geziert, und man sagte mir auch, daß an sie ein Teil der Beute fällt, die der Orden macht. Durch diese und andere Einkünfte sind hier unglaubliche Schätze angehäuft worden. Unter dem vielem Gold- und Silbergerät von großem Gewicht wie Statuen, Leuchtern u.s.w. sieht man eine Lichtkrone mit einer Kette aus purem Gold, die 500.000 maltesische Taler gekostet haben soll. Unter den Reichtümern, welche in den Nebenkapellen aufbewahrt werden, trifft man noch viel kostbarere Sachen an. Es soll da ein Kreuz von reinem Gold sein, 24 Pfund schwer, auch ein Stück von der Wiege Christi, mit einer Menge kostbarer Edelsteine besetzt. Kurz, die Reichtümer der Kaaba zu Mekka sind nach der Beschreibung, die man mir davon gemacht hat, denen in dieser Kirche nicht zu vergleichen, und vielleicht übertreffen sie noch die Schätze am Grab Mohammeds in Medina.
   Es gibt auf Malta auch ein vortreffliches Hospital, in dem alle Kranken ohne Unterschied und umsonst aufgenommen und verpflegt werden, und, wie man mir sagte, mit silbernen Schüsseln gespeist werden. Letzteres gilt vermutlich nur für kranke Ritter und andere Standespersonen.
   Große Kornmagazine sind zur Gänze aus dem Felsen gehauen, und das Wasser wird mittels einer am Anfang des 17. Jahrhunderts gebauten Wasserleitung von einer fast drei Meilen entfernten Quelle in die Stadt geführt. Die ganze Insel ist nur 4 1/4 Meilen lang und 2 1/4 Meilen breit. An der Südseite ist das Ufer steil, an der Nordseite jedoch, wo es flacher ist, sind Türme und Schanzen aufgeführt, um die Landung eines Feindes zu verhindern. Also ist die ganze Insel eine Festung. Auf dem Felsen, woraus sie besteht, ist nur sehr wenig Erde. Sie ist aber sehr fruchtbar mit allerhand vortrefflichen Früchten, und da die Einwohner viel Freiheit zu haben scheinen, ist sie auch sehr stark bewohnt.

 

Niebuhr, Carsten
Reisebeschreibung nach Arabien und umliegenden Ländern
Band 1 , Kopenhagen 1774

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