1809 - Mountstuart Elphinstone
Empfang bei Hofe
Peschawar
Am Morgen des 25. [Februar] hielten wir nach einigen Händeln über die Art unserer Aufnahme unseren Einzug in Peschawar. Ein großes Gewimmel war auf dem ganzen Wege. Jede Seite desselben war mit Menschen bedeckt, und einige waren auf die Bäume geklettert, um unseren Zug zu sehen. Das Gedränge vermehrte sich, je näher wir der Stadt kamen; allein wir wurden dadurch nicht behindert, weil die Reiterei des Königs, die uns entgegen gekommen war, den Pöbel nachdrücklich in Ordnung hielt und die Peitsche ohne Umstände gebrauchte. Ein Mann erregte besondere Aufmerksamkeit; er trug eine hohe Mütze von kegelförmiger Gestalt, rings um den Boden mit einigen Falten von Tuch und einer weißen Feder; er war mit einem kurzen Wams von Fell, schwarzen Pantalons und braunen Stiefeln bekleidet; es war eine ungewöhnlich schöne Gestalt, schlank und dünn, mit schwellenden Muskeln, einer hohen Nase und einem geistreichen Gesicht; er ritt auf einem sehr schönen grauen Pferde mit langen Steigbügeln sehr gut. Er führte einen langen Speer ohne Spitze, womit er in Eile das Volk unter lautem und tiefem Geschrei auseinander trieb. Er zerstreute nicht allein das Gesindel, sondern ritt mit der größten Wut auf anständige Leute, die auf Terrassen saßen, und hielt alles rein, wohin er sich wandte. Er hieß Russu Dewaniy oder Russul der Verrückte: als ein guter und tapferer Soldat war er freilich bekannt, aber im Übrigen ein unordentlicher und ausschweifender Mensch. Bei den meisten Gliedern der Gesandtschaft setzte er sich hernach in große Gunst; er ward mit einem englischen Helm und einer Reiteruniform ausstaffiert, die ihm sehr gut stand.
Unterdessen waren wir in die Stadt eingezogen; die Straßen wurden so eng, daß wir nur langsam weiterkamen; wir hatten Zeit, die Bemerkungen der Zuschauer zu hören, die Verwunderung über den Zug und Wohlwollen gegen uns verrieten; allein das Gedränge und der Lärm waren zu groß, um irgend eine bestimmte Beobachtung zu gestatten. Endlich erreichten wir das für uns eingerichtete Haus und wurden in ein mit Teppichen und Filzen zum Sitzen bedecktes Gemach geführt. Hier setzten wir uns nach persischer Art auf den Boden; Gefäße mit Süßigkeiten wurden vor uns aufgetragen. Sie bestanden in überzuckerten Mandeln, und in der Mitte eines jeden Gefäßes stand ein Hut Zucker, um Serbet zu machen. Bald merkten unserer Führer, daß wir Ruhe wünschten und entfernten sich.
Wir hatten jetzt Zeit, unsere Wohnung näher zu betrachten, die von dem Abdar Baschi (vornehmsten Mundschenken) erbaut war, kurz bevor er sich empörte. Sie war groß, und obgleich ganz unvollendet, war das Haus doch weit bequemer als man in einer Stadt erwarten konnte, die nicht der beständige Aufenthalt es Hofes ist, und wo viele vom ersten Adel gezwungen waren, während ihres Aufenthaltes mit sehr schlechten Wohnungen vorlieb zu nehmen. Unser ganzes Gebiet bestand aus einem Viereck, das von einem Wall aus Erde oder ungebrannten Ziegeln eingeschlossen war, in welchem sich ein anderes, von hohem Mauern umgebenes Viereck befand. Der Raum zwischen dem Wall und den Mauern war in viele Höfe geteilt, in einem war ein kleiner Garten mit kleinen Bäumen, Rosenbüschen, Levkojen und anderen Blumen. Das innere Viereck ward von einer hohen Mauer in zwei Höfe geteilt und am Ende eines jeden war ein Haus, das zwei große Säle von der ganzen Höhe des Gebäudes enthielt; an jeder Seite waren viele kleinere Gemächer in zwei Geschossen, von denen einige in die Säle hinein sahen. Der eine Hof enthielt weiter kein Gebäude, aber die drei übrigen Seiten des anderen waren mit Zimmern besetzt. Alle Fenster in diesem letzten Hofe waren mit Schiebern von offenem Holzwerk versehen, die, während sie das Licht und die Luft einließen, doch verhinderten, von außen in das Fenster zu sehen; in einigen Zimmern in beiden Höfen waren Öfen. Was uns am meisten auffiel waren die als Zuflucht gegen die Hitze des Sommers bestimmten Keller. Unter jedem Hause war einer; einer war nur ein geräumiger und schöner Saal aus gebrannten Ziegeln und Mörtel; aber der andere war genau nach demselben Plan und denselben Verhältnissen wie das Haus selbst, mit denselben Sälen und denselben Gemächern in zwei Stockwerken wie oberhalb der Erde. Diese ganze unterirdische Wohnung ward durch breite, aber niedrige Fenster nahe an der Decke erhellt. Der, von dem ich spreche, war unvollendet, aber fertig sind die Keller ebenso gemalt und mit Gerät versehen wie die oberen Zimmer, gemeiniglich befindet sich in der Mitte des Saales eine Quelle. Die Gemächer heißen Firsemines und Tekhahnis; selbst die Ärmeren in Peschawar haben sie unter ihren Häusern; in den gemäßigteren Landschaften, weiter nach Westen, sind sie nicht mehr nötig. Ich nahm bei heißem Wetter immer die Zuflucht in meinen Keller, und fand ihn ebenso angenehm wie gesund.
Am Tage unserer Ankunft bestand unser Mittagsmahl aus den uns vom König gesandten Schüsseln, die wir vortrefflich fanden. Hernach hatten wir immer unsere englische Küche; aber der König schickte uns beständig Frühstück, Imbiß und Mittagessen für uns nebst Lebensmitteln für 2000 Menschen, eine Zahl, die stärker war als die Gesellschaft, und 200 Pferde außer den Elefanten u.s.w. , und nicht ohne große Schwierigkeit konnte ich ihn nach einem Monat überreden, diese verschwenderischen Beweise seiner Gastfreiheit einzustellen.
Nach meiner Ankunft empfing ich Besuche von vielen vornehmen Personen, die von selbst oder von Seiten des Königs kamen […]
Die erste Woche nach unserer Ankunft verging, ohne daß wir dem König vorgestellt waren, weil über die Art der Vorstellung ein Streit entstand. Die gewöhnliche Etikette am Hof von Kabul schien uns ein wenig ungereimt, obgleich der Minister versicherte, daß die Gesandten von Persien und den Usbeken, selbst der Bruder des usbekischen Monarchen sich ihr unterworfen hätten. Zwei Offiziere, die ihn fest an den Rahmen halten, führen den Gesandten, der vorgestellt werden soll, in einen Hof. Wenn er den König erblickt, der an einem hohen Fenster erscheint, muß der Gesandte bis zu einer gewissen Entfernung laufen, wo er einen Augenblick anhält und für den König betet. Dann muß er wieder fortlaufen, und noch einmal beten; und wenn er den dritten Lauf vollbracht hat, ruft der König: „Kerlat!“ (ein Kleid), hierauf schreit ein Staatsbeamter „Dschetschin“, packt Euch, und der arme Gesandte muß aus dem Hof laufen und sieht den König nicht weiter, wenn er nicht in dessen Gemach gefordert wird.
Alles war indessen am Ende in Ordnung gebracht, und am Morgen des 5. März traten wir unseren Zug nach dem Palaste an. Der Weg durch die Straßen betrug etwa drei Viertelmeilen. Sie sowohl wie die Fenster und Dächer der Häuser wimmelten von Zuschauern. Endlich erreichten wir einen freien Raum unter dem Palast oder der Burg, wo sich der König aufhält; er war mit Leuten angefüllt, welche die Seite des Hügels bedeckten, worauf das Schloß steht, gleichsam wie die Zuschauer in einem Theater. Als wir das Tor erreichten, wo das königliche Musikkorps spielte, mußten wir den größeren Teil unserer Begleiter zurücklassen, auch ward verlangt, daß unsere Trommeln und Trompeten aufhören sollten. Einige Zeit, nachdem wir durch den Torweg gegangen waren, stiegen wir ab, und nachdem wir etwa hundert Ellen zurückgelegt hatten, gingen wir eine Treppe hinauf und traten in ein langes, schmales Zimmer, wo etwa hundert Personen in großer Ordnung längs den Wänden saßen; es hieß Kischik Kaneh oder Wachzimmer; es war nie schön gewesen und jetzt verfallen. Wir wurden nach dem Ende des Zimmer geführt; einige reich gekleidete Männer erhoben sich, als wir uns nahten, es empfing uns eine schöne und anständige Person, wie ich nachher erfuhr, der Imam des Königs oder der Vorsteher der Geistlichkeit. Er verbeugte sich, als ich herankam, nahm meine Hände zwischen die seinigen, und ließ mich neben sich setzen; hierauf hieß er mich willkommen und tat die gewöhnlichen Fragen. Mir gegenüber waren viele von den ersten Herren des Hofes; einige hatten Mützen, die mit Edelsteinen und Federn verziert waren, weiter nach unten befanden sich viele Perser und Duhraner, und noch tiefer unten einige Oberhäupter von den Gebirgsstämmen in der Nähe von Peschawar; ganz am Ende standen verschiedene Leute in den sonderbaren, phantastischen Mützen, wodurch die häusliche Dienerschaft sich unterscheidet; sie sind gewöhnlich rot oder schwarz, aber ihre Mannigfaltigkeit und wunderlichen Gestalten machen jede Beschreibung unmöglich; es verrät sich wenig Geschmack dabei, und sie machen keine gute Wirkung.
Der Imam hatte ein rötliches Gesicht und sah gutmütig aus, er war vierzig Jahre alt und trug einen mit Pelz besetzten Schalmantel und war in jeder Hinsicht wie ein Weltlicher gekleidet. Aber durch ein Gespräch über Religion, das er anknüpfte, verriet er sogleich seinen Stand; er fragte nach den verschiedenen Sekten unter den Christen und setzte diejenigen seiner Religion auseinander. Ein wohlgekleideter Mann von gutem Ansehen, der an der anderen Seite des Zimmers in einiger Entfernung saß, fragte darauf nach dem Zustand der Gelehrsamkeit in England, der Zahl der Universitäten und den Wissenschaften, die dort gelehrt werden. Nachdem diese Fragen beantwortet waren, verlangte er eine Erklärung unseres astronomischen Systems, aber in diesem Augenblick trat der Tschausch Bassa hinein und sprach einige Worte, worauf alle Anwesende, ausgenommen Mir Abdul Hassan und sein Sohn, aufstanden und ihm folgten. Wir hatten vorher mehr als einmal ein Geräusch gehört, das dem eines Kavalleriegefechts gleichkam; es ward verursacht durch die mit Eisen beschlagenen Stiefel der Wachen und Anderer, die in Abteilungen dem König vorgestellt wurden, um ihm ihre Aufwartung zu machen, und die sich in einem Sprung entfernten, wenn die Zeremonie vorüber war.
Jetzt blieben wir einige Zeit in dem Kischik Kaneh, und Mir Abdul Hassan unterhielt sich unterdessen mit uns; er verriet eine außerordentliche Unwissenheit in allen Dingen, die uns betrafen. Er hatte zuerst gedacht, daß Calcutta in England liege, und entdeckte nun seine Meinung, daß die Herren von der Gesandtschaft in Indien geboren wären, obgleich von englischen Eltern. Endlich kam der Tschausch Bassa zu uns, er hatte schrecklich über einer Liste unserer Namen geschwitzt, und mit dem Anschein großer Verlegenheit gab er es auf, über eine solche Sammlung von fremden Worten Herr zu werden. Er erklärte nun die zu beobachtenden Gebräuche auf eine sehr höfliche Art, und schärfte uns darauf ernstlich ein, ihm unsere Namen zuzuflüstern, wenn er uns anstoßen würde. Er führte uns darauf einen abhängigen Gang hinauf und durch ein Tor, worauf wir hinter einer Art Schirm gingen und plötzlich in einen weiten Hof traten, an dessen oberem Ende wir den König in einem erhöhten Gebäude erblickten.
Der Hof war länglich und hatte hohe Wände, worauf Zypressen gemalt waren. In der Mitte war ein Wasserbehälter und Springbrunnen. An jeder Seite der Mauern standen die königlichen Wachen drei Mann hoch, und an verschiedenen Stellen im Hofe die Staatsbeamten in verschiedenen Entfernungen vom König nach ihrem Range. Am Ende des Hofs war ein hohes Gebäude, dessen unteres Geschoß aus einer festen, mit falschen Bogen gezierten Mauer bestand, aber ohne Türen und Fenster war; darüber war ein zweites Stockwerk, deren Dach von Pfeilern und arabischen, sehr verzierten Bögen unterstütz ward. In dem Bogen des Mittelpunktes saß der König auf einem sehr großen goldenen oder vergoldeten Thron. Er sah königlich und prächtig aus; seine Krone und ganze Kleidung waren ein Juwelenschimmer. Er ragte über die Köpfe der Verschnittenen hervor, die seinen Thron umgaben, und welche die einzigen Personen in der großen Halle waren, wo er saß. Alle schwiegen, nichts regte sich; als wir den König erblickten, nahmen wir alle unsere Hüte ab und machten eine tiefe Verbeugung; wir hoben dann unsere Hände zum Himmel empor, wie wenn wir für ihn beteten, und nahten uns hierauf dem Springbrunnen, wo der Tschausch Bassa unseren Namen wiederholte, ohne irgendeinen Titel oder sonstige Ehrenbenennung; er schloß: „Sie sind aus Europa gekommen als Gesandte an Ew. Majestät: Mag dero Unglück auf mein Haupt fallen!“ (Eine Wunschformel wie diese wird immer gebraucht, wenn man sich an den König wendet. Sie entspricht dem „O König lebe ewig!“ der alten Perser.) Der König antwortete mit einer lauten und wohlklingenden Stimme: „Sie sind willkommen!“, worauf wir wieder für ihn beteten und die Zeremonie noch einmal wiederholten, er befahl darauf, uns Ehrenkleider zu reichen. Nun rief irgendein Hofbeamter einige türkische Worte aus, worauf eine Abteilung Soldaten auf jeder Seite abzog und aus dem Hofe lief; ihre Rüstung klapperte und die Stiefel machten das gewöhnliche Geräusch auf dem Pflaster. Der Ruf ward zweimal wiederholt, und jedesmal lief eine Abteilung der Truppe fort; beim vierten Ruf eilten die Chans auch davon, mit Ausnahme einer gewissen Anzahl, die jetzt Befehl erhielten, vorzutreten. Der König erhob sich unterdessen majestätisch von seinem Throne, stieg, auf zwei Verschnittene gelehnt, die Stufen hinunter und entzog sich unserem Anblick. Die Chans, die aufgerufen waren, liefen wie gewöhnlich davon, während wir zu dem Fuße einer mit einem sehr reichen Teppich bedeckten Treppe gingen; hier warteten wir, bis die Chans hinaufgelaufen und in Ordnung aufgestellt waren; dann stiegen wir hinauf und traten in den Saal, wo der König jetzt auf einem niedrigen Thron der Tür gegenüber saß.
Wir standen in einer Reihe, während der König von Kabul sich nach der Gesundheit Sr. Majestät des Königs und des Generalgouverneurs erkundigte, uns über die Länge unserer Reise fragte und den Wunsch äußerte, daß die Freundschaft zwischen seinem Volke und dem unsrigen immer zunehmen möge; auf alle diesen Fragen gab ich sehr kurze Antworten.
Die Herren von der Gesandtschaft zogen sich nun zurück, und nur Herr Strachey und ich blieben; wir wurden aufgefordert, uns neben Sr. Majestät zu setzen. Der Imam und der Munschi Bassa oder Obersekretär standen neben uns, und die andern Chans längs einer Seite des Saales. Der persische Brief des Generalgouverneurs ward jetzt geöffnet und mit auffallender Deutlichkeit und Zierlichkeit von den Munschi Bassa gelesen; der König gab eine passende Antwort, erklärte seine Freundschaft für das englische Volk, seinen Wunsch nach einer näheren Verbindung, und seine Bereitwilligkeit, allen Mitteilungen, womit ich beauftragt sein möchte, die größte Aufmerksamkeit zu widmen. Nachdem ich geantwortet hatte, veränderte er den Gegenstand und fragte über unsere Reise und unser Vaterland. Als er hörte, daß der Himmelsstrich und die Erzeugnisse Englands denen von Kabul sehr ähnlich wären sagte er, daß die beiden Königreiche durch die Natur zur Vereinigung bestimmt wären, und wiederholte seine Freundschaftsversicherungen. Hierauf fragte ich ihn, ob es ihm gefällig sei, jetzt von Geschäften zu reden? Er überließ es mir, welche Zeit die gelegenste sei, und ob ich mit ihm oder seinen Ministern unterhandeln wolle. Ich setze darauf weitläufig die Absicht meiner Gesandtschaft auseinander; der König erteilte mir eine sehr freundliche und verständige Antwort, und bald darauf beurlaubte ich mich.
Der König von Kabul ist ein schöner Mann, ungefähr dreißig Jahre alt, von Olivenfarbe, mit einem dicken schwarzen Barte. Der Eindruck seines Gesichtes ist würdig und einnehmend; seine Stimme hell und sein Betragen eines Fürsten angemessen. Wir meinten zuerst, daß er eine Rüstung aus Juwelen trage, allein bei genauer Untersuchung erkannten wir unseren Irrtum; wir fanden, daß seine wirkliche Kleidung aus einer grünen Tunica mit großen Blumen in Gold und kostbaren Steinen bestand; über diese war ein großer Brustlatz von Diamanten, der wie zwei flach gedrückte Lilien zusammengelegt war, einen ähnlichen Schmuck trug er an jeder Wade, große smaragdene Ringe an den Armen oberhalb des Ellenbogens, und viele andere Edelsteine an verschiedenen Stellen. In einem Armring war der Cohi-nur, einer der größten bekannten Diamanten der Welt. Er hatte auch einige Perlenschnüre wie einen Quergürtel lose umgewunden. Die Krone war ungefähr 9 Zoll hoch, nicht nach europäischer Art mit Edelsteinen verziert, sondern dem Anschein nach ganz und gar daraus zusammengesetzt; aber das Ganze war so verwickelt und blendend, daß es schwer war, sich einen Begriff davon zu machen, und unmöglich, es zu beschreiben. Der Thron war mit einem mit Perlen geschmückten Tuch bedeckt, worauf ein Schwert und eine kleine, mit Perlen besetzte Keule lag.
Das Zimmer war auf allen Seiten offen. Das Innere ward von vier Säulen getragen, in deren Mitte ein marmorner Springbrunnen war. Der Boden war mit den reichsten Teppichen bedeckt, und rings an den Ecken waren Streifen von Seide, mit Gold bestickt, worauf die Chans standen. Die Aussicht aus dem Saal war sehr schön; gleich unten war ein weitläufiger Garten voll Zypressen und anderer Bäume, und jenseits eine Ebene von dem reichsten Grün; hin und wieder waren Wasserstücke und schimmernde Ströme, und das Ganze ward von Bergen bekränzt; einige waren dunkel und andere mit Schnee bedeckt.
Als ich den König verließ, ward ich zum Kischik Kaneh zurückgeführt, wo alle Herren von der Gesandtschaft reiche Ehrenkleider erhielten. (Unsere Geschenke an den König wurden nach dem Palast getragen, während wir im Kischik Kaneh waren. Nichts konnte die Gemeinheit und Raubsucht der Beamten übertreffen, die sie in Empfang nahmen. Sie behielten die Kamele, worauf einige Sachen geladen waren, und legten auch auf vier Reitkamele Beschlag, die aus Versehen in den Palast gekommen waren. Sie beraubten die Elefantentreiber ihrer Kleidung und behaupteten im Ernst, daß zwei englische Diener, die mitgeschickt waren, um die Kronleuchter aufzuhängen, einen Teil des Geschenks ausmachten. Dem König gefiel von allen Geschenken, die ihm gemacht wurden, ein Paar prächtiger Pistolen am besten, die für den Großsultan gemacht worden waren, und eine Orgel. Er hatte unsere seidenen Strümpfe bemerkt und schickte einen Abgeordneten, um sich einige auszubitten; auch darüber war er sehr vergnügt.)
In der obigen Beschreibung habe ich mich hauptsächlich auf das Glänzende in der Zeremonie beschränkt; ich muß jedoch bemerken, daß, obgleich einige Dinge (der Anblick des Königs in Sonderheit) meine Erwartung übertrafen, sie bei andern dagegen sehr getäuscht ward, Alles verkündete weniger einen gedeihenden Staat als eine glänzende Monarchie im Verfall.
Elphinstone, Mountstuart
Geschichte der englischen Gesandtschaft am Hof von Kabul im Jahr 1808
1. Band, Weimar 1817