334 v. Chr. - Arrian
Alexander überquert den Hellespont
Nachdem er nun die Leitung der Angelegenheiten in Macedonien und Giechenland dem Antipater übergeben hatte, brach er mit Anfang des Frühling nach dem Hellesponte auf an der Spitze eines Heeres von nicht mehr als 30.000 Mann Fußvolks mit Einschluß der Leichtbewaffneten und Bogenschützen und über 5.000 Reitern. Er nahm seinen Zug längs des Cercinitschen Sees gegen Amphipolis und die Ausflüsse des Struma, setzte hier über diesen Fluß, rückte am Berg Pangäus hin bis zu den griechischen Seestädten Abdera und Maronea; kam von da zum Flusse Hebrus, ging ohne Schwierigkeit auch über diesen, rückte hierauf weiter durch Patica bis an den Melasfluß und langte, nachdem er diesen ebenfalls überschritten hatte, am zwanzigsten Tage nach seinem Aufbruch von Hause bei Sestus an. In Eläus, wo er nun einrückte, opferte er auf dem Grabe des Protesilaos, welcher ebenfalls für den gehalten wurde, der unter den mit Agamemnon vor Troja ziehenden Griechen zuerst den Boden Asiens betrat; und der Sinn des Opfers war, daß die Landung für ihn glücklicher sein möchte als für Protesilaos. Parmenio erhielt den Auftrag, den größten Teil des Fußvolks und die Reiterei von Sestus nach Abydos überzuschiffen. Der Übergang geschah auf 160 Dreiruderern und vielen anderen Lastschiffen. Alexander selbst soll – so lauten wenigstens die meisten Berichte – von Eläus aus, am Steuer des Admiralschiffes die Überfahrt persönlich leitend, in den Achäischen Hafen eingelaufen sein, und auf der Fahrt mitten im Hellespont einen Stier geschlachtet und dem Neptun und den Nereiden aus goldener Schale ein Trankopfer ins Meer gegossen haben. Auch soll er der erste gewesen sein, der vom Schiffe aus in voller Rüstung ans asiatische Ufer sprang, und soll sowohl an dem Orte, wo er von Europa in See stach, als wo er in Asien ans Land trat, Jupiter, dem Beschützer der Landung, und der Minerva und dem Hercules Altäre errichtet, auch nach seiner Ankunft in Troja der trojischen Minerva ein Opfer gebracht, seine eigene Rüstung als Weihgeschenk in ihrem Tempel aufgehängt und dafür etliche der heiligen Waffen genommen haben, die sich noch vom Trojanischen Kriege her erhalten hatten, und die er, wie man sagt, sich nun in Schlachten von seinen Rundschildnern vortragen ließ.
Arrians Werke, übersetzt und erläutert von Dr. C. Cleß;
Anabasis oder Feldzüge Alexanders
Erstes Bändchen, Stuttgart 1862