Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1896 - Caecilie Seler-Sachs
Schokolade in Tuxtla

Da meine Schokolade zu Ende ging, benutzte ich den Aufenthalt, mir neue machen zu lassen, denn hier saß ich an der Quelle. Sind doch Tabasco, Chiapas und Soconusco die eigentlichen Kakaoländer. Thomas Gage widmet bei Gelegenheit der Beschreibung seiner Reise durch Chiapas diesem Getränk ein ganzes Kapitel, das sehr ergötzlich zu lesen und aus dem manche medizinische und kulinarische Weisheit vergangener Tage zu entnehmen ist. Obgleich heutzutage die Schokolade in Europa fast jedermann bekannt sein dürfte, ist es vielleicht manchem nicht unerwünscht zu erfahren, wie man sie in ihrer Heimat zubereitet, wo sie seit alters her ein beliebtes und kostbares Genußmittel vorstellte, das auf der Tafel der mexikanischen Fürsten nicht fehlen durfte.
   Nachdem die Kakaobohnen (cacahuate, daher chocolate) geröstet sind, aber nicht zu scharf und dunkel, werden sie auf einem Mahlstein - ganz wie der Mais zu den Tortillas - zerquetscht. Dann wird Zucker und Gewürz dazwischengemengt und alles zusammen durcheinandergeknetet, während ein gelindes Feuer unter dem Mahlstein unterhalten wird, bis es eine gleichmäßige, zähflüssige Masse bildet. Diese wird zu Tafeln oder Kugeln geformt, die an der Luft langsam getrocknet werden. Das Gewürz wechselt nach Geschmack. Zucker muß aber wenigstens bis zu einem Drittel beigemischt werden, da die Masse sonst keinen Halt hat. Es ist eine eigene Kunst, diese Schokoladenbereitung, und nicht jede Frau ist eine gute Chocolatera. Keine noch so teure europäische Schokolade besitzt das Aroma dieser auf so primitive Art zubereiteten. Es setzte mich in einiges Erstaunen, daß die Frau, die mir in Tuxtla als Chocolatera empfohlen war, nicht wußte, was Vanille sei. Denn ob diese gleich überall unter denselben Bedingungen wächst wie der Kakao und mit ihm die Heimat gemein hat, so ist sie doch von den ausländischen Gewürzen vielfach verdrängt und wird in dieser Gegend gar nicht und überhaupt verhältnismäßig wenig angebaut, weil ihr Anbau mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft ist. Nur im Gebiete von Veracruz gibt es größere Vanillepflanzungen.

Seler-Sachs, Caecilie
Auf alten Wegen in Mexiko und Guatemala: Reiseerinnerungen aus den Jahren 1985 bis 1897
Wien 1992

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