1828 - Henry Ward
Guernavaca
Die Entfernung von Mexico nach Guernavaca übersteigt nicht zwanzig Lieues, läßt sich aber der steilen Berge wegen schwerlich in einem Tag zurücklegen. Ich verließ deshalb die Hauptstadt am Abend des 27ten Februars und schlief im Dorfe San Augustin de las Cuevas, ungefähr vier Lieues von Mexiko. Dies war früher der Lieblingsaufenthalt des mexikanischen Adels, wurde aber während der Revolution verlassen, da er zu sehr den Angriffen der Insurgenten ausgesetzt war; er wird jetzt nur während des großen Jahrmarktes im Mai besucht. Da der Hauptgegenstand des Marktes nur das Vergnügen betrifft, so fehlt dann niemand aus Mexico, der nur einen Thaler zusammengespart, geborgt oder gebettelt hat. Die Häuser werden schon mehrere Monate vorher gemietet und für die drei Tage mit dreihundert bis fünfhundert Dollars bezahlt. Unter den Damen herrscht die Sitte, ihren Anzug vier- oder fünfmal am Tage zu wechseln; zuerst für die Morgenpromenade vor dem Frühstück, dann für den Hahnenkampf, der gewöhnlich um zehn Uhr anfängt, darauf für das Mittagessen, nachher für den Calvario, wo sich meistens ein Kreis zum Tanzen bildet, und zuletzt für den öffentlichen Ball, der um acht Uhr anfängt und bis 12 Uhr dauert. Ungeheure Geldsummen werden im Laufe des Tages von den Männern gewonnen und verloren, sowohl durch Wetten auf ihre Hähne, wie auch an den Montetafeln, von denen sich fast in jedem Hause eine findet. Es gibt Silbermontes für die niederen Klassen, aber auf allen anständigen Banken sieht man nur Gold, und unter einer Dublone darf nicht gesetzt werden: 50 oder sechzig sind ein gewöhnlicher Satz auf eine Karte und ich selbst habe 620 wagen und gewinnen sehen. Überhaupt ist der Einsatz nicht beschränkt, doch befindet sich die Bank sehr im Vorteil und es gehört schon großes Glück dazu, lange hintereinander zu gewinnen.
Während des ganzen Marktes sind die Straßen und Plätze bei Tage wie bei Nacht von einer unzähligen Menge Menschen angefüllt, die ihr Lager unter Gottes freiem Himmel aufschlägt. Man findet Mundvorrat aller Art in eigens dazu errichteten Buden. Pferde und Maultiere rasten in jeder Richtung rund um die Stadt. Hütten sind für kurze Zeit aus Tischen und Matten erbaut, und da eine Menge Blumen dabei verbraucht wird, so gibt es nichts Bunteres als diesen Anblick. Am Abend wird der Hahnenkampfplatz gedielt und erleuchtet, die Bänke werden mit Kissen versehen und Spiegel an den hölzernen Pfeilern aufgehängt und da der Giebel, der aus Schindeln besteht, mit grünen Büsche verdeckt wird, so bildet das Ganze einen hübschen runden Ballsaal, in dem man zu gleicher Zeit die Elite und den Auswurf der mexikanischen Gesellschaft findet. Im Zentrum werden jedoch nur wohlgekleidete Personen zugelassen; das Volk muß sich mit den höheren Bänken begnügen und übt hier das Recht der Galerie aus, indem es auf eine höchst laute Weise diese oder jene Dame, deren Tanz das Glück hat, ihm zu gefallen, seinen Beifall zuklatscht, oder auch gelegentlich sich einen Lieblingstanz erbittet, worin man ihm nicht selten willfährig ist.
Am 26ten Februar verließ ich San Augustin in der Frühe. Unmittelbar hinter demselben fängt der Boden an, sich zu erheben, und die Reise wird doppelt mühselig durch das Arenal, ein Lager von dunkelblauem Sande, das sich ungefähr zwei Lieues weit ausdehnt und Pferde und Maultiere sehr erschöpft, indem es sie hindert, festen Fuß zu fassen. Die Straße geht bei dem Dorfe Ajusco und der Venta del Guarda vorbei. Von hier windet es sich über Felsen und Pinienwälder bis zur Cruz del Marques, einem Punkte von ungefähr 2.360 Fuß Höhe über der Fläche der Hauptstadt. Hier beginnt die Abfahrt nach Guernavaca; sie dauert ununterbrochen ungefähr vier Lieues bis zum Pueblo von Juchilac, wo sich die ersten Zeichen der Annäherung an die tierra caliente finden. Diese nehmen schnell in Richtung nach Guernavaca zu, bis in den Ebenen unmittelbar unter der Stadt das Klima und die Produkte des Flachlandes durch die der Küste ersetzt werden. Der Übergang ist deshalb schneller, weil die Täler an der Seite des Stillen Ozeans vor den Nordwinden geschützt sind, die einen so bedeutenden Einfluß auf die Vegetation haben.
Die Stadt Guernavaca liegt 2.040 Fuß tiefer als Mexico. Sie ist an und für sich nicht sehr bedeutend und gewinnt nur Interesse durch den Reichtum des sie umgebenden Distrikts. Während der beiden Tage, die ich dort zubrachte, besuchte ich zwei Zuckerplantagen, San Gabriel und Atla Comolco. Der Durchschnittsertrag von San Gabriel beläuft sich auf 40.000 Arrobas Zucker, der von Atla Comolco nicht über 30.000. Dafür ist hier aber eine Kaffeepflanzung von 50.000 jungen Bäumen, welche sehr gut zu gedeihen schienen. Die Hitze, welche nach zehn Uhr sehr drückend wurde, hinderte mich, größere Exkursionen zu machen, obgleich die Schönheit des Bodens und der Überfluß an Wildbret mich zu jeder anderen Zeit dazu verleitet haben würden.
Das Tal von Guernavaca wird von dem von Cuautla durch eine Hügelreihe getrennt, welche etwas jenseits von Atla Comolca anfängt, und sich ungefähr vier Lieues nach Südosten ausdehnt, wo sie mit zwei sonderbaren Hügeln, Las Tetillas genannt, endigt. Von diesen herab steigt man auf eine niedrige Terrasse, welche am Fuße mit den Dorf Yautepec anfängt, einem der schönsten Orte, die ich je gesehen habe. Der Reichtum der Einwohner besteht hauptsächlich in Orangenhainen, die ihre Häuser umgeben und die Hauptstadt, so wie La Puebla, mit dieser Frucht versorgen. Einer der zahlreichen Bergströme, die von dem Flachlande herunterkommen, läuft mitten durch das Dorf und verteilt Fruchtbarkeit nach beiden Seiten. Bei jeder Hütte ist ein kleiner Garten und das glänzende Weiß dieser Wohnungen sticht auf reizende Weise gegen das dunkle Grün der Orangenbäume ab. Yautepec liegt ungefähr fünf Lieues von Guernavaca und vier von Cocoyoc, einer Hacienda, wo ich mehrere Tage zubrachte, da ich von hier aus am besten die Stadt Yautla und die benachbarten Besitzungen besuchen konnte. Mit Ausnahme einer Lieue harter Felsgegend, wo unsere Pferde kaum Fuß fassen konnten, ging unser Weg durch ein fruchtbares und durchaus reizendes Land, das von hundert kleinen Flüßchen bewässert wird und mit einer Menge Haciendas besetzt ist, von denen wir die beträchtlichste, San Carlos, besuchten.
Trotz der Hitze brachten wir es während unseres zweitägigen Aufenthaltes zu Cocoyoc durch frühes Ausreiten dahin, die Stadt Cautla Amilpas und die Haciendas von Pantitlan, Casasano, Santa Ines, Calderon und Cohahuistla, die uns einen deutlichen Begriff von den Zuckerpflanzungen in Mexiko geben, zu besuchen. Die Bevölkerung des Tals hat offenbare Spuren späterer Mischung mit afrikanischem Blute. Die Hautfarbe ist dunkler, und das den Abkömmlingen der Ureinwohner eigentümliche Haar wird durch krause oder wollige Locken ersetzt. Die Männer sind von schöner starker Rasse, aber wild sowohl in ihrem Äußeren wie in ihren Gewohnheiten. Sie freuen sich an brennenden Farben wie an der geräuschvollen Musik der Neger und bilden, von berauschenden Getränken oder Tanz erhitzt, einen merkwürdigen Kontrast im Vergleich zu den unterwürfigen Indianern des Flachlandes.
Cuautla Amilpas, welches vier Lieues von Cocoyoc und 13 von Guernavaca entfernt ist, hat sich gänzlich von den Verwüstungen der ersten vier Jahre des Bürgerkriegs erholt. Die indianische Vorstadt ist außerordentlich hübsch, die Stadt selbst aber eben nicht darauf eingerichtet, einen lagen angriff abzuhalten.
Am 4ten März verließ ich Cocoyoc, nicht ohne Bedauern, da die Gegend und die Aussicht, besonders die auf den Popocatepetl von dem Balkon aus, wo wir des Abends zu sitzen pflegten, so außerordentlich schön war.
Ward, Henry George
Mexiko im Jahre 1827
Weimar 1828