Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1676 - William Dampier
Die Wirtschaft von Campeche

Es ist aber die Bucht Campeche ein ziemlich tief in das Land dringendes Stück See zwischen dem Cap Condecedo an der Ostseite und einem Vorgebirge, das westwärts aus dem gebirgigen Lande von S. Martin herauskommt. Diese zwei Plätze mögen wohl hundertzwanzig Meilen auseinander sein; man dort findet große, schiffreiche Flüsse, stehende Seen und dergleichen, von welchen ich nach der Ordnung wie auch von der Beschaffenheit des Landes an der Küste, dem Boden, Früchten und dergleichen handeln, und auch einige Anmerkungen über die Bäume, Pflanzen und andere Gewächse, Tiere und Einwohner des Landes machen will.
   Vor dem Cap Condecedo liegen vierzehn oder fünfzehn Meilen Salzgruben, die Küste streckt sich gegen Süden und die Bucht, die dazwischen ist, ist ganz sandig, wie auch das Land, und dieses noch dazu ganz dürr, es trägt nichts als kleine geringe Bäumchen. Auf halbem Wege zwischen den beiden Plätzen oberwärts des Wahrzeichens der höchsten Flut mag man im Sande graben, so wird man sehr gut süßes Wasser finden.
   Bei der Salzlache, die hart an der See liegt, ist ein kleiner Hafen, der für Barken sehr bequem ist, aber nicht über sechs oder sieben Fuß tief Wasser hat. Die Lache selber ist sehr groß, gehört der Stadt Campeche, und gibt viel Salz. Wenn das Salz Körner bekommt, wie es in den Monaten Mai und Juni geschieht, geben die Spanier den Indianern Befehl, hinzugehen und es am Ufer zu sammeln; da sie dann Haufen in Form einer Pyramide, nämlich unten breit und oben spitzig, wie den Giebel einen Hauses, daraus machen, auf die sie dürres Gras und Zweige von Sträuchern legen und das alles hernach mit Feuer anstecken, wodurch denn das oberste Salz ganz hart gebrannt wird und eine schwarze Rinde bekommt, welche es wider allen Regen, der alsdann anhebt, verwahrt, dass der Haufen auch in der größten Nässe keinen Schaden leidet, sondern trocken bleibt. Die vorgenannten Indianer, die das Salz in Haufen sammeln müssen, arbeiten wechselweise daran und weniger nicht als vierzig oder fünfzig Familien auf einmal. Sie haben zwar keine Häuser, worinnen sie wohnen könnten, achten es aber auch nicht groß, denn sie werden alle Woche von einer neuen Gesellschaft ihrer Landsleute abgelöst. Sie schlafen alle auf dem Felde unter freiem Himmel, einige auf der bloßen Erde, andere auf elenden Hängebetten, die sie entweder an Bäume oder eingeschlagenen Pfählen festmachen. Ihre Nahrung ist nicht besser als ihr Lager, denn so lange sie hier bleiben, essen sie nichts als Tortillas und Posole. Tortillas sind eine Art kleiner Kuchen von indianischem Kornmehl [Mais], und Posole ist gekochtes indianisches Korn, wovon sie auch ihren Trank machen.
   Wenn die Zeit, das Salz zu machen, vorbei ist, gehen die Indianer wieder nach Hause und haben weiter nichts damit zu tun, aber die Spanier von Campeche, denen es gehört, schicken ihre Barken oft hin, um Salz von dort abzuholen und die Schiffe, welche auf der Reede von Campeche liegen, damit zu beladen, welche es hernach in allen Häfen der mexikanischen Bucht und vornehmlich nach Alvarado und Tompeck, welches zwei Städte sind, da großer Fischhandel getrieben wird, führen. Ich glaube auch, dass man alle benachbarten Städte daher versorgt, da an der ganzen Küste sonst nirgends als hier und an einem [anderen] Ort Salz gemacht wird. Dieser Salzhafen wurde auch von den englischen Holzhauern von Jamaica oft besucht; wenn sie etwa eine Bark dort antrafen, sie mochte leer oder beladen sein, hatten sie gar keine Scheu, sich ihrer zu bemächtigen, und sie samt den Indianern, die sie darauf fanden, zu verkaufen. Zur Ursache wandten sie vor das Recht der Wiedervergeltung, indem sie ehemals auch allerhand üble Behandlung von den Spaniern hätten erdulden müssen; allein, wenn man es bei Lichte besieht, war es nur eine Bemäntelung, zum wenigsten wußten die Gouverneure von Jamaica von nichts und die Spanier wollten auch nicht klagen, weil sie dazumal selbst alle englischen Schiffe, die sie in selbiger Gegend ertappen konnten, wegnahmen und sogar die nicht schonten, die mit Zucker beladen waren und von Jamaica nach England gehen wollten, zumal wenn sie Campeche-Holz geladen hatten. Dieses geschah öffentlich, und sie führten die Schiffe nach Havanna und verkauften sie dort, steckten auch die Leute von den Schiffen in die Gefängnisse, ohne sie wieder loszulassen.
   Von der Salzlache bis nach der Stadt Campeche ist es ungefähr zwanzig Meilen; die Küste erstreckt sich aus dem Süden ein Viertel nach Osten. Die ersten vier Meilen an der Küste hin ist das Land voll Wasser und überall mit Mangle-Bäumen [Mangroven] bewachsen, zwei Meilen aber ungefähr südwärts von der Lache und etwa zweihundert Ruten von der See ist eine Quelle süßen Wassers, welche die Indianaer, die in Barken oder Kanus hier vorbei fahren, stets besuchen, denn es ist in der ganzen Gegend sonst kein Baum anzutreffen. Es ist ein kleiner Fußsteig von Kot, der zwischen den Mangle-Bäumen dahin führt; wenn man nun da hindurch ist, wird die Küste immer höher und höher und man findet sandige Buchten, wo die Schaluppen gar bequem landen können. Das Frischwasser aber ist nicht mehr zu finden, bis man an den Fluss kommt, der bei der Stadt Campeche vorbei läuft. Weiterhin ist das Land längs der Küste zum Teil voll von Mangle-Bäumen, das Erdreich aber selbst überall dürr und nicht sonderlich fruchtbar, trägt auch nur gar wenig elendes Strauchwerk, aber gar kein Färbeholz, Logwood genannt, welches an der ganzen Küste, auch von Cap Catoch bis an die Stadt Campeche, gar nicht wächst.
   Sechs Meilen ungefähr von Campeche ist ein Hügel, Hina genannt, wo die Freibeuter meistens Anker werfen und auf die Spitze Schildwachen stellen, um die Schiffe, die unter Segeln sind, zu entdecken. Man findet da viel und gutes Brennholz, aber kein Wasser. Hart am Ufer kann man wohl ganz oben auf dem Wasser eine unsägliche Menge derjenigen Muschelfische fangen, welche die Engländer Pferdefuß nennen, weil das unterste Teil oder der Bauch derselben platt ist, und sowohl der Gestalt als auch der Größe nach dem Huf eines Pferdes ähnlich sieht; der Rücken aber ist rund wie an einer Schildkröte, und die Schale dünn und zerbrechlich wie an einem Seekrebse. Sie haben auch etliche kleine Scheren und werden für eine ganz gute Speise gehalten; ich aber habe sie nie gekostet.
   Fünf- bis sechsundzwanzig Meilen im Norden von Hina und dreißig von Campeche sind drei kleine niedrige Inseln, südwärts von denen man eine sehr gute Reede, aber weder Holz noch Wasser findet, und an Tieren sonst keine als eine unsägliche große Menge Ratzen [Ratten] und viel Boubien [kleine Wasservögel] und Kriegsmänner. Diese Inseln werden der Triangel genannt, weil sie mit ihrer Lage eine solche Figur bilden. Es liegen auch nur diese und die Akranen nicht weit vom Lande; zum wenigsten sind es die einzigen, die ich auf der ganzen Küste gesehen.
   Von Hina nach Campeche ist es, wie schon erwähnt, sechs Meilen. Es ist aber dieses Campeche eine sehr schöne Stadt, sie liegt am Ufer des Meeres in einem kleinen Grunde, ist auch die einzige an der ganzen Küste, welche am Meer liegt. Sie ist ganz von guten Steinen erbaut, was ihr ein gutes Ansehen gibt. Die Häuser sind nicht hoch, aber die Mauern sehr stark, die Dächer auf spanische Art platt und mit Ziegeln gebaut. An der einen Ecke hat sie eine gute Zitadelle oder Festung mit viel Kanonen besetzt, worinnen der Gouverneur wohnt und eine kleine Garnison zur Sicherung der Stadt bei sich hat. Ob nun gleich diese Festung die Stadt und den Hafen kommandiert, so ist sie doch zweimal eingenommen worden. Das erste Mal durch den Ritter Christoph Mims um das Jahr 1659, der den Gouverneur anfangs aufforderte, er sollte sich ergeben, auch zwei Tage auf seine Antwort wartete, ehe er sein Volk an Land setzte, hernach aber nur mit dem bloßen kleinen Geschoß, ohne ein einziges grobes Geschütz, im Sturm wegnahm. Ich habe gehört, dass, als ihm die Freibeuter von Jamaica geraten, sie bei Nacht durch eine Kriegslist zu überrumpeln, er zur Antwort gegeben, er schäme sich, einen Sieg zu stehlen, hätte auch, da er auf den Platz losgegangen, durch Trommeln und Pfeifen dem Feinde seinen Anzug gleichsam angekündigt, und doch dem allen ungeachtet, die Festung bald überstiegen und sich zugleich Meister von der Stadt gemacht.
   Das andere Mal nahmen sie um das Jahr 1678 englische und französische Freibeuter durch folgende List ein: Sie waren in der Nacht zwei Meilen von der Stadt ausgestiegen und hatten einen Fußsteig gefunden, der sie geraden Weges darauf zuführte. Des Morgens mit anbrechendem Tage, als sich die Einwohner zu rühren anfingen, zogen sie hinein; es steckten zwar die Leute, die das Gerassel auf der Gasse hörten, die Köpfe zum Fenster hinaus, zu sehen, was da wäre, da sie aber gewahr wurden, dass bewaffnete Leute zur Festung marschierten, dachten sie, es wären Soldaten von der Besatzung, die vom Land wiederkämen, denn es waren etwa vierzehn Tagen oder drei Wochen zuvor eine Partie ausgeschickt worden, einige Indianer, so sich empört (wie es in diesem Lande nichts Neues ist) wieder zum Gehorsam zu bringen. Vermittelst dieser Einbildung nun zogen die Freibeuter durch alle Gassen, bis zu der Festung, ohne die geringste Verhinderung, ja die Bürger wünschten ihnen einen guten Morgen und Glück zu ihrer Wiederkunft; so wenig dachten sie, dass es Feinde waren. Als aber die Freibeuter an die Festung kamen, gaben sie alsobald auf die Schildwachen, die an der Mauer standen, Feuer, und taten zugleich einen heftigen Angriff, wobei sie zwei kleine Stücke, die sie auf dem Waffenplatz gefunden, gegen das Tor der Festung pflanzten und darauf schossen, dass sie in kurzer Zeit Meister davon wurden. Sonst ist die Stadt gar nicht reich, obwohl sie, wie gesagt, der einzige Seehafen an dieser Küste ist. Die vornehmste Ware, so hierzulande gemacht wird, ist die baumwollene Leinwand, welche sowohl die Indianer als die armen Spanier zur Kleidung gebrauchen. Es werden auch Segel für die Schiffe davon gemacht, und sie wird zu eben diesem Gebrauch auch außer Landes verschickt.
   Außer dieser Leinwand und dem Salz wüßte ich nicht, dass man etwas anderes aus diesem Lande führt. Ehemals war hier der Hauptplatz des ganzen Färbeholz-Handels, und aus dieser Ursache nennt man es auch noch heutzutage Palo de Campeachy, das heißt Campeche-Holz, obgleich es bis auf vierzehn Meilen herum keines mehr gibt.

Dampier, Wilhelm
Der Reise um die Welt anderer Teil
Leipzig 1703

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