1906 - Kapitän Lübbert
Das Forschungsschiff Planet am Krakatoa
Am Nachmittag des 2. August wurde der berüchtigte Vulkan Krakatoa passiert, bekannt durch seinen Ausbruch am 27. August 1883.
Das Wasser der Meerenge war spiegelglatt, und neben dichten Haufen von Phycochromaceen sah man Bimsstein teilweise wie weissen Sand in grösseren Haufen vorbeitreiben. Die Bimssteinmassen erwiesen sich als Abbröckelungen von den steilen Kraterwänden. Der Paroxysmus von 1883 hat den Kegel, der dem Meere entragte, in zwei Teile auseinandergesprengt. Die östliche Hälfte blieb stehen, ein Teil der westlichen Hälfte wurde ins Meer geschleudert. Die nordwestlich von Krakatoa liegendeVerlaten-Insel ist durch den Vulkanausbruch fast dreimal so gross geworden, dagegen erscheint die nördlich liegende Lang-Insel wenig Veränderung erfahren zu haben; erstere ähnelt einem Alligator, letztere hat - namentlich vom Norden gesehen - das Aussehen eines Walfisches. Der Hauptinsel zugekehrt zeigt Verlaten-Insel eine 20-30 m hohe senkrechte Felswand aus hellem, tonartigem Gestein, so dass man Kreidefelsen vor sich zu haben glaubt, wenn nicht die teilweise grossen schwarzen Flächen an die wahre Natur gemahnten. Westwärts trägt die kleine Insel einen Hain von tamariskenähnlichen Bäumen, wie überhaupt der ganze grosse Hauptberg, auch das Kraterinnere, sich mit Grün bezogen hat. Sogar stattliche Bäume waren vorhanden, Pandanus und Palmen von 4-6 m Höhe, und dies nach 23 Jahren, nach fast absoluter Zerstörung alles Organischen im Bereich des Berges. So mächtig wirkt die Naturkraft, so rasch begründet sich wieder eine Vegetation in den Tropen. Ein grandioser Anblick von dem kleinen "Planet" aus, der mit grossem Geschick auf Steinwurfweite an die senkrechte FeIswand heranmanöveriert war, welche einen Vulkandurchschnitt darstellt, wie ihn die idealsten Konstruktionen geologischer Lehrbücher nie zu geben vermögen. Schichten lagerten konzentrisch auf Schichten, ein richtiger Stratovulkan.
Die Lager fallen beiderseits dachförmig ab, aber nicht so stark als die Böschung der Aussenhaut, die grösstenteils, in den oberen Partien wenigstens, unter 45° zu bleiben scheint. Der Abfall der zentralen Schichten beginnt aber nicht firstartig von einem Punkt, sondern der obere Teil des Zentrums wird von einem grossen, massiven, homogenen, schwarzen Pfropf eingenommen, der zweifellos dem Krater das Ventil verstopft hat, so dass die Explosion zustande kam. Und welch starker Druck von unten her erfolgte, zeigen die zahllosen mauerähnlichen Quergänge, welche von unten her in das harte Gestein hineingetrieben sind. Kern- und Quergänge sehen aus wie eine grosse Rübe mit ihren fadenförmigen Wurzeln. Und die Schichten wechselten eigenartig in der Farbe. Da war ein ca. 10 m hohes weisses, tonartiges Band mit Lapilli darin und unter ihm liegend ein ca. 20 m hoher Streifen einer rosafarbenen Lavaschicht und über beiden eine ziegelrote Mauer, mit weissen Streifen, wie wenn Kalkwasser über eine rote Wand geflossen ist. Ganz oben in luftiger Höhe liegt eine wohl 50-100 m hohe Bimssteinwand. Allenthalben ragen die spitzen Zacken empor, wie Geistergestalten herabwinkend. Die tropischen Regenfälle haben in dieser losen Masse tüchtig gewütet, denn, von Nord und Ost gesehen, gewahrt man an den oberen Bergflanken ein Chaos von Schluchten und Felsgraten, die dem Besteiger ein heimliches Grauen entlocken müssen.
Forschungsreise S.M.S. Planet 1906/7
1. Band Reisebeschreibung, bearbeitet durch Korvetten-Kapitän Lübbert
hrg. vom Reichs-Marine-Amt
Berlin 1909