1829 - Gustav Rose
Mit Alexander von Humboldt auf dem Weg nach Sibirien:
Die Verbannten
Zwischen Kasan und Perm
Unser Ziel war also die Stadt Perm, welche von Kasan 574 Werst [612 km] entfernt ist. Der Weg ist die ersten Stationen von Kasan nicht unangenehm, und führt zum Teil durch einen schönen Wald von Pappeln, Eichen und Linden, doch ist er äußerst sandig. Bei Arks, der zweiten Station von Kasan, kamen wir aber auf einen festen fruchtbaren Lehmboden, welcher ziemlich den Tag über anhielt, und auf welchem uns die Tataren, die auch hier die umliegenden Ortschaften bewohnen, mit gewohnter Schnelligkeit beförderten.
Auf diesem Wege sahen wir zum ersten Mal einen Transport von Verbannten, die nach Sibirien geschickt wurden. Er bestand aus Frauen und Mädchen, 60 – 80 an der Zahl. Sie gingen frei, waren also nur leichtere Verbrecher; schwerere, wie wir dergleichen auf der Fortsetzung unserer Reise begegneten, gehen zu beiden Seiten eines langen Taues, an welches sie mit einer Hand befestigt sind. Ein jeder solcher Transporte wird von Baschkiren escortirt, die beritten, mit Lanze, Pfeil und Bogen bewaffnet und mit ihren spitzen Mützen, zottigen Mänteln und ihrer eigentümlichen Gesichtsbildung, worin sie sich schon den Kalmücken nähern, durch Abbildungen und Beschreibungen bekannt genug sind. Bei allen Stationen, etwa alle dreißig Werst, sind auf diesem Wege, der Hauptstraße nach Sibirien, hölzerne, mit Palisaden umgebene Gebäude gebaut, in welchen die Verschickten, wie man in Russland die nach Sibirien Verbannten nennt, die Nächte zubringen und den vierten Tag Ruhetag halten. Das öftere Zusammentreffen mit ihnen ist keine Annehmlichkeit der Strasse nach Sibirien, doch ist ihre Behandlung, so weit ich sie gesehen habe, nicht schlecht; die Stationen sind nicht zu groß, aber der Weg ist doch durch die außerordentliche Länge sehr beschwerlich.
Rose, Gustav
Reisen nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere
Berlin 1837