Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1859 - Ferdinand von Hochstetter
Die weißen und rosa Terrassen am Lake Rotomahana
(vom Vulkanausbruch 1886 zerstört)

Das Hauptinteresse knüpft sich ans östliche Ufer. Da liegen die bedeutendsten der Quellen, welchen der See seinen Ruf verdankt, und die zum Großartigsten gehören, was man überhaupt an heißen Quellen kennt.
    Obenan steht Tetarata (tätowierter Fels) am nordöstlichen Ende des Sees.
    Dieser gewaltige kochende Sprudel mit seinen weit in den See hineinreichenden Sinterterrassen ist das wunderbarste unter den Wundern des Rotomahana. Etwa 80 Fuß hoch über dem See an einem farnbewachsenen Hügelabhang, an welchen an zahlreichen, durch Eisenoxyd geröteten Stellen heiße Wasserdämpfe entweichen, liegt in einem kraterförmigen, nach der Seeseite gegen West offenen Kessel mit steilen, 30 bis 40 Fuß hohen, rot zersetzten tonigen Wänden das große Hauptbassin des Sprudels. Es ist bei 80 Fuß lang und 60 Fuß breit und bis an den Rand gefüllt mit vollkommen klarem, durchsichtigem Wasser, das in dem schneeweiß übersinterten Becken wunderschön blau erscheint, türkisblau oder wie das Blau mancher Edelopale. Am Rande des Bassins fand ich eine Temperatur von 84 °C, in der Mitte aber, wo das Wasser fortwährend mehrere Fuß hoch aufwallt, wird es Siedehitze haben. Ungeheure Dampfwolken, die das schöne Blau des Beckens reflektieren, wirbeln auf und verhindern meist den Anblick der ganzen Wasserfläche; aber das Geräusch des Aufwallens und Siedens kann man stets deutlich vernehmen. Akutina, der Eingeborene, der mir als Führer diente, sagte aus, dass bisweilen plötzlich die ganze Wassermasse mit ungeheurer Gewalt ausgeworfen werde und dass man dann gegen 30 Fuß tief in das leere Bassin blicken könne, das sich aber sehr schnell wieder fülle. Nur bei heftigem, anhaltendem Ostwind sollen solche Eruptionen vorkommen. Die Bestätigung dieser Angabe wäre von großem Interesse. Wenn dem so ist, ist die Tetarata-Quelle ein in langen Perioden spielender Geysir, dessen Eruptionen an Großartigkeit vielleicht den berühmten Ausbrüchen des großen Geysirs auf Island gleich kommen. Das Tetarata-Becken ist größer als das Geysir-Becken, die ausgeworfene Masse muss daher eine ungeheure sein.
    Das Wasser reagiert neutral, hat einen schwach salzigen, aber keineswegs unangenehmen Geschmack und besitzt in hohem Grad die Eigenschaft zu versteinern oder richtiger zu versintern oder zu inkrustieren. Der Absatz ist, wie bei den isländischen Quellen, Kieselsinter oder Kieseltuff, und der Abfluss des Sprudels hat am Abhang des Hügels ein System von Kieselsinterterrassen gebildet, die weiß, wie aus Marmor gehauen, einen Anblick gewähren, den keine Beschreibung und kein Bild wiederzugeben vermag. Es ist, als ob ein über Stufen stürzender Wasserfall plötzlich in Stein verwandelt worden wäre.
    Der flach ausgebreitete Fuß reicht weit in den Rotomahana hinein. Darauf beginnen die Terrassen mit niederen Absätzen, welche seichte Wasserbassins tragen. Je höher nach oben, desto höher werden die Terrassen, 2, 3, manche auch 4 oder 6 Fuß hoch. Sie sind von einer Anzahl halbrunder Stufen oder Becken gebildet, von welchen sich jedoch nicht zwei in ganz gleicher Höhe befinden. Jeder dieser Stufen hat einen kleinen erhabenen Rand, von welchem zarte Tropfsteinbildungen auf die tiefere Stufe herabhängen, und ein bald schmälere, bald breitere Plattform, die eine oder mehrere im schönsten Blau schimmernde Wasserbecken umschließt. Diese Wasserbecken bilden eben so viele natürliche Badebassins, die der raffinierteste Luxus nicht prächtiger und bequemer hätte herstellen können. Man kann sich die Bassins seicht und tief, groß und klein auswählen, wie man will, und von jeder beliebigen Temperatur, da die Bassins auf den höheren, dem Hauptbassin näher gelegenen Stufen wärmeres Wasser enthalten als die auf den tiefen Stufen. Einige der Becken sind so groß und tief, dass man bequem darin herumschwimmen kann.
    Indem man die Stufen hinansteigt, muss man natürlich in dem lauwarmen Wasser waten, das sich neben den tieferen Becken auf der Plattform der Stufen ausbreitet, aber selten über die Knöchel reicht. Man darf sich jedoch keine dampfenden Kaskaden von Stufe zu Stufe denken. Nur ausnahmsweise bei heftigeren Wassereruptionen aus dem Hauptbassin mag dies der Fall sein, für gewöhnlich rieselt sehr wenig Wasser über die Terrassen, und nur der Hauptabfluss an der Südseite bildet einen heißen Bach mit dampfenden Wasserfällen. Hat man die  höchste Terrasse erreicht, so befindet man sich auf einer breiten Plattform, in die mehrere, 5 bis 6 Fuß tiefe prächtige Badebassins eingelassen sind, deren Wasser eine Temperatur von 30, 40 und 50 °C hat. In der Mitte dieser Plattform erhebt sich inselartig dicht am Rande des Hauptbassins, ungefähr 12 Fuß hoch eine mit Manuka-Gebüsch (Leptospermum), mit Moosen, Lykopien und Farnen überwachsene Felsinsel, die man ohne Gefahr betreten kann, und von der aus man in das blaue, kochende und dampfende Hauptbassin blickt. Solcher Art ist der berühmte Tetarata-Sprudel. Das reine Weiß der Sinterbildungen im Gegensatz zum Blau des Wassers, zum Grün der umgebenden Vegetation und zu dem intensiven Rot der nackten Erdwände des Wasserkraters, alles das ergibt  zusammen ein Bild, das einzig in seiner Art ist …
    Am westlichen Ufer [des Sees] bildet der große Terrassensprudel Otukapuarangi (Wolkige Atmosphäre) das Gegenstück zum Tetarata-Sprudel. Die Stufen reichen bis zum See, und man steigt wie auf einer künstlichen Marmortreppe, die zu beiden Seiten mit Manuka-, Manuwai- und Tumingi-Gebüsch geschmückt ist, in die Höhe. Die Terrassen sind jedoch nicht so großartig wir die Tetarata-Terrassen, dagegen zierlicher und feiner in ihrer Bildung. Dazu verleiht ein sanftes Rosarot, mit dem das leichte Gebilde angehaucht ist, dem Ganzen besondere Schönheit. Die Plattform liegt etwa 60 Fuß über dem See und ist hundert Schritte lang und breit. Sie trägt zierliche, 3 bis 5 Fuß tiefe Bassins voll durchsichtigen, himmelblau scheinenden Wassers mit 30 bis 40 °C. Im Hintergrund aber von halb nackten, in verschiedenen Farben, rot, weiß und gelb spielenden Wänden umgeben, liegt wie in einem Krater das große Quellbecken, 40 bis 50 Fuß im Durchmesser und wahrscheinlich sehr tief. Es ist ein ruhiger, blau scheinender, nur dampfender, aber nicht aufkochender Wasserspiegel. Das Wasser hat eine Temperatur von 80 °C, und die aufsteigenden Dämpfe riechen nach schwefeliger Säure. Rings um das Bassin bemerkt man auch gelben Schwefelanflug, und an den Seitenwänden des Wasserkraters hat sich der Schwefel stellenweise in dicken Krusten abgelagert.

Hochstetter, Ferdinand von
Neu-Seeland
Stuttgart 1863

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