Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1860 - George Carrington
Die Kneipen von Queensland

In den Buschkneipen geht es für gewöhnlich so zu: Ein Mann mit einem Scheck kommt an, um auf dem Weg in den nächsten Ort in der Kneipe zu übernachten. Natürlich betrinkt er sich, und wenn der Wirt es schafft, ihn den nächsten Tag dazubehalten, bleibt er mit größter Wahrscheinlichkeit so lange, bis all sein Geld weg ist. Die Wirte in den Buschkneipen haben ein natürliches Talent, ihren Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen, und die Sitten auf dem Lande helfen ihnen dabei. Eine davon ist, daß von jedem erwartet wird, daß er eine Lokalrunde ausgibt. Das vereinfacht die Dinge, denn ein Betrunkener ist im Rechnen nicht sehr gut, und in seinem benebelten Kopf wird er die Anzahl der Gäste eher über- als unterschätzen. Und die Wirte sagen, da er sein Geld sowieso ausgäbe, warum nicht bei ihnen? Es ist ganz selbstverständlich geworden, daß jeder klaglos hinnimmt, wenn ihm nach ein paar Tagen gesagt wird, er habe nun dreißig oder vierzig Pfund ausgegeben. Es kommt keinem in den Sinn, eine Rechnung in Frage zu stellen, auf der für einen Abend 150 Gläser Schnaps stehen. Wenn es Zeit ist weiterzuziehen, das heißt, wenn aus ihm kein Geld mehr herauszuschlagen ist, gibt ihm der Wirt eine Flasche Schnaps und den einen oder anderen Shilling mit auf den Weg, und der dankbare Kerl kommt nach ein paar Monaten wieder, und alles geht von vorne los.
    Mit Worten kann man überhaupt nicht beschreiben, wie viel Kummer und Elend es in diesen Straßenkneipen gibt; Schnaps ist ihre einzige Verheißung - etwas anderes gibt es nicht und wird auch nicht verlangt. Die Männer stehen in einer erbärmlichen Hütte an einer schäbigen hölzernen Theke; wenn sie nicht mehr stehen können, fallen sie auf den schmutzigen Boden, oft gibt es nicht einmal Bodenbretter. Man kann auch essen und übernachten, aber dieser Teil des Geschäftes spielt kaum eine Rolle. Die Männer machen im besten Fall nur schwache Versuche, an Essen zu kommen, und die Wirte sind so zuvorkommend, daß sie für die Kost nichts verlangen von denen, die Kunden im alkoholischen Sektor des Geschäfts sind.
   Was den Wirten sehr zugute kommt, ist das Geld, das nur auf dem Papier steht. Viele Siedler haben mit wenig oder gar keinem Kapital angefangen und zahlen Löhne aus durch Schecks oder Anweisungen an ihre Agenten in dem Hafen, für den ihre Wolle bestimmt ist. Die Anweisungen gehen von Hand zu Hand und haben das normale Geld fast ganz verdrängt. Viele dieser Anweisungen sind nichts wert, weil kein Geld dahinter steht - es gibt also gute und faule. Mit so einer Anweisung versehen macht sich ein Mann auf den Weg, kommt an einen Laden und will sich etwas kaufen. Nein, sagt der Ladenbesitzer, ich will deine Anweisung nicht. Oder ein anderer sagt: Vielleicht ist sie ja gut, aber ich bin nicht interessiert. Schließlich wendet sich der Mann an einen Wirt. Gut, sagt dieser großzügige Mensch, ich nehme sie, wenn du sie hier ganz verbrauchst. Vielleicht geht der Mann zurück zu seinem Arbeitgeber und beklagt sich, aber ihm wird gesagt, er sei bezahlt worden und die Anweisung würde honoriert, wenn er sie vorzeigte. Sie ist in der Regel auf einen Laden in Sydney oder Adelaide ausgestellt. Der Mann hat keine Handhabe, er kann nicht behaupten, daß die Anweisung faul ist, aber niemand will sie annehmen. Dafür kann ich nichts, sagt der Siedler.
    Wirte, die warten können und spekulieren wollen, sind hinter solchen Leuten her, und über das letztendliche Schicksal des hart verdienten Lohns gibt es wenig Zweifel. So etwas ist nicht ungewöhnlich, es passiert jeden Tag und immer wieder. Man könnte sagen, im Busch gibt es kein Gesetz, und selbst wenn man einen Fall vor den Richter bringen wollte, so sind Richter doch schwer zu finden und genauso schwer zu überzeugen.

Carrington, George
Colonial Adventures and Experiences – by a University Man
London 1871
Übersetzung: U. Keller

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Australien 1623-1990
Wien 2000

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