Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1789 - William Bligh
Ende der Bootsfahrt: Ankunft in Kupang
Timor, Indonesien

Freitags den 12ten Junius, um 3 Uhr Morgens, entdeckten wir mit großer Freude endlich Timor in der Richtung von W. S. W. nach W. N. W. zwei Seemeilen weit entfernt. Ich kann unmöglich das Vergnügen beschreiben, das der Anblick des ersehnten Landes unter uns verbreitete! Kaum schien es glaublich, dass wir im Stande gewesen wären, mit einem offenen, so armselig versehenen Boote, in vierzig Tagen nach unsrer Abfahrt von Tofoa, die Küste von Timor zu erreichen. Wir hatten, unsrer Logleine zufolge, einen Weg von 3.618 Englischen Meilen zurückgelegt, und es war, ungeachtet unsrer äußerst großen Not, niemand unterwegs gestorben! - Wie ich schon erwähnt habe, wusste ich nicht, wo sich das Holländische Etablissement [Kupang] befände; indes erinnerte ich mich dunkel, dass es an dem S. Westl. Teile der Insel läge. Ich steuerte daher, als es hell geworden war, längs der Küste nach S.- S. Westen, und zwar um so eher, da wir wegen des Windes nicht ohne großen Zeitverlust nach N. O. gehen konnten. Das Land zeigte sich uns sehr angenehm mit Holzungen und untermischten grünen Ebnen. Der innere Teil war bergig, die Küste aber niedrig. Gegen Mittag wurde die letztere höher, und hatte einige hervorstehende Spitzen. Wir freuten uns sehr über den ganzen Anblick des Landes, auf dem sich uns verschiedne angebaute Stellen und schöne Gegenden zeigten; übrigens konnten wir aber nur einige kleine Hütten sehen, woraus ich denn schloss, dass an diesem Teile der Insel keine Europäer wohnten. Außerdem lief auch die See stark gegen die Küste, so dass es unmöglich war, mit einem Boot zu landen. Zu Mittag befand ich mich einem sehr hohen Kap gegenüber, drei Englische Meilen weit von der Küste. Die Breite war 9° 59' S., und die Länge 15° 6' W. von dem Untiefen-Kap an dem nördlichsten Neu-Holland. - Außer der gewöhnlichen Portion Brot und Wasser teilte ich zum Mittagsessen den Vogel aus, den wir am vorigen Abend gefangen hatten; der Wundarzt und Lebogue aber bekamen auch ein wenig Wein. Wir setzten Nachmittags, bei sehr nebeligem Wetter und frischem Winde aus O. und O. S. O., unsre Fahrt längs einer niedrigen, holzigen Küste fort, auf welcher unzählige so genannte Fächerpalmen (Borassus) standen, die ihren Namen davon bekommen haben, dass sie ihr Laub wie einen Fächer ausbreiten; jetzt sahen wir aber gar keine Spur von Anbau, und das Land hatte nicht mehr das schöne Ansehen, wie auf der Ostseite. So war es aber nur eine kleine Strecke; bei Sonnenuntergang wurde es wieder besser, und ich sah an verschiedenen Orten starken Rauch, wo die Einwohner ihren Boden reinigten und anbauten. Wir waren nun seit Mittag 25 Englische Meilen nach W. S. W. gefahren, und befanden uns 5 solche Meilen weit W. von einer niedrigen Spitze, die ich nachmittags für den südlichsten Teil der Insel gehalten hatte. Hier machte die Küste eine tiefe Krümmung, und in der Bucht lag niedriges Land, das sich wie Inseln zeigte. Die Westküste war hoch; aber von diesem Teile derselben bis zu dem hohen Kap, dem wir uns gestern Nachmittag gegenüber befanden, ist die Küste niedrig und, wie ich glaube, das Meer seicht. Ich bemerke diese Lage besonders, weil die sehr hohe Bergkette, welche vom östlichen Ende der Insel fortläuft, hier endigt, und weil das Ansehen des Landes sich plötzlich so verschlimmert, als wenn es gar nicht mehr dieselbe Insel wäre. - Damit wir in der Nacht nicht bei einem Etablissement vorbeifahren möchten, beschloss ich, bis zum Morgen an meinem Orte zu bleiben. Deshalb legte ich mit ganz eingerefftem Vordersegel bei, wodurch das Boot in eine völlig ruhige Lage kam. Wir waren hier, eine halbe Seemeile von der Küste entfernt, auf seichtem Grunde. Ich teilte nun zum Abendessen Brot nebst Wasser aus; und da das Boot sehr gut beilag, so suchten alle, den wachhabenden Offizier ausgenommen, ein wenig zu schlafen. Sonnabends den 13ten, um 2 Uhr Morgens, legten wir um, und steuerten bis zu Tagesanbruch nach der Küste hin; jetzt fand ich aber, dass wir während der Nacht ungefähr drei Seemeilen weit nach W. S. W. getrieben worden waren, wo das südlichste Land, das wir sahen, in westlicher Richtung lag. Als ich die Küste untersuchte und kein Zeichen von einem Etablissement erblickte, segelten wir mit einem starken Winde weiter nach Westen gegen eine Wogen-Strömung, welche eine sehr hohe See verursachte. Die Küste zeigte sich hoch und mit Holz bedeckt; aber wir waren noch nicht weit gesegelt, als sie wieder aus niedrigem Lande bestand. Da sich nun ihre Spitzen nach Westen öffneten, so glaubte ich zum zweiten Mal, dass wir am südlichsten Teil der Insel wären; allein um zehn Uhr fanden wir, dass die Küste sich wieder gegen Süden erstreckte. Jetzt zeigte sich auch hohes Land von S. W. nach S. W. g. Westen; aber das Wetter war so neblig, dass es ungewiss blieb, ob dies Land von jenem getrennt wäre, da die Öffnung zwischen beiden nur einen Strich vom Kompass betrug. Aus diesem Grunde steuerte ich auf das äußere Land zu, und fand, dass es die Insel Roti war. Ich kehrte nun zu der Küste zurück, die ich verlassen hatte, und ließ daselbst in einer sandigen Bay einen Anker fallen, damit ich meine Lage bequemer berechnen könnte. Wir sahen hier Rauch an verschiedenen Stellen, wo die Eingebornen den Boden reinigten. Während der kurzen Zeit, die wir hier blieben, drangen der Steuermann und der Zimmermann sehr stark in mich, ich sollte ihnen auszugehen erlauben, damit sie Lebensmittel suchen könnten. Ich gab endlich meine Einwilligung; aber da sich niemand fand, der Lust hatte, Gesellschaft mit ihnen zu machen, so blieben sie lieber im Boote. Übrigens verweilte ich hier nicht länger, als es die erwähnte Absicht erforderte, und wir fuhren fort, längs der Küste hin zu steuern. Wir hatten die Aussicht auf ein Land, das so schön war, als wenn es durch Kunst in Anger und Parks eingeteilt wäre. Die Küste ist niedrig und mit Holzungen von unzähligen Fächerpalmen bedeckt, welche wie Kokosbaum-Pflanzungen aussahen. Der innere Teil besteht aus hohem Lande, unterscheidet sich aber sehr von den östlicheren, äußerst bergigen Teilen der Insel, und scheint einen besseren Boden zu haben. Zu Mittag lag uns die Insel Roti sieben Seemeilen weit entfernt in S. W. gen Westen. Beobachten konnte ich die Breite nicht; aber, nach Berechnung war sie 10° 12' südlich. Zum Frühstück und Mittagsessen gab ich die gewöhnliche Portion Brot und Wasser; doch der Wundarzt und Lebogue bekamen auch ein wenig Wein. - Den ganzen Nachmittag hatten wir nebliges Wetter und einen starken Wind aus O. S. O., der sich aber nachher etwas legte. Wir liefen durch eine sich sehr gefährlich brechende See, deren Ursache ich einer starken, oberhalb des Windes strömenden Flut und seichtem Wasser zuschrieb; und dann entdeckten wir nachmittags um 2 Uhr eine geräumige Bay oder einen Sund, mit einem schönen, etwa zwei bis drei Englische Meilen weiten Eingang. Jetzt machte ich mir Hoffnung, dass unsre Fahrt bald beendigt sein würde, da kein Ort besser für Schiffe oder bequemer zu einem Europäischen Etablissement sein konnte. Ich ließ daher nahe an der Ostseite des Eingangs einen Anker fallen, und zwar in einer kleinen sandigen Bay. Wir sahen hier eine Hütte, einen Hund und einiges Rindvieh. Nun schickte ich sogleich den Bootsmann und den Konstabel aus, dass sie die Bewohner der Hütte aufsuchen sollten. Während wir hier lagen, fand ich, dass die Ebbe von Norden her kam; und ehe wir noch weiter fuhren, zeigte sich uns bei dem Fallen des Wassers, ungefähr zwei Kabellängen weit vom Ufer, ein Felsenriff, welches, da es von der Flut ganz bedeckt wird, sehr gefährlich werden kann. An dem gegenüber liegenden Ufer zeigten sich auch sehr hohe Brandungen; aber doch ist genug Raum, und der Kanal ganz gewiss selbst für ein Kriegsschiff vom ersten Range hinlänglich breit. Die Bay oder der Sund innerhalb schien von beträchtlichem Umfange zu sein; der nördliche Teil, den ich jetzt vor mir hatte, war ungefähr fünf Seemeilen entfernt. Das Land besteht hier aus mittelmäßigen Erhöhungen, die durch niedrigeren Boden verbunden sind. Aber das beste Merkmal, woran dieser Ort sich kennen lässt, ist die Insel Roti, welche in Süden liegt. - Ich hatte soeben Zeit gehabt, diese Bemerkungen zu machen, als ich den Bootsmann und den Konstabel mit einigen von den Eingeborenen zurückkommen sah; nun zweifelte ich nicht länger, dass wir unsren Endzweck glücklich erreichen und dass unsre höchsten Erwartungen in Kürze völlig befriedigt sein würden. Sie brachten fünf Indianer mit, und sagten mir: sie hätten zwei Familien gefunden, und wären von den Frauenzimmern derselben mit europäischer Höflichkeit behandelt worden. Von den Indianern erfuhr ich, dass der Gouverneur an einem Orte namens Cupang wohnte, der in einiger Entfernung nordöstlich läge. Ich gab einem von ihnen durch Zeichen zu verstehen, dass er in das Boot kommen und mir Cupang zeigen möchte, wobei ich ihm zugleich andeutete, dass ich ihn für seine Mühe bezahlen würde; er war sogleich bereitwillig und kam in das Boot. Diese Leute waren von dunkler Kupferfarbe, und hatten langes schwarzes Haar. Sie kauten viel Betel und trugen um die Hüften ein viereckiges Stück, in dessen Falten ein großes Messer steckte. Sie hatten ein Schnupftuch um ihren Kopf gewunden; ein andres hing mit den vier Zipfeln an der Schulter, und diente ihnen, den Betel und was sie zum Kauen desselben brauchten, darin mitzunehmen. Sie brachten uns einige Stücke getrocknete Schildkröte, und einige Maisähren. Die letzteren waren uns am willkommensten; denn die Schildkröte fanden wir so hart, dass man sie nicht essen konnte, wenn sie nicht vorher in heißem Wasser eingeweicht war. Hätte ich noch bleiben wollen, so würden die Indianer uns mehr gebracht haben; aber da der Pilot bereitwillig war, so entschloss ich mich, weiter zu segeln, und es mochte ungefähr halb 5 Uhr sein, als dies geschah. Der Anweisung des Piloten gemäß, hielten wir uns mit allen Segeln an die Ostküste; aber als die Nacht heran kam, legte der Wind sich ganz, und wir mussten uns der Ruder bedienen, welches wir auch, wie ich zu meiner Verwunderung sah, mit einigem Erfolge taten. Da ich indes um 10 Uhr fand, dass wir nur wenig vorwärts kamen, so ließ ich einen Anker fallen, und gab nun zum ersten Mal dem Mann eine doppelte Portion Brot und ein wenig Wein.
   Nach dem glücklichsten und süßesten Schlafe, den jemals Menschen gehabt haben, lichteten wir sonntags, den 14ten Junius, die Anker wieder und fuhren fort, in sehr ruhigem Wasser längs der Küste hin zu steuern, bis ich sah, dass wir wieder offene See vor uns hatten. Das ganze westliche Land, bei dem wir vorbei gekommen, war nämlich eine Insel, welche der Pilot Pulo Samau (Samow) nannte. Der nördliche Eingang dieses Kanals ist ungefähr anderthalb bis zwei kleine Seemeilen breit, und ich konnte bei zehn Faden keinen Grund finden. Wir alle bekamen jetzt neues Leben, als wir zwei Kanonen lösen hörten; und bald nachher sahen wir ostwärts zwei Schiffe mit großen Segeln, und einen Kutter vor Anker liegen. Ich bemühte mich nun, gegen den Wind zu lavieren; aber da wir mit jedem Umlegen zurück trieben, so sahen wir uns genötigt, unsre Ruder wieder zu nehmen. Wir hielten uns dicht an die Küste, und fuhren bis um 4 Uhr fort zu rudern. Jetzt ließ ich einen Anker fallen, und gab der sämtlichen Mannschaft noch eine Portion Brot und Wein. Sobald wir uns ein wenig ausgeruht hatten, lichteten wir wieder, und ruderten fort bis kurz vor Tagesanbruch, wo wir vor einem kleinen Fort und einer Stadt ankerten, von welcher der Pilot mir sagte, dass es Cupang wäre.
   Unter den Sachen, die der Bootsmann, ehe wir das Schiff verließen, in das Boot geworfen hatte, befand sich auch ein Bündel Signalflaggen, die für die Boote gemacht worden waren, dass sie bei dem Sondieren die Tiefe des Wassers damit anzeigen könnten. Aus diesen hatte ich während unsrer Reise eine kleine Mastflagge gemacht, die ich nun als ein Notzeichen aufsteckte; denn ich wollte nicht ohne Erlaubnis an das Ufer gehen. Bald nach Tagesanbruch rief mir ein Soldat zu, ich möchte landen. Dies tat ich sogleich, wobei eine Menge Indianer mich umringten. Ich ward sehr angenehm überrascht, als ich einen englischen Matrosen antraf, der zu einem von den Schiffen auf der Reede gehörte. Sein Kapitän war, wie er mir erzählte, dem Range nach die zweite Person in der Stadt; ich wünschte deshalb zu ihm geführt zu werden, da ich hörte, dass der Gouverneur krank wäre und dass man ihn jetzt nicht sprechen könnte. Kapitän Spikerman nahm mich mit vieler Menschenfreundlichkeit auf. Ich beschrieb ihm unsre elende Lage, und bat ihn, er möchte unverzüglich für meine Gefährten Sorge tragen lassen. Nun gab er Befehl, dass sie sogleich in seinem eignen Hause aufgenommen werden sollten, und dann ging er selbst zu dem Gouverneur, um sich zu erkundigen, um welche Zeit ich ihn besuchen könnte; wozu denn 11 Uhr bestimmt wurde. Ich wünschte nun, dass alle ans Land kommen möchten; mehr konnten Einige aber auch nicht tun, da sie kaum noch Kräfte zum Gehen hatten. Sie erreichten indes endlich das Haus, und fanden Tee nebst Butterbrot zu ihrem Frühstück in Bereitschaft.
   Vielleicht hätte nie ein Maler eine bessere Gelegenheit gehabt, seine Geschicklichkeit zu zeigen, als an den zwei Gruppen von Figuren, die man jetzt hier sah. Ein unbefangener Zuschauer würde ungewiss gewesen sein, was er am meisten bewundern sollte: eine Anzahl verhungerter Gespenster, deren Augen bei dem Anblicke der so nahen Hilfe vor Freude funkelten; oder ihre Erretter, die sich vor dem Anblick entsetzten, da die geisterähnlichen Gesichter jener Gruppe, wenn man die Ursache davon nicht gewusst hätte, eher Schrecken, als Mitleid erregt haben würden! Unsre Körper waren nichts als Haut und Knochen, unsre Glieder voller Geschwüre, und unsre Kleider Lumpen. In diesem Zustand, wobei uns Tränen der Freude und Dankbarkeit über die Wangen flössen, sah das Volk auf Timor uns mit einer Mischung von Abscheu, Erstaunen und Mitleiden an. Der Gouverneur, Herr William Adrian van Este, nahm, ungeachtet seiner großen Unpässlichkeit, so vielen Anteil an uns, dass ich ihn noch vor der bestimmten Zeit besuchen musste. Er empfing mich mit großem Wohlwollen und gab mir die stärksten Beweise, dass er ganz wie ein menschlicher und guter Mann fühlte. So leid es ihm täte, sagte er, dass uns ein solches Unglück betroffen hätte; so sähe er es doch als das größte Glück seines Lebens an, dass er uns Hilfe leisten könne. Zwar sei er äußerst schwach und nicht selbst im Stande, uns die Dienste eines Freundes zu erweisen; aber er werde Befehle geben, dass ich gewiss mit allem, was ich bedürfe, versehen werden solle.
   Indessen wurde ein Pferd für mich gemietet; und bis alles gehörig eingerichtet werden konnte, ließ er in seinem eignen Hause Lebensmittel für die sämtliche Mannschaft zubereiten. In Ansehung meiner Leute sagte er, sie sollten entweder in dem Hospital, oder an Bord von Kapitän Spikerman's Schiff, das gerade auf der Reede läge, untergebracht werden. Übrigens bezeugte er sein Leidwesen darüber, dass Cupang ihnen nicht bessere Bequemlichkeit gäbe, da das mir angewiesene Haus das einzige unbewohnte wäre, und da die wenigen Familien sich in einer solchen Lage befänden, dass sie niemanden aufnehmen könnten. Nach dieser Unterredung ward mir eine schöne Mahlzeit vorgesetzt, mehr der Landessitte gemäß, als in der Absicht, meinen Hunger zu stillen, so dass er in diesem Augenblicke glücklicher Weise die größte Gunst, die ich erhalten konnte, für gemeine Höflichkeit ansah. Als ich wieder zu meinen Leuten kam, fand ich, dass ihnen gütig alle Hilfe geleistet worden war. Der Wundarzt hatte ihre Geschwüre verbunden; auch hatte man die Reinigung ihrer Personen nicht aus der Acht gelassen, und ihnen freundschaftlich verschiedene Kleidungsstücke gegeben. Ich bat nun, dass man mich nach dem mir bestimmten Hause führen möchte, und fand es in fertigem Stande, und auch Bediente darin, deren einem der Gouverneur den Befehl gegeben hatte, immer um mich zu sein. Das Haus bestand aus einem Saale, mit einem Zimmer zu beiden Seiten, und einem Boden darüber. Rings umher lief eine Galerie (piazza.) An der einen Ecke war ein äußeres Zimmer, und von der hinteren Seite hatte das Haus Kommunikation mit der Straße. Bei diesen Umständen entschloss ich mich, anstatt mich von meinen Leuten zu trennen, sie alle bei mir wohnen zu lassen, und teilte nun das Haus auf folgende Art ein. Ein Zimmer nahm ich für mich selbst; das andre gab ich dem Steuermann, dem Wundarzt, Herrn Nelson und dem Konstabel; den Boden den übrigen Offizieren, und das äußere Zimmer den Gemeinen. Der Saal gehörte allen Offizieren zugleich, und die Gemeinen hatten die hintere Galerie für sich. Ich gab dem Gouverneur hiervon Nachricht, und nun schickte er sogleich Stühle, Bänke, Tische, Betten und andre Notwendigkeiten für jedermann. Der Gouverneur hatte mir, als ich Abschied von ihm nahm, gesagt: ich sollte ihm nur zu wissen tun, was ich alles bedürfte. Aber jetzt erfuhr ich, dass er nur zu manchen Zeiten einige freie Augenblicke hätte, worin er an irgend etwas denken könnte, weil er an einer unheilbaren Krankheit läge. Auf diese Nachricht machte ich alle meine Geschäfte mit Herrn Timotheus Wanjon ab, welcher der nächste im Range nach dem Gouverneur und sein Schwiegersohn war, und nun ebenfalls, was er nur konnte, beitrug, um unsre Lage angenehm zu machen. So hatte mir denn der vorhin erwähnte Matrose unrichtig gesagt, dass Kapitän Spikerman der nächste nach dem Gouverneur wäre. Zu Mittag wurde eine sehr gute Mahlzeit nach dem Hause gebracht, bei der auch wohl Personen, die mehr als wir an Überfluss gewöhnt gewesen wären, hätten zu viel essen können. Daher lässt es sich denn leicht vermuten, dass Warnungen nur wenig ausgerichtet haben würden; aber ich glaube auch, dass in einer solchen Lage wohl fast niemand mäßiger gewesen wäre. Meine größte Besorgnis war, dass die Leute zu viel Obst essen möchten.
   Nachdem ich alle diese reichliche Mahlzeit hatte genießen sehen, ging ich zu Herrn Wanjon zu Tische, fand aber eben keine große Neigung zum Essen oder Trinken. Ich merkte wohl, dass vor allen Dingen Ruhe und Schlaf zu meiner Wiederherstellung nötig wären und begab mich deshalb auf mein Zimmer, das ich schon mit allen Bequemlichkeiten versehen fand. Doch, anstatt zu schlafen, überdachte ich unsere ausgestandenen Leiden und das Misslingen meiner Unternehmung. Vor allem aber dankte ich dem allmächtigen Gott, dass er uns Kraft gegeben, so große Not zu ertragen und dass er mich in Stand gesetzt hatte, endlich achtzehn Menschenleben retten zu können.

Bligh William
Aus dem Logbuch der Bounty
Berlin 1783
Nachdruck Hamburg 1963

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