Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1743 - George Anson
Die Eroberung der spanischen Galeone
Vor der Insel Samar, Philippinen

Beim Aufgang der Sonne entdeckten sie oben vom Mast ein Segel im Südosten. Hierüber entstand eine allgemeine Freude auf dem ganzen Schiff, denn sie zweifelten nicht, dass es eine von den Galeonen sein würde; sie hofften, die andere auch bald zu sehen. Der Oberbefehlshaber [Anson] ging augenblicklich auf sie zu und war eine halbe Stunde später nahe genug, um die Galeone vom Deck der Centurion zu sehen. Dann feuerte die Galeone eine Kanone ab und nahm die Bramsegel ein, was man für ein Zeichen hielt, das sie ihrer Gefährtin gäbe, damit sie eiligst zu ihr stoßen möge. Und der Oberbefehlshaber feuerte eine Kanone auf der dem Wind entgegen gesetzten Seite ab, um sie in dieser Meinung zu bestärken. Er wunderte sich, dass die Galeone die ganze Zeit ihren Kurs nicht änderte, sondern sich ihm mehr und mehr näherte; denn er glaubte kaum, was man in der Tat hernach befand, dass sie die Centurion kannte und sie anzugreifen entschlossen war.
    Um Mittag war der Oberbefehlshaber wenig mehr als eine Meile von der Galeone entfernt und dem Striche, welchen sie segelte, so nahe, dass sie ihm nun nicht mehr entwischen konnte; und da das andere Schiff sich nicht sehen ließ, schloss man, das sie von ihm getrennt worden war.
    Bald darauf holte die Galeone ihre Focksegel auf und legte die  Untermarssegel bei. Sie wandte sich nordwärts und steckte die spanische Flagge auf und ließ auch die spanische Standarte auf der Großbramstenge wehen. Inzwischen hatte Herr Anson auf der Centurion alle Anstalten zum Gefecht gemacht und alle mögliche Vorsorge getragen, um sowohl seine geringe Macht auf das kräftigste zu gebrauchen, als auch die Verwirrung und Unordnung, die bei dergleichen Gelegenheiten gar zu gewöhnlich sind, zu verhüten. Er sucht ungefähr 30 Mann von seinen tüchtigsten Bootsleuten und besten Schützen aus, die er oben auf die Masten verteilte: die taten seiner Hoffnung durch ihre ausgezeichneten Dienste völlig Genüge. Weil er nicht genug Leute hatte, um alle seine Kanonen auf die gewöhnliche Weise hinlänglich zu besetzen, so stellte er auf seinem unteren Deck an jede Kanone nur zwei Mann, welche bloß mit Laden beschäftigt waren, während inzwischen die übrigen auf verschiedene Gruppen, jede von zehn oder zwölf Köpfen, verteilt wurden, die beständig auf dem Deck herumlaufen, und diejenigen Kanonen, die geladen waren, abfeuern mussten. So sah er sich im Stande, alle seine Kanonen zu gebrauchen. Und anstatt ganze Lagen, zwischen denen immer eine gewisse Zeit verging, zu geben, so machte er ein beständiges und ohne Unterlass anhaltendes Feuer, was ihm, wie er nicht zweifelte, ausnehmende Vorteile bringen musste. Denn die Spanier haben die Gewohnheit, auf dem Deck niederzufallen, wenn sie sehen, dass eine Lage fertig gemacht wird, und so lange liegen bleiben, bis sie gegeben ist, worauf sie wieder aufstehen; und in der Meinung, dass die Gefahr auf einige Zeit vorüber sei, sehr frisch zu feuern pflegen, bis eine andere Lage fertig ist. Aber die Abfeuerung einer Kanone nach der anderen, wie es der Oberbefehlshaber angeordnet hatte, machte es unmöglich, auf diese Weise zu verfahren.
    Nachdem also die Centurion zum Gefecht bereit war und sich der Galeone geschwind näherte, entstanden ein wenig nach Mittag einige heftige Winde mit Regen, die die Galeone öfters verdeckten. Aber sobald es aufklare, sah man, dass sie sich herzhaft beilegte. Und gegen ein Uhr zog die Centurion ihren großen Wimpel auf und ließ ihre Flagge wehen, da sie innerhalb Kanonenschussweite vom Feind war.
    Weil der Oberbefehlshaber wahrnahm, dass die Spanier bisher versäumt hatten, ihr Schiff auszuräumen, und nun Vieh und großes Gerät über Bord warfen, so ließ er mit den vordersten Jagdkanonen auf sie feuern, um sie in ihrer Arbeit zu beunruhigen und sie zu behindern, obgleich er befohlen hatte, nicht eher eine Kanone abzufeuern, als bis man sich auf eine Pistolenschussweite genähert habe.
    Die Galeone beantwortete das Feuer mit zweien ihrer hintersten Jagdstücke; und da die Centurion die blinde Ree längs dem Schiff legte, damit man nötigenfalls im Stande sein möge, das Schiff zu entern, so takelten die Spanier wie aus Trotz gleichfalls ihre blinde Ree längs dem Schiff. Band danach kam die Centurion bis auf Pistolenschussweite gegen den Feind und hielt sich unter dem Wind um zu verhindern, dass sie vor den Wind kommen und den Hafen Jalapay erreichen könne, von dem sie ungefähr sieben Meilen entfernt waren.
    Nun fing das Gefecht im Ernst an, und in der ersten halben Stunde gewann Herr Anson der Galeone den Vorteil ab und lag vor ihrem Bug, wo er wegen der großen Weite seiner Schießlöcher fast alle seine Kanonen auf den Feind richten, der Feind aber nur mit einem teil der seinen treffen konnte. Gleich zu Anfang des Treffens fingen die Matten, womit die Netze auf der Galeone angefüllt waren, Feuer und brannten so heftig, dass die Flamme bald so hoch wie die Kreuzstenge schlug. Dieser Zufall, der vermutlich von den Schießpfropfen der Centurion verursacht war, brachte den Feind in große Unordnung und beunruhigte auch den Oberbefehlshaber; denn er sorgte sich, dass die Galeone verbrennen und er selbst Schaden leiden möge, wenn sie auf sein Schiff getrieben würde. Aber die Spanier erretteten sich aus dieser Feuersgefahr, indem sie das Netz herunter schnitten und den ganzen Klumpen, der in Flammen stand, in die See warfen. Die Centurion aber behielt immer ihre vorteilhafte Stellung und feuerte ihre Kanonen mit großer Ordnung und Hurtigkeit, da nun das Deck der Galeone ihren Schützen, die oben auf den Masten verteilt waren, offen stand; denn nachdem sie durch ihre erste Salve die Spanier von ihren Mastkörben vertrieben hatten, fügten sie ihnen durch ihr kleines Gewehr großen Schaden zu und töteten oder verwundeten jeden Offizier, der sich nur auf dem Hinterdeck sehen ließ, wie sie denn auch den General der Galeone selbst verwundeten.
    Obgleich die Centurion nach der ersten halben Stunde ihre anfängliche Stellung verlor und der Galeone längs dicht zur Seite lag, und die Feinde noch beinahe eine halbe Stunde frisch zu feuern fortfuhren, so bestrichen doch zuletzt des Oberbefehlshabers Kartätschenschüsse ihr Deck so kräftig, und die Anzahl der ihrer Getöteten und Verwundeten war so groß, dass sie anfingen, in große Unordnung zu geraten, insbesondere, weil der General, der das Leben des Gefechtes war, seinen Dienst nicht mehr verrichten konnte. Man konnte ihre Bestürzung auf der Centurion wahrnehmen; denn die Schiffe lagen einander so nahe, dass man die Offiziere mit großer Geschwindigkeit herumlaufen sah, um zu verhüten, dass ihre Leute von ihren Posten ausrissen.
    Aber alle ihre Bemühungen waren umsonst, denn nachdem sie, wie um ihre letzten Kräfte zu zeigen, fünf oder sechs Kanonen mit mehr Klugheit als vorher abgefeuert hatten, so gaben sie das Gefecht auf. Und weil  zu Anfang des Treffens die Flagge der Galeone am Stock verbrannt war, so strichen sie die Standarte auf der großen Bramstenge, und derjenige, der das verrichten sollte, war in augenscheinlicher Gefahr totgeschossen zu werden, wenn nicht der Oberbefehlshaber, welcher merkte, was er vorhatte, ausdrücklich befohlen hätte, mit Schießen einzuhalten.
    So gelangte die Centurion in den Besitz dieser reichen Prise, die beinahe anderthalb Millionen Taler wert war. Sie hieß Nuestra Señora de Covadonga, und wurde von dem General Don Jeronimo de Montero geführt, welcher ein Portugiese von Geburt und in Hinsicht auf Geschicklichkeit und Tapferkeit der tüchtigste Offizier unter allen war, die in diesen Diensten gebraucht wurden. Die Galeone war weit größer als die Centurion; sie führte 550 Mann und 36 zum Gefecht aufgestellte Kanonen, außer 28 Steinstücken auf dem Vorderkastell, der Schanze, und oben auf den Masten, von denen jedes eine vierpfündige Kugel schoss. Sie war mit kleinem Gewehr sehr wohl versehen und wider das Entern sowohl durch ihre dichte Schanze als auch durch eine starke, netzweise gemachte Arbeit von zweizölligen Tauen verwahrt, welche über ihre Seite gebunden und mit halben Piken verteidigt wurde, Sie hatte in dem Gefecht 67 Tote und 84 Verwundete bekommen, da inzwischen auf der Centurion nur zwei getötet und ein Leutnant nebst 16 Mann, die alle bis auf einen wieder gesund wurden, verwundet waren. So wenig haben die schädlichsten Waffen zu bedeuten, wenn sie in ungeschickten und ungeübten Händen sind.
    Da der Schatz, welcher auf diese Weise von den Unsrigen erobert wurde, zum wenigsten 18 Monate hindurch der große Gegenstand ihrer Hoffnung war, so kann man die Freude unmöglich beschreiben, welche an Bord entstand, da sie nach so häufigen Unglücksfällen ihre Wünsche zuletzt doch noch erfüllt sahen. Aber ihr Vergnügen wäre beinahe durch einen schrecklichen Zufall plötzlich vernichtet worden. Denn kaum hatte die Galeone die Flagge gestrichen, als einer von den Leutnants, der dem Herrn Anson zu seiner Prise Glück wünschte, ihm zugleich heimlich ins Ohr flüsterte, dass auf der Centurion ein gefährlicher Brand nahe bei der Pulverkammer entstanden wäre. Der Oberbefehlshaber empfing diese Nachricht ohne äußere Bestürzung und war sehr vorsichtig, um unter dem Schiffsvolk keinen Lärm zu machen. Dann erteilte er die nötigen Befehle um es zu löschen, welches in kurzer Zeit glücklich verrichtet war, obgleich dessen erster Anblick überaus fürchterlich gewesen war. Es scheint, dass einige Patronen zwischen den Decks von allein Feuer gefangen hatten, wodurch das Garn der gewundenen Schiffsseile in der hintersten großen Luke bei der hintersten Pulverkammer in Brand geraten war, und der große Dampf und Rauch dieser Seile war die Ursache gewesen, dass man ein größeres und gefährlicheres Feuer befürchtet hatte. Denselben Augenblick stieß auch die Galeone an die rechte Seite der Centurion, aber wie wurde, ohne beträchtlichen Schaden getan oder bekommen zu haben, wieder glücklich weggebracht.

Anson, George; Walter, Richard (Hg.)
Des Herrn Admirals Lord Ansons Reise um die Welt …
Göttingen 1749

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