Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1787 - Jean François de Lapérouse
Manila

Manila ist mit seinen Vorstädten eine sehr ansehnliche Stadt. Man schätzt ihre Einwohnerzahl auf achtunddreißigtausend Seelen, von denen aber nur tausend bis tausendzweihundert Bewohner Spanier, und die übrigen Mestizen, Inder oder Chinesen sind, die alle Arten von Künsten oder Gewerbe treiben.
   Auch die weniger reichen spanischen Familien halten sich einen oder mehrere Wagen. Zwei sehr schöne Pferde kosten dreißig Piaster, ihr Unterhalt und der Lohn des Kutschers sechs Piaster im Monat, also ist die Unterhaltung einer Equipage in keinem Land der Welt billiger als hier, wo man ihrer so sehr bedarf.
   Die Umgebung von Manila ist entzückend. Der Fluss, der sich durch die Stadt schlängelt, teilt sich in verschiedene Arme. Die beiden wichtigsten Kanäle ergießen sich in die berühmte Lagune, den See von Bay, der sieben Meilen landeinwärts liegt und von mehr als hundert Dörfern umgeben ist, die in einer äußerst fruchtbaren Landschaft liegen.
   Die Gegenden von Manila sind von der größten Schönheit, der sich schlängelnde Fluss teilt sich in verschiedene Arme, von denen die zwei größten sich in die berühmte Lagune ergießen, die sieben Meilen landeinwärts liegt und von mehr als hundert Dörfern umgeben ist.
   Manila hat an der Bucht gleichen Namens, die über fünfundzwanzig Meilen breit ist, und an der Mündung eines Flusses, der bis zu dem See, aus dem er entspringt, schiffbar ist, eine sehr glückliche Lage.
   Alle Nahrungsmittel gibt es hier im Überfluss und sie sind sehr wohlfeil. Aber alles, was zur Kleidung gehört, Möbel und Metallwaren aus Europa werden zu einem übermäßigen Preis verkauft. Mangel an Konkurrenz, Verbote und Einschränkungen jeder Art machen die Erzeugnisse aus Indien und China so teuer wie in Europa.
   Und obgleich die verschiedenen Auflagen dem [spanischen] König jährlich mehr als achthunderttausend Piaster einbringen, so kostet diese Kolonie ihn doch noch alle Jahre eineinhalb Millionen Livres, die aus Mexiko geschickt werden. Die unermesslichen Besitzungen der Spanier in Amerika haben der Regierung nicht erlaubt, sich gehörig mit den Philippinen zu beschäftigen, und ich wage die Behauptung, dass eine große Nation, die keine andere Kolonie als die Philippinen besäße und dort eine den Bedürfnissen der Bevölkerung angemessene Regierung einführte, ohne Neid auf alle europäischen Besitzungen in Afrika und Amerika blicken könnte.
   Drei Millionen Einwohner leben auf den verschiedenen Inseln, davon ungefähr ein Drittel auf Luzon. Mir schienen diese Völker in der Art, wie sie das Land bebauen und ihre verschiedenen Gewebe betreiben, den Europäern in nichts nachzustehen. Ich bin in ihren Dörfern umhergegangen, habe sie gutmütig, gastfrei und freundlich gefunden und bin der Meinung, dass die Laster, die die Spanier den Indios vorwerfen, auf die Rechnung der unter ihnen eingeführten Regierung gesetzt werden müssen. Man weiß, dass Habsucht und Eroberungsgeist der Spanier und der Portugiesen vor zwei Jahrhunderten die Abenteurer antrieben, die Meere und die Inseln der Alten und der Neuen Welt zu durchstreifen, um Gold zu suchen. Einige Flüsse, die dieses kostbare Metall führen, und die Nähe der Gewürz-Inseln waren der Grund, daß die Spanier sich auf den Philippinen niederließen. Aber die Hoffnungen, die man sich gemacht hatte, wurden nicht erfüllt. Der Religionsenthusiasmus gesellte sich bald dazu. Eine große Anzahl Mönche aller Orden wurden geschickt, um das Christentum zu predigen, und die Ernte war so reich, dass man bald acht- bis neunhundert Christen auf den Inseln zählte. Hätte die Philosophie diesen Eifer geleitet, so wäre das unfehlbar das Beste gewesen, um den Spaniern ihre Eroberung zu sichern und zum Vorteil des Mutterlandes einzusetzen, aber man wollte nur Christen aus den Einwohnern machen und keine Bürger. Zu diesem Zweck wurde die ganze Inselwelt in Kirchspiele eingeteilt und den kleinlichsten und abgeschmacktesten Religionsübungen unterworfen. Jeder Fehler, jede Sünde hat eine Taxe und wird mit Rutenstreichen öffentlich vor der Tür der Kirche bestraft; die Festtage, Brüderschaften und Privatandachten nehmen eine beträchtliche Zeit weg, und ich habe in der Karwoche maskierte Büßer gesehen, die ihre Ketten durch die Straßen schleppten, ihre Beine mit Büscheln von Dornen umwunden hatten, und sich bei jeder Station vor den Kirchentüren geißeln ließen. Diese schwärmerischen Übungen sind zwar vom Erzbischof von Manila verboten worden, aber vermutlich finden sich noch immer Beichtväter, die sie wenigstens anraten, wenn auch nicht vorschreiben.
   Diese mönchische Verfassung erstickt jeden Trieb zur Tätigkeit in diesem ohnehin trägen Volk und überredet es, dass dieses Leben nur ein Übergang und alle seine Güter überflüssig sind. Hinzu kommt noch die Unmöglichkeit, die Früchte der Erde mit so viel Vorteil zu verkaufen, dass die Arbeit dadurch belohnt wird. Sobald jeder Einwohner die ihm nötige Quantität von Reis, Zucker und anderen Lebensbedürfnissen hat, so ist der Überrest von keinem Wert mehr, und man verkauft unter solchen Umständen ein Pfund Zucker für etliche Pfennige und lässt den Reis auf dem Feld stehen, ohne ihn zu ernten. Es wäre wohl schwer, ein ungereimteres Regierungssystem zu erfinden als das, was seit zwei Jahrhunderten in dieser Kolonie besteht.
   Der Hafen von Manila, der allen Nationen offenstehen sollte, war bis vor kurzem (1792) für Europäer gesperrt und nur für Mohren, Armenier und die Portugiesen von Goa offen.
   Dem Gouverneur ist uneingeschränkte Gewalt anvertraut, und der Gerichtshof, der sie mäßigen sollte, wagt es nicht, sich dem Willen des Stellvertreters der spanischen Regierung entgegenzustellen. Der Gouverneur kann die Waren, die von Fremden in der Hoffnung auf ansehnlichen Gewinn nach Manila gebracht werden, konfiszieren, und diese Gefahr erhöht deren Preis außerordentlich.
   Überall in Manila ist man von Aufsehern umgeben: die Inquisitoren und Mönche wachen über die Gewissen, die Richter über alle Privatgeschäfte, und der Gouverneur über die unschuldigsten Handlungen. Ein Spaziergang auf dem Lande, ein Gespräch sind seiner Gerichtsbarkeit unterworfen, und das schönste und reizendste Land der Welt ist sicher das letzte, das ein freier Mann zum Aufenthalt wählen würde.
   …
   Standesunterschiede werden strengstens beachtet und durch Zeichen aufrechterhalten. Die Anzahl der Pferde, mit denen man fahren darf, richtet sich danach; die Kutscher müssen vor der größeren Anzahl anhalten, und ein Richter oder Kanzleirat kann, wenn es ihm einfällt, eine ganze Reihe aufhalten.
   Alle diese Mängel der Regierung und die daraus folgenden Bedrückungen haben aber die Vorzüge des Klimas nicht ganz aufheben können, und die Leute auf dem Land scheinen glücklicher und wohlhabender als in Europa zu sein. Ihre Häuser sind sehr sauber und von fruchttragenden Bäumen beschattet, die ohne Pflege wachsen. Ein jeder Hausvater zahlt eine sehr mäßige Steuer von sechseinhalb Realen, die Abgaben an die Kirche, die von der Regierung erhoben werden, inbegriffen. Von der Regierung erhalten die Geistlichen ihre Besoldung.
   Aber ein neues Übel, die Steuer auf den Tabak, droht seit einigen Jahren diesem Glück ein Ende zu machen. Dieses Volk hat eine so unmäßige Liebe zu diesem Kraut, dass man sowohl Weiber wie Männer den ganzen Tag mit einem Cigarro im Mund sieht, und kaum sind die Kinder aus der Wiege, so nehmen sie diese Gewohnheit an. Der Tabak der Insel Luzon ist der beste in ganz Asien; ein jeder baute neben seinem Haus so viel Tabak an, wie er für sich braucht, und die wenigen fremden Fahrzeuge, die mit Erlaubnis in Manila landen, führten ihn in alle Teile von Indien aus.
   Jetzt ist der Tabakanbau Privatpersonen verboten. Er wird nur zum Vorteil der Regierung angepflanzt, die ihn zu einem halben Piaster das Pfund verkauft. Und obgleich der Verbrauch seitdem erstaunlich abgenommen hat, so reicht doch der Lohn eines Tagelöhners nicht aus, um sich und seiner Familie den nötigen Tabak zu verschaffen. Man ist allgemein der Meinung, dass eine Erhöhung der Steuer von zwei Piaster für jeden Einwohner dem Fiskus eine ebensogroße Einnahme verschafft hätte wie die, die jetzt aus dem Verkauf des Tabaks erhoben wird, und dass sie dem Land sehr große Unruhe erspart hätte. Die Indios haben sich in verschiedenen Gegenden der Insel empört, und man hat sich genötigt gesehen, Truppen gegen sie marschieren zu lassen. Ein ganzes Heer von Beamten wird unterhalten, um den Schwarzhandel zu verhindern und den Verkauf des Nationaltabaks zu fördern. Mehrere dieser Beamten sind ermordet worden, aber die Gerichtshöfe, die bei der Verurteilung eines Indios sehr schnell zu Werke gehen, haben die Verbrecher bald bestraft. Aber das Feuer glimmt noch immer unter der Asche, der geringste Anlaß könnte es zu einer furchtbaren Flamme anfachen.

La Pérouse, Jean François de Galaup
La Perouse'ns Entdeckungsreise in den Jahren 1785, 1786, 1787 und 1788
Band 1, Berlin, 1800

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