Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1851 - Ida Pfeiffer
Auf Banda, Molukken

Am 24. Dezember tauchte der Gunong-Api vor uns auf, der höchste Berg Bandas (1.800 Fuß), dessen nordwestlicher Seite beständig Rauchsäulen entsteigen. Abends um neun Uhr liefen wir bei herrlichem Mondschein in die Bai ein, die auf der einen Seite von dem Feuerberg, auf der andern von einer freundlichen Hügelkette begrenzt wird, welch letztere ganz mit Muskatbäumen bepflanzt ist. Das kleine Städtchen Banda liegt so gefährlich an dem Abhang des Gunong-Api, daß ein Ausbruch es unausbleiblich zertrümmern würde; sonderbarerweise raucht der Berg beständig, ohne daß je ein Ausbruch stattgefunden hätte. Ist aber wohl diesem Frieden immer zu trauen?
   Da wir so spät angekommen waren, ging der Kapitän allein mit dem Postpaket ans Land. Wir Reisende verweilten auf dem Deck und sprachen viel von der Freude, die in den Kreisen unserer Lieben diesen Abend (Christabend) herrschen werde, von den fröhlichen Spielen der über die Geschenke so freudig überraschten Kinder. Da kam ganz unerwartet ein Araber an Bord. Erstaunt über den späten Besuch umringten wir ihn, um zu hören, was die Ursache hiervon sei. Ach, wie ward so plötzlich unsere heitere Stimmung in Wehmut und Schrecken verwandelt! Der Araber erzählte uns, daß am 26. November morgens acht Uhr ein fürchterliches Erdbeben auf dieser Insel stattfand, infolge dessen mehrere Häuser zusammenstürzten und alle dermaßen beschädigt wurden, daß niemand mehr darin wohnen könne. Glücklicherweise ereignete sich dies bei Tage, wo jedermann gleich fliehen konnte, und es ging daher wenigstens kein Menschenleben verloren; aber alle gebrechlichen Güter, Spiegel, Lampen, Gläser, Geschirre, die in Flaschen gefällten Getränke usw. gingen zugrunde. Noch war man unter dem Eindruck dieser furchtbaren Szene, als um halb neun Uhr die Erde ein zweitesmal erbebte, das Wasser in der Bai zurückwich und dann mit unwiderstehlicher Gewalt an die Küste stürzte, sie 24 Fuß hoch übersteigend. Zweimal sah man den Boden der See bloßgelegt; alle kleinen Boote und Barken wurden an die Küste geschleudert, wo sie als Trümmer liegenblieben. Bei dieser Gelegenheit ertranken mehr als achtzig Menschen. Ein großes Schiff, das in der Bai vor Anker lag, geriet zweimal auf den Grund und wurde nur durch die Geistesgegenwart des Kapitäns gerettet, der das Ankertau sogleich nachließ; allein vor einem bedeutenden Leck konnte er es doch nicht bewahren. Es lag noch zur Ausbesserung in der Bucht. Dieses zweite Erdbeben zerstörte ebenfalls viele Gebäude und vernichtete Tausende von Muskatbäume, die durch das sie überflutende Salzwasser abstarben.
   Die Erzählung des Arabers war schrecklich. Leider wurde sie Wort für Wort von dem Kapitän bestätigt, als er zurückkam. Auf einige der Reisenden machte sie einen so großen Eindruck, daß sie morgens gestanden, die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben; sie fürchteten ein wiederholtes Erd- oder Seebeben.
   Morgens gingen wir ans Land und konnten uns persönlich von den stattgehabten Verwüstungen überzeugen. Mehrere Häuser lagen in Schutt, alle waren mehr oder minder beschädigt, die Einrichtungen zum Teil zertrümmert, zum Teil vor den Häusern unter freiem Himmel in Haufen aufgeschichtet; die Leute wohnten daneben in kleinen Bambushütten, die sie eilig aufrichten ließen. Die Kasernen und Wohnungen der Offiziere allein, einige hundert Schritte von dem Städtchen entfernt gelegen und von Holz gebaut, blieben beinahe unbeschädigt. Sonderbar, daß auf dieser Insel, wo starke Erdbeben nicht selten vorkommen, alle Häuser von Stein gebaut sind. (Als ich später nach Java zurückkam, las ich in den Zeitungen, daß infolge dieses Erdbebens die Hälfte der Molukken zerstört worden sei. Welche Übertreibung!)
   Der Resident konnte mich nicht aufnehmen, da auch sein Haus zu sehr beschädigt war; ein Deutscher, der Militärarzt Herr Krause, beherbergte mich in seinem hölzernen Häuschen.
   Ich machte denselben Tag noch einen Spaziergang um den Feuerberg Gunong-Api. Ich wollte ihn selbst besteigen; allein Dr. Krause, der schon mehrmals oben war, um zu botanisieren, widerriet es mir, indem er mir versicherte, daß es nicht der Mühe lohne: Der Berg ende in einer geschlossenen Kegelform und habe an den Seiten einige Spalten, aus welchen starker Schwefeldampf aufwirble.
   Am folgenden Tag besuchte ich die große Muskatpflanzung des Herrn Meyer, welche 15.000 Muskatbäume zählt. Die Muskatpflanzungen werden "Perken", die Besitzer "Perkenier" genannt. Eine solche Pflanzung gleicht vollkommen einem Walde. Die Bäume sind vierzig bis fünfzig Fuß hoch, umfangreich und nicht in Reihen gepflanzt. Große Nanarinenbäume schützen die Muskatbäume, die keine tiefen Wurzeln schlagen, vor den starken, häufig wehenden Winden. (Der Nanarinenbaum gehört zum Geschlecht der Kanarienbäume; er trägt eine sehr fette Mandel, aus welcher Öl gepreßt wird, das viel feiner als Kokosöl ist und auch zum Kochen verwendet wird.)
   Die Insel Banda ist das eigentliche Vaterland des Muskatbaumes. Dieser Baum bedarf hier gar keiner Pflege und wird bei weitem stärker und höher als auf Singapore. Er fängt mitunter im zwölften, gewöhnlich aber erst im fünfzehnten Jahr an, Früchte zu tragen, und erreicht ein Alter von 80 Jahren. Das Jahr vor seinem Absterben soll er außergewöhnlich viel tragen. Man rechnet durchschnittlich auf jeden Baum im Jahr 2.500 Nüsse. Es gibt auch einige, die bis 4.000 liefern. Die Ernte währt das ganze Jahr hindurch. Man geht jeden Morgen in die Perken, pflückt die reifen Nüsse, löst die Blüte, von der sie ganz umsponnen sind, ab und läßt Nuß und Blüte an der Sonne trocknen. Die Nüsse, welche von selbst abfallen, sind nicht halb so viel wert als die gepflückten. Ungefähr hundert Nüsse samt den Blüten gehen auf ein Pfund; fünf Pfund Nüsse geben ein Pfund Blüten. Der Perkenier erhält von der Regierung für ein Pfund Blüten und vier Pfund Nüsse einen Kupfergulden.
   Die Muskatnuß ist auf Banda und den dazugehörigen kleinen Eilanden Monopol. Der Eigentümer kann die Perken verpachten oder verkaufen; allein er darf keinen Baum ohne Bewilligung des Regierungsaufsehers umhauen. Letzterer besucht jedes Jahr die Perken, bezeichnet die Bäume, welche auszurotten sind, und bestimmt die Zahl der neu zu pflanzenden. Um die Leute zu den Muskatpflanzungen anzuregen, gibt die Regierung das Land umsonst und unterstützt die Pflanzer mit billigen Arbeitern, die aus den Verbrechern bestehen, welche von Java und anderen Orten hierher verbannt und per Monat vermietet werden.
   Am 27. Dezember segelte der Dampfer wieder ab. Da es auf dieser kleinen Insel wenig zu sehen gab und ich, wollte ich das Schiff nicht benutzen, einen Monat auf ein anderes hätte warten müssen, so besann ich mich nicht lange und begab mich an Bord.

Pfeiffer, Ida
Die Reise 1851 durch Borneo, Sumatra und Java
hg. von Gabriele Habinger, Wien 1993
Titel der Originalausgabe: Meine Zweite Weltreise, Wien 1856

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