1768 - Louis-Antoine de Bougainville
Auf Buru, Molukken
In der Nacht verspürten wir bereits den angenehmen Geruch, den die aromatischen Pflanzen der Molukkischen Inseln ausströmen; wir nahmen ihn als den Vorboten der Erlösung aus unserer Not an. Der Anblick eines ansehnlichen Fleckens, der im Hintergrund der Bai lag, die vor Anker liegenden Schiffe, das auf der Weide herumirrende Rindvieh verursachten uns ein Vergnügen, an dem ich auf das lebhafteste teilnahm, das ich aber nicht beschreiben kann.
Wir mussten verschiedene Male hin und her lavieren, ehe wir in die Bai kommen konnten, deren nördliche Spitze Lissatello und deren südöstliche Spitze Ruba heißt. Erst um 10 Uhr konnten wir auf den Flecken zusteuern.
Verschiedene Fahrzeuge schifften in der Bai; ich steckte die holländische Flagge auf und ließ einen Schuss tun: es kam aber niemand an Bord. Ich schickte darauf mein Boot zum Loten voraus, weil ich eine Bank auf der südöstlichen Seite der Bai befürchtete. Zu Mittag näherte sich eine Piroge, welche von Indianern geführt wurde, unserm Schiff; der darin sitzende Anführer wollte aber nicht Bord kommen, sondern fragte nur auf holländisch, wer wir wären?
Wir fuhren indessen mit vollen Segeln nach der Anweisung unseres Bootes weiter. Die Bank, vor welcher wir uns fürchteten, zeigte sich gar bald; das Meer war niedrig, daher sah man den gefährlichen Ort desto deutlicher. Sie besteht aus einer Kette von Klippen und Korallenbänken, welche sich von der südöstlichen Küste der Bai gegen Nordwesten eine halbe Meile weit erstreckt. Bei der Bank hat man nur 5 oder 6 Faden Tiefe und schlechten, korallenbedeckten Boden, bekommt aber gleich wieder 17 Faden mit einem guten sandigen Boden. Um Mittag legten wir uns dem holländischen Kontor gegenüber bei verschiedenen holländischen Schiffen vor Anker.
Kaum hatten wir Anker geworfen, als zwei holländische Soldaten unbewaffnet an Bord kamen. Der eine redete französisch und fragte mich im Namen des Residenten von dem holländischen Kontor, aus welchen Ursachen wir in diesen Hafen kämen, da uns bekannt sein müsse, dass allein Schiffe der Holländischen Ostindischen Kompanie hier einlaufen dürften. Ich schickte einen Offizier nebst den beiden Soldaten an den Residenten, welcher ihm die äußerste Notwendigkeit vorstellte, in der wir uns befanden, Lebensmittel zu suchen; wir hätten uns gezwungen gesehen, in dem erstbesten Hafen einzulaufen, ohne auf die Verträge zu achten, welche anderen Nationen wehrten, in die Häfen der Molukkischen Inseln einzulaufen; wir würden auch gleich wieder absegeln, sobald er uns mit den nötigen Lebensmitteln, deren wir unmöglich entraten könnten, versorgt haben würde.
Die beiden Soldaten kamen bald zurück und brachten mir einen schriftlichen Befehl von dem Statthalter von Amboina, unter dem der Resident von Buru steht, wodurch diesem ausdrücklich verboten wird, fremde Schiffe in dem Hafen aufzunehmen. Der Resident ließ mich zugleich bitten, ihm eine schriftliche Erklärung über die Ursachen, welche uns zum Einlaufen gezwungen, zu geben, damit er diese dem Statthalter schicken und sich dadurch wegen der Aufführung, die er gegen uns beobachten würde, rechtfertigen könne. Dieses Verlangen war billig. Ich setzte zu dem Ende eine unterschriebene Erklärung auf, dass wir von den Malouinischen Inseln [Falklands] kämen und durch das Südmeer nach Ostindien gehen wollten; dass uns die Passatwinde und der Mangel an Lebensmitteln nicht erlaubt hätten, nach den Philippinischen Inseln hinauf zu segeln; wir wären vielmehr durch die äußerste Not gezwungen worden, auf den Molukkischen Inseln Hilfe zu suchen, die ich ihn bäte, uns vermöge der Pflichten der Menschlichkeit nicht abzuschlagen.
Nunmehr waren alle Schwierigkeiten behoben. Der Resident hatte seine Pflichten gegenüber seinen Oberen erfüllt und tat nun, was er konnte, da die Sache nun einmal nicht zu ändern war. Er bot uns alles mit solcher Freimütigkeit an, als ob es ihm gehörte. Um 5 Uhr ging ich nebst einigen Offizieren an Land, um ihm einen Besuch abzustatten; er empfing uns sehr gut, soviel Unruhe ihm auch unsere Ankunft verursachen mochte. Er bot uns ein Abendessen an, welches wir nicht ausschlugen.
Aus dem Appetit und der Begierde, mit der wir alles verschlangen, konnte er sicherer als aus unseren Worten schließen, dass wir nicht ohne Ursache über Hungersnot klagten. Alle Holländer sahen uns mit Erstaunen zu und getrauten sich fast nichts zu nehmen, aus Furcht, sie könnten uns etwas rauben. Man muss selbst auf See gewesen sein und einige Monate solchen Mangel gelitten haben wie wir, um sich von der Empfindung einen Begriff zu machen, die der Anblick eines frischen Salats und guter Speisen bei Menschen in solchen Umständen erregt. Diese Mahlzeit war für mich eine der schönsten meines Lebens, zumal ich an Bord beider Schiffe so viel geschickt hatte, dass jedermann reichlich gesättigt werden konnte.
Es ward ausgemacht, dass das Schiffsvolk während unseres Hierseins, um täglich frische Speisen zu genießen, Hirschfleisch bekommen und dass wir bei der Abreise 18 Ochsen, etliche Schöpse und soviel Geflügel, wie wir verlangten, erhalten sollten. Statt des Brotes mussten wir Reis essen, dessen sich die Holländer statt des Brotes bedienen. Die Insulaner leben vom Sagobrot, das sie aus dem Mark einer Art Palmbäume, welchen sie diesen Namen beilegen, gewinnen. Dieses Brot ähnelt der Cassave. Wir konnten nicht so viele Gartengewächse und Hülsenfrüchte bekommen, wie es für die Gesundheit der mit dem Skorbut geplagten Schiffsbesatzung nötig war, weil die Einwohner keine anbauen. Der Resident ließ uns aber aus dem Garten der Kompanie etwas für die Kranken zukommen.
Alles gehört hier mittelbar oder unmittelbar de Ostindischen Kompanie, großes und kleines Vieh, Samenkörner und alles, was die Erde hervorbringt. Sie allein kauft und verkauft; die Schwarzen verkauften uns zwar Geflügel, Ziegen, Fische, Eier und Früchte, aber sie werden das daraus erlöste Geld nicht lange behalten, denn die Holländer wissen es ihnen für allerlei schlechte Waren, die sie gleichwohl zu hohen Preisen verkaufen, bald wieder abzunehmen. Die Hirschjagd ist nicht einmal frei, der Resident hat allein das Recht dazu. Er gibt seinen Jägern zu drei Schüssen Pulver und Blei, dafür müssen sie ihm zwei Stück Wildbret liefern und bekommen für jedes sechs Sous. Bringen sie nur eins, so wird ihnen soviel, wie ein Schuss kostet, von ihrem Schießgeld abgezogen.
Den 3. brachten wir unsere Kranken an Land, damit sie während unseres Aufenthaltes dort schlafen sollten. Alle Tage wurde beinah das ganze Schiffsvolk an Land geschickt, um sich mit Spaziergängen und auf andere Art zu belustigen. Das Wasserschöpfen und den Transport von Lebensmitteln an Bord ließ ich durch die Sklaven der Kompanie verrichten, welche der Resident uns um einen gewissen Tagelohn vermietete. Die „Etoile" befestigte inzwischen ihren großen Mast, welcher wackelte. Anfangs lagen wir vor zwei Ankern; die Holländer versicherten uns aber, dass diese Vorsicht in ihrem Hafen unnötig wäre wegen des guten Ankergrundes und der Regelmäßigkeit der Land- und Seewinde. Wir sahen auch an allen ihren Schiffen nur einen Anker und lichteten deswegen unseren kleinen Anker wieder.
Während unseres hiesigen Aufenthaltes war das Wetter beständig schön. Wenn es am Tage am heißesten war, stieg das Thermometer gemeiniglich auf 23° [29° C]. Den Tag über ging der Wind aus Nordost und Südost, abends kam er aber vom Lande, und die Nächte waren sehr frisch. Wir hatten auch Gelegenheit, das Innere der Insel kennen zu lernen, weil der Resident uns verschiedene Klopfjagden auf Hirsche erlaubte, welche uns ein großes Vergnügen machten. Das Land ist reizend, kleine Wälder, Ebenen und Hügel, zwischen denen in den Tälern artige kleine Flüsse laufen, wechseln miteinander ab. Die Holländer haben die ersten Hirsche hierher gebracht, und diese Tiere haben sich erstaunlich vermehrt, ihr Fleisch ist ungemein schmackhaft.
Man gibt der Insel Buru eine Länge von ungefähr 18 Stunden von Osten gegen Westen und 13 von Süden gegen Norden. Sie war ehemals dem König von Ternate unterworfen und musste ihm einen Tribut entrichten. Der vornehmste Ort ist Cajeli, welcher im Hintergrund der Bai dieses Namens in einer sumpfigen Ebene liegt, welche sich zwischen den beiden Flüssen Soweil und Abbo eine Stunde weit erstreckt. Der letztere dieser beiden Flüsse ist der größere, hat aber trübes Wasser. Die Landung ist hier sehr unbequem, zumal bei Ebbe, da die Boote weit weg vom Ufer bleiben müssen. Der Flecken Cajeli besteht aus dem Kontor und 14 Wohnungen von Indianern, welche sonst über die Insel verstreut lagen, jetzt aber um das Kontor herum angelegt sind.
Ehemals hatten die Holländer hier ein steinernes Kastell angelegt, seitdem es aber im Jahre 1689 durch einen Zufall in die Luft geflogen, hat man es bei einer bloßen Einfassung mit Palisaden und einer Batterie von sechs kleinen Kanonen bewenden lassen. Man nennt es das Verteidigungsfort, welches beinahe ein Witz ist. Die Besatzung steht unter dem Befehl des Residenten und ist 25 Mann stark nebst einem Korporal. Auf der ganzen Insel sind nicht 50 Weiße; hin und wieder gibt es einige Behausungen von Negern, wo Reis angebaut wird. Als wir dort waren, hatten die Holländer ihre Macht durch drei Schiffe verstärkt, deren größtes der Drachen war, eine Schnau von 14 Kanonen. Sie sollten zwischen den Molukkischen Inseln zur Bedrohung der Papuas und der Bewohner von Ceram kreuzen.
Die Eingeborenen bestehen aus zwei Klassen, aus Mohren und Alfurins. Die ersten unterstehen dem Kontor und sind den Holländern gänzlich unterworfen, die ihnen eine große Furcht vor allen anderen Nationen einzuprägen suchen. Sie beachten die Gebote Mohammeds sehr eifrig, das heißt, sie waschen sich fleißig, essen kein Schweinefleisch und nehmen so viele Weiber, wie sie ernähren können. Sie sind eifersüchtig und halten ihre Weiber deswegen eingeschlossen. Ihre Nahrung besteht in Sago, einigen Früchten und Fischen. An Festtagen bewirten sie sich mit Reis, den ihnen die Kompanie verkauft. Ihre Anführer oder Orencajes halten sich bei dem Residenten auf, der ihnen einige Achtung erweist und dadurch die Gemeinen in der Unterwürfigkeit erhält. Die Kompanie hat unter den Häuptern dieser Mohren Neid und Eifersucht aufeinander zu erregen gewusst; dadurch ist die allgemeine Sklaverei gesichert. Sie beobachtet hier dieselbe Politik wie allenthalben. Wenn einer der Anführer ein Komplott im Schilde führt, verrät ihn sofort ein anderer und entdeckt das ganze Vorhaben den Holländern.
Die Mohren sind übrigens hässlich, faul und nicht kriegerisch gesinnt. Sie fürchten sich sehr vor den Papuas, welche zuweilen 200 bis 300 Mann stark kommen, ihre Wohnungen abbrennen, nehmen, was sie finden, und vornehmlich die Mohren als Sklaven wegrühren. Ihr letzter Besuch vor drei Jahren war noch in frischer Erinnerung. Die holländische Kompanie lässt durch die Eingeborenen von Buru keine Sklavendienste verrichten, sondern sie nimmt die Schwarzen von den Inseln Ceram und Celebes dazu, welche sich einander wechselweise verkaufen.
Die Alfurins sind frei und keine Feinde der Holländer. Mit ihrer Unabhängigkeit zufrieden, verachten sie die Kleinigkeiten, für welche andere ihre Freiheit den Europäern verkaufen. Sie wohnen verstreut in den unzugänglichen Bergen im Innern der Insel und nähren sich von Sago, von Früchten und von der Jagd. Man weiß nicht, was für einer Religion sie zugetan sind, hält sie aber nicht für Mohammedaner, denn sie ziehen Schweine auf und essen ihr Fleisch. Zuweilen statten ihre Häupter dem Residenten einen Besuch ab, sie täten aber ebenso gut daran, wegzubleiben.
Ich weiß nicht, ob sich ehemals Gewürzbäume auf dieser Insel gefunden; heutzutage sucht man sie vergebens. Die Kompanie erhält von dieser Niederlassung nichts weiter als weißes und schwarzes Ebenholz und einige andere zur Tischlerarbeit sehr gesuchte Holzarten. Es gibt auf der Insel auch eine schöne Pfefferpflanzung; als wir die Bäume sahen, waren wir überzeugt davon, dass deren eine große Menge in Neuengland wächst. Früchte trifft man nicht im Überfluss an; sie bestehen in Kokosnüssen, Bananen, Pampelmusen, Zitronen, Pomeranzen und einigen Ananas. Es wächst hier eine gute Art der Gerste, Ottoni oder Sago borneo genannt, aus dem man eine Suppe kocht, die uns aber von schlechtem Geschmack schien. In den Wäldern trifft man eine Menge Vögel verschiedener Gattungen mit vortrefflich bunten Federn an, unter anderen Papageien von großer Schönheit.
Es gibt hier diejenige Art wilder Ratten, welche ihre Jungen in einem Sack unter dem Leib trägt, die Fledermaus mit den überaus großen Flügeln, ungeheuere Schlangen, welche einen Schöps verschlingen können, und eine andere Art weit gefährlicherer Schlangen, die sich auf den Bäumen aufhalten und den Vorbeigehenden, wenn sie in die Höhe sehen, in die Augen schießen; gegen den Stich derselben weiß man kein Mittel. Wir töteten zwei von ihnen auf der Hirschjagd. Der Fluss Abbo, dessen Ufer zu beiden Seiten mit dichten Bäumen besetzt sind, führt eine Menge schrecklicher Krokodile mit sich, welche Menschen und Tiere fressen. Sie kommen bei Nacht zum Vorschein, und man hat Beispiele dafür, dass sie Menschen aus den Pirogen geholt haben. Wenn man Fackeln anzündet, nähern sie sich nicht. Die Küste von Buru liefert wenig schöne Muscheln; die seltenen Muscheln, mit denen die Holländer Handel treiben, finden sich an der Küste von Ceram, von Amblaw und von Banda, und man schickt sie von dort nach Batavia. Auf Amblaw werden auch Catakoi [Kakadus] von der schönsten Art gefunden.
Der Resident auf Buru hieß Hendryck Ouman. Er lebt als unumschränkter Herrscher, hat 100 Sklaven für den Dienst in seinem Haus und besitzt im Übrigen alles, was zum Notwendigen und Angenehmen des menschlichen Lebens gehört, im Überflusse. Er ist Unterkaufmann, was dem Rang nach die dritte Stelle im Dienste der Kompanie ist. Er ist zu Batavia geboren und hat eine Kreolin aus Amboina geheiratet. Ich kann sein gutes Betragen gegen uns nicht genug loben. Unsere Ankunft war allerdings eine bedenkliche Sache, er führte sich dabei aber als ein kluger Mann auf. Nachdem er seine Schuldigkeit gegenüber seinem Vorgesetzten getan hatte, tat er alles, was nicht zu ändern war, auf die beste Art und als ein Mann, der edel denkt. Wir konnten sein Haus als das unsrige ansehen und fanden zu allen Stunden Essen und Trinken, wodurch er uns, die wir so ausgehungert waren, den größten Dienst erwies. Er gab uns zwei feierliche Mahlzeiten, bei denen alles gut zubereitet und so sauber und elegant eingerichtet war, dass wir dergleichen an einem so wenig wichtigen Ort gar nicht vermuteten.
Das Haus dieses rechtschaffenen Holländers ist artig, zierlich möbliert und ganz im chinesischen Geschmack eingerichtet; alles ist darauf eingerichtet, frische Luft zu verschaffen. Ringsumher liegen Gärten, durch die ein Fluss fließt. Eine Allee mit hohen Bäumen führt vom Ufer des Meeres dorthin. Seine Frau und Töchter gingen chinesisch gekleidet und wussten sich als Herrinnen des Hauses sehr anständig aufzuführen. Sie vertrieben sich die Zeit damit, Blumen zur Destillation vorzubereiten, Sträuße zu binden und Betel anzurichten. Die Luft ist in dieser angenehmen Wohnung ganz mit lieblichen Düften angefüllt; wir wären gerne lange hier geblieben.
Bougainville, Louis-Antoine de
Reise um die Welt …
Leipzig 1783