Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1644 - Johan von der Behr
Batavia: Über die Chinesen
Djakarta, Indonesien

Von allerley Nationen ist Batavia angefüllet, meistens aber von Chinesern, die gemeiniglich von einer langen Statur, flachen Angesicht, kleinen Augen, und stumpften Nasen zu sein pflegen. Die Haare ihrer Bärte gehen nicht alleine wie armer Leute Korn auf, sondern sie bleiben auch also biß zur Erndte, oder ins hohe Alter hinan, stehen. Und ist dahero nicht wenig sich zu verwundern, daß sie ihre Bärthe niemahlen von einigem betasten lassen, weilen sie unzweifentlich Sorge tragen, es möchte ihnen auch das wenige vollends ausgerauffet, oder sie sonst anderer gestalt darumb gebracht werden. Es ist noch nicht gnug gesagt von den seltzam sich gebährenden Chinesern, sondern ist über voriges zu wissen, daß sie die Nägel an der rechten Hand ab, die Nägel aber an der lincken niemals abzuschneiden pflegen. Sonsten aber find sie nicht eben albere Schaffs-Köpffe, wie wohl mancher aus angeregten ihren Actionen urtheilen dürfte, inmassen vielmehr das Gegenspiel aus dero von der gütigen Natur eingepflantzten guten Neigungen zu löblichen Künsten und Vornehmen, absonderlich zur nimmer gnug belobten Mahlerey, Kauffen und Verkauffen, und allerley Handwercken, in denen allen sie wohl versiret, klärlichen erhellet. Doch ist darbey remarquabel und merckwürdig, daß sie keine Wagenwinden machen können.
   Was der Chineser Kleidung betrift, tragen etliche weiße, etliche blaue Kleider oder Röcke, mit grossen und langen Ermeln vor denen keine Hand gesehen wird. Dergleichen Coleur seind auch ihre Unterhosen, die sehr weit sind, und hengen an selbige vorwerths lange Beutel, in denen sie ihr Geld verwahrlich halten.
Ihre Schue oder vielmehr Pantoffeln sind breit, darinnen sie mehr schlorffen als gehen, bey nassen Regenwetter aber, bedienen sie sich der Holtzschuen nach Art der Capuciner. Die grossen Herren kleiden sich in bunte Seidene, und biß auf die Füsse hinunter gehende Röcke mit langen Ermeln. Die Vornehmsten tragen über diß noch seidene Strümpffe und sammete Schue. Ins gemein aber lassen sie ihre Haare, darauf sie viel Zeit und Kosten spendiren, durch die Barbierer alle 8. Tage reinigen, und auf der Weiber Manier entweder in Zöpffe schlagen, oder schneckweise legen, mit einer mitten durchgezogenen silbernen Haarnadel, und haben zu Ende der Haare einen Kamm von Schildkröten, darüber sie ein Schwartzes Pferdhärnes Netz (so bey ihnen in hohen aestim) zu ziehen pflegen. Wer wollte aber nicht ehe eine Weibs-Person, als einen männlichen Geschlechts, aus nur berührtem Habit erkennen? Es ist nur erinnert worden, daß die Chineser auf ihre Haare viel Mühe und Geld zu wenden, und also nicht wenig von denselben zu halten pflegen.
   Diese ist unter andern auch daher zu ersehen, daß, wenn Hauß und Hoff durchs Spiel, dem sie eifrigst obliegen, verlohren ist, sie allererst umb ihre Haare spielen, und so dann sich willigst in die Dienstbarkeit begeben. Dergleichen spielsüchtigen Kopff habe ich unter meinen Cameraden selbsten gekant, den das Spiel arm und wiederumb reich gemachet hat, nahmentlich Jean Clauß von Enkhüsen, dieser wagte eins sein Kost-Geld anderthalbe Thaler an einen Chinesen, und gewann ihme mit dem wenigen Gelde Hauß und Hoff, Weib und Kinder, und alle seine fahrende und liegende Güther ab, welche seine Landsleuthe auf 4.000 Holländische Gülden schätzeten. Das Geld sammt den Güthern behielte der Gewinner, das Weib aber gab er dem unglückseeligen Chinesen wieder, das übrige worde gleichfalls zu Gelde gemacht und behalten.
   Der Chineser Weiber sind zu Batavia meistentheils anderer Nation und erkauffte Sclavinnen, nicht schwartz wie die Mohrinnen, sondern gelbe, derer einer so viel zu haben berechtigst ist, als er kauffen und ernehren kan.
   Verstirbt ein Mann, so werden dessen Weiber entweder von seinen Freunden und nächsten Erben behalten, oder wieder verhandelt, biß auf eine, die der Verstorbene im Leben am liebsten gehabt, Selbige bekömt einen Frey-Brief, Kraft dessen sie sich, mit wem sie will, wiederumb verehlichen mag. Und ist nichts ungewöhnliches, daß dergleichen Weiber, absonderlich wenn sie wohl begütert sind, und sich zu Christo bekennen, von denen Holländern heim geholet werden.

Behr, Johann von der
Reise nach Java, Vorderindien, Persien und Ceylon 1641-1650
Neu herausgeben nach der zu Breslau  im Verlag von Urb. Spalthholtz  im Jahre 1669 erschienen Original-Ausgabe
n der Reihe: Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompagnien 1602-1797; Herausgegeben von S. P: L'Honoré Naber, 4. Band, Haag 1930

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