1738 - Gottfried von Laimbeckhoven SJ
Aufenthalt in Malakka
Am 29. [Juni] rückten wir mit Wind und Meer so weit fort, dass wir uns heute Abend eine Meile vor Malakka vor Anker legten. Wir trafen hier im Hafen auch das dritte macaische Schiff, Corsario genannt, an, samt drei englischen, 16 chinesischen Sommen und einigen wenigen holländischen Fahrzeugen.
Kaum hatten wir geankert und die Festung mit fünf Kanonenschüssen begrüßt, fuhr der Schiffshauptmann mit Pater Augustino Hallerstein in unserer Schaluppe an Land, ersterer, um seinem Handel nachzugehen, letzterer, um uns einen geeigneten Ort in der Stadt zu finden, wo wir ein paar Tage unsere Kräfte ergötzen könnten. Er verweilte auch nicht lange, sondern schickte uns gegen 1 Uhr am Nachmittag ein malaiisches Boot, um uns in die Stadt Malakka zu fahren. Um von den Holländern nicht als Priester erkannt zu werden, mussten wir wiederum in weltliche Kleider schlüpfen, von denen uns die portugiesischen Kaufleuten, die mit auf dem Schiff waren, die allerkostbarsten ausgesucht hatten. Und da man uns wegen der Anzahl der Personen beargwöhnte, mussten wir vorgeben, wir gingen in Geschäften mit dem königlichen Gouverneur nach Macao. Alles, glaubten wir, war dadurch sicher, aber die Farbe unserer Gesichter wurde uns zum Verräter, dass wir keine bleichen und schwarz-gelben Portugiesen, sondern Deutsche waren. Die kleinen Kinder auf der Gasse schrieen uns diesen Namen nach. Ich aber wurde wegen meines Aufzuges von jedermann für einen Franzosen gehalten. Wir konnten auch nicht mehr verborgen halten, dass wir Priester waren; der Schiffskapitän hatte, um weitere Ungelegenheiten zu vermeiden, vom holländischen Gouverneur die Erlaubnis erhalten, dass wir an Land gehen könnten, aber unter der Bedingung, den katholischen Soldaten keine heiligen Sakramente zu spenden.
Da wir nun vom Gouverneur selbst die Erlaubnis hatten, hatte unser Kapitän nur noch wenig Bedenken, jedem, der es zu wissen verlangte, die Wahrheit, wer wir wären, ohne Umschweif zu entdecken. Wie blieben in dieser Stadt bis zur Nacht des 2. Juli und wurden nicht nur von den Römisch-Katholischen, sondern auch von Engländern und Holländern auf das Freigiebigste bewillkommnet.
Ich gebe hier eine kurze Beschreibung dieser im Orient so berühmten Handelsstadt.
Malakka liegt als im südlichen Teil des alten Chersoneso [Halbinsel] auf 2 Grad 25 Minuten Nordbreite und 124 Grad 36 Minuten Weltlänge. Einst war es eine der vornehmsten und reichsten Handelsstädte Asiens, weil es ein Schlüssel der malaiischen Meerenge ist, durch die fast alle Schiffe aus ganz Indien, Mogor [indisches Mogulreich], Persien, Arabien und Bengalen, die weiter nach Osten schiffen, durchpassieren müssen. Die Portugiesen zwickten diesen Hauptort unter ihrem weltbekannten Helden Alphonso Albuquerque dem König von Ihor hinweg. Aber anno 1640 wurden sie auch von den Holländern aus Malakka hinausgeworfen, nachdem sie eine halbjährige scharfe Belagerung tapfer ausgestanden und die ganze Garnison bis auf den letzten Mann mit dem Degen in der Hand das Leben eingebüßt hatte. Seitdem es unter dem holländischen Joch steht, hat der Handel, den man ganz nach Batavia verlegt hat, so abgenommen, dass man nur noch wenige fremde Schiffe, einige chinesische Sommen ausgenommen, hier einlaufen sieht.
Den Hafen hat die Natur ohne menschlichen Fleiß gebaut, da sich hier die malaiische Küste ungemein krümmt, macht das Meer einen ziemlichen Busen, der als Hafen dient, in dem aber die Schiffe keineswegs sicher liegen. Denn da es Ungewitter (die man hierzulande Samatras nennt) fast täglich gibt, der Meeresgrund aber nur lauter Kot ist, kann sich in einem so weichen Grund kein Anker genügend festsetzen.
Die Stadt gleicht einem mittleren Städtchen in Deutschland und hat Teile innerhalb und außerhalb der Mauer. Innerhalb liegt die Festung, in die man über eine Zugbrücke geht, und die mit guten Bastionen eingeschlossen und mit genügend grobem Geschütz versehen ist. Diese Festung haben die Portugiesen angelegt, und man sieht noch über zwei Pforten das königlich-portugiesische Wappen. Die Besatzung, die sich etwa auf 200 Mann beläuft, kommt aus verschiedenen europäischen Nationen, die meisten aber aus Deutschland, von denen der größere Teil der römisch-katholischen Religion zugetan ist. Und da von der Besatzung sehr viele auf den hier einlaufenden portugiesischen flüchten, darf kein katholischer Soldat (so kein Ober- oder Unteroffizier) allein aus der Festung gehen, so lange ein portugiesisches Schiff im Hafen liegt.
In der Festung steht der Palast des holländischen Gouverneurs, ziemlich gut nach europäischer Art gebaut, wie auch die Wohnhäuser der meisten Offiziere der holländischen Kompanie. Der jetzige Gouverneur von Malakka ist ein angesagter Feind der römisch-katholischen Religion und es scheint, er habe neben dem Hass von seinesgleichen gegen unseren heiligen Glauben noch mehr aus Japan mit sich gebracht, wo er schon zweimal als Vorsteher die Interessen der Kompanie in Nagasaki besorgt hat.
In der Mitte der Festung schwingt sich ein Berg in die Höhe, auf dessen Spitze eine Kirche steht, die zu Zeiten der portugiesischen Herrschaft unserer Gesellschaft gehörte; die dazu gehörige Residenz haben die Holländer in ein Zeughaus verwandelt, die Kirche ist aber noch übrig und dient ihnen für ihren kalvinistischen Gottesdienst.
Merkwürdig an dieser Festung ist, dass die holländische Kompanie seit der Zeit, da sie deren Meister geworden ist, entgegen der Gewohnheit an anderen Plätzen niemals ihre Flagge auf den Mauern aufpflanzen kann; denn so oft sie das tat, kam alsobald auch bei heiterem Himmel ein gewaltiger Donnerschlag, der sie zertrümmerte und zu Asche verbrannte. Dass dieses keine erdichtete Sache ist, sondern Wahrheit, erzählten mir nicht nur die hiesigen Katholischen, sondern die Holländer selbst. Und tatsächlich stecken sie auch bei Ankunft fremder Schiffe niemals ihre Flagge aus.
Die Stadt außerhalb der Mauern ist in Gassen wie nach der Schnur gezogen eingeteilt. Man sieht dort die Behausung des Fiscals und Sibandars, etliche Gebäude europäischer Kaufleute und einige Gasthäuser; die übrigen Häuser sind nichts als niedrig aus Bambus zusammengesetzte Wohnhütten der Malaien, Mahommedaner und Chinesen, deren letztere man hier bis 3.000 rechnet.
Der Handel, der hier getrieben wird, ist das im Orient so bekannte Kraut Betel und die Arkea-Nuss, die in Form einer Muskatnuss gleicht und die man mit Betel in den Mund tut; auch Petra de Proco Espinho, und Sago, was ein als Speise taugliches Erdgewächs ist wie der Reis. Das so genannte spanische Rohr findet man hier in so großem Überfluss, dass man damit ganze Schiffe beladen könnte. Man kauft ein Dutzend davon, auch von dem schönsten, für zwei Kaisergulden. Daneben kann man hier die allerschönsten Papageien erhandeln, die irgendwo auf der Welt anzutreffen sind, manche sind ganz purpurrot, einige rot und blau, andere rot mit grün vermischter Farbe. Von der letzten Gattung habe ich hier sieben Papageien für einen halben Gulden gekauft.
Die in Malakka gültigen Münzen sind alles europäisches großes Silbergeld wie Gulden, Taler, spanische Pesos oder Pataken, auch die Rupien aus Surate und Mogor, deren zwei für einen Kaisertaler gelten. Das Silber dieser Rupien hält man für das feinste, weil es keine oder nur eine geringe Lega haben soll. Die kleinen in Malakka gangbaren Münzen sind die Calchae; sie führen das holländische Wappen und 12 machen eine Rupie.
Die Einwohner dieser Stadt werden hauptsächlich in vier Nationen eingeteilt, in Europäer, Malaien, Mahommedaner und Chinesen. Alle diese Nationen haben ihren freien und ungehinderten Gottesdienst, so dass man mohammedanische Moscheen und chinesische Pagoden sieht; nur die Römisch-Katholischen genießen diese Freiheit nicht, sondern es werden die heiligen Sakramente nur insgeheim den Katholischen von einem aus Goa gebürtigen und hier wohnhaften Priester gespendet. Wem von uns sollte dieses Verfahren vor Schmerzen nicht das Herz gebrochen haben, als wir sahen, dass jene europäische Nation, die doch auch den christlichen Namen führen will, dem verfluchten Mahomet oder fabelhaften Fo Tempel und Altar aufzurichten gestattet, den wahren Gott aber öffentlich zu verehren nicht zulässt, was in unserem heiligen Gesetz geboten und worin wir von Jugend auf erzogen worden sind. Und in Wahrheit sind die Holländer in Malakka besonders bei den Malaien des Landes so verhasst, dass diese inständig das Ende der Herrschaft begehren und augenblicklich bereit sind, sich welchem Fürsten auch immer dienstbar zu machen.
Während meines Aufenthaltes hier in Malakka ging ich in eine chinesische Pagode hinein eben zu der Zeit, als sie ihrem Götzen wegen eines ihrer Schiffe, das ein Ungewitter glücklich überstanden hatte, ein feierliches Dankfest anstellten und dem Teufel in unserer Gegenwart eine Geiß und ein Schwein, wohl als würdiges Opfer für einen solchen Gott, zur Dankbarkeit schlachteten. Eben bei dieser Gelegenheit wollte ich auch die mohammedanische Moschee sehen, aber eben als ich sie betreten wollte, ermahnte mich der Priester, ich sollte der Ehrerbietigkeit halber die Schuhe ausziehen. Ich lachte über die Einfalt dieses Teufelsdieners und weil ich ohnedies durch die geöffnete Tür nichts als ein finsteres, aus drei leeren Wänden bestehendes Zimmer statt eines Tempels sah, ging ich meines Weges davon.
Da Malakka nur zwei Grad über dem Äquator liegt, so ist es, als genösse man hier fast immer angenehmen Frühling; auch ist die Hitze nicht allzu unmäßig, da sich fast täglich ein Ungewitter erhebt, das sich im allgemeinen in einen kühlen Regen ergießt; deswegen ist auch das Erdreich fruchtbar für alle Sachen und man findet hier fast alle indischen Früchte wie Ananas, Kokosnuss, Bananen, Papayas, Jaquen, Giamboja, Mangustan und was es dergleichen mehr gibt. Besonders berühmt aber ist die Frucht Durian, die sonst nirgends, nur an der malaiischen Küste anzutreffen ist; von außen gleicht sie etwas einer Jaque, doch ist sie nicht so groß, gibt aber einen so unleidlichen Gestank von sich, dass, als uns eine solche Frucht als Seltsamkeit auf die Tafel gesetzt wurde, ich mich wegen des Gestanks hinweg begeben musste. Man sagte mir zwar, dass, wenn man diese Frucht versucht, sie ebenso lieblich im Geschmack wie abscheulich im Geruch sei; mich konnte das aber keineswegs dazu bewegen, auch nur einen Bissen davon zu versuchen.
In den Wirtshäusern wird man auf das Herzlichste bewirtet, und ich gestehe, dass ich seit meiner Abreise aus Deutschland an keiner besser geordneten Tafel gesessen habe; und was dabei verwundert, ist , dass man gar nicht viel bezahlt, nämlich für jeden Person am Tag einen Gulden. Was aber den Wein anbetrifft, war dieser so unmäßig teuer, dass wir für jede Bouteille französischen Weins einen Reichstaler, für eine Bouteille Bier aber einen Gulden bezahlen mussten.
Nun hatten wir uns in Malakka ziemlich vergnügt zwei ganze Tage aufgehalten, auch einen neuen Lebensmittelvorrat für die weitere Reise eingehandelt, als wir am 2. Juli vom Kapitän verständigt wurden, dass wir diese Nacht unter Segel gehen würden. Wir verweilten also nicht lange, sondern fuhren nach eingenommenem Nachtessen gegen 10 Uhr abends wieder an Bord.
Laimbeckhoven, Gottfried von
Faksimile der Reisebeschreibung
In:
Der Bischof von Nanjing und seine Briefe aus China
Hrg. von Stefan Puhl, Sigismund Freiherr von Elverfeldt-Ulm unter Mitwirkung von Gerhard Zeilinger
Sankt Augustin 2000