1886 - Robert von Lendenfeld
Auf einer Teeplantage
Ceylon / Sri Lanka
Da die Teekultur gegenwärtig von besonderer Bedeutung für Ceylon ist, möchte ich das Leben auf einer Teeplantage näher beschreiben.
Die Pflanzung liegt in einem breiten Tale 400 Meter über dem Meer. Fern in Osten blicken die Gipfel des Gebirges herab in das teilweise bewaldete Tal. Grasland wechselt mit dichtem Urwald ab und diese Abwechslung verleiht der Landschaft einen parkähnlichen Charakter. Das luftige Haus mit seiner Veranda steht auf einer terrassenartigen Terrainstufe. Ein herrlicher Garten, geziert mit den schönsten Bäumen der Tropen, vor allem mit Bambusgruppen und hoch aufragenden Palmen, umgibt den Herrensitz. In einiger Entfernung stehen die einfachen Hütten der tamilischen Kulis. Den Hang hinauf erstreckt sich die Teepflanzung. Zwischen den Teesträuchern stehen noch vielerorts die Stümpfe der gefällten Bäume des Urwaldes.
Es ist noch zeitig am Morgen und kühl. Die erwachende Dämmerung verscheucht die Fledermäuse, Ziegenmelker und Eulen, und auch die nächtlichen Raubtiere ziehen sich zurück in das Dunkel des Urwalds. Das Geheul der Schakale verstummt, und die wilden Elefanten verlassen den Fluß, um den Tag im Walde zu verträumen. Rasch wird es heller, und empor springt die Sonne über den östlichen Bergwall, senkrecht aufsteigend und die Nebel verscheuchend, welche in wallenden Massen im Tale umherziehen. Alle Blätter sind schwer beladen mit Tau, und Brillanten gleich glitzern die Tropen an den riesigen Spinnweben, die zwischen den Stämmen der Bäume ausgespannt sind.
Zuerst werden die Hesperiden munter, schnell fliegende Schmetterlinge, die im ersten Morgenlicht von Blume zu Blume eilen. Erst wenn die Sonne höher gestiegen ist und mehr Kraft erlangt hat, treten zu diesen die mannigfaltigen Arten von Vanessa und Papilio hinzu, und jetzt umschwirrt eine Wolke von farbenprächtigen Insekten jeden blütenstrotzenden Strauch. Von Tagvögeln erscheint zuerst die Krähe (Corvus cuminatus). Bald mischt sich mit ihrem Gekrächze der vielstimmige und dissonante Chor der Papageien. Dann erheben sich Kraniche und andere Watvögel von ihren Schlafplätzen im Walde, schütteln den Tau von den Fittichen und fliegen hinab zu den Aestuarien und Seen, wo sie tagsüber fischen. Kaum ist es Licht, so erklingt auch der Gesang des Urvogels (Copsychus saularis), zu dem sich nach wenigen Minuten die klangvolle Stimme des Oriolo gesellt. Jetzt kräht auch der wilde Hahn in der Tiefe des Tals, melodiöser als sein zahmer Verwandter. Später singen die Maquahs (Hetaerornis cristatella) und andere Vögel, und es ertönt das dem fernen Blöken von Kühen ähnliche Girren der bronzeflügeligen Taube. Mit der Sonne erscheinen auch die Schwalben und Segler und jene Juwelen der Luft, die kolibriähnlich aussehenden Honigsauger, welche wie gewisse Nachtschmetterlinge schwirrend vom Nektar der Blumen sich nähren.
Die Kulis verlassen die Hütten. Frauen, Buben und Mädchen in ihren leichten weißen Gewändern gehen hinaus in die Teepflanzung. Ihre Arme und Beine sind nackt und glänzend wie der perlende Tau. An der Hüfte trägt jeder einen großen, rundlichen Korb. Sie gehen von einem der mannshohen Teebüsche zum anderen, pflücken einen Teil der jungen Blätter und Knospen ab und füllen damit ihre Körbe. Die Mädchen scherzen und lachen, und auf allen Gesichtern sind Zufriedenheit und Wohlbefinden zu lesen. Der Herr, ein älterer englischer Offizier, und ich haben nach kurzem Spaziergange in der kühlen Morgendämmerung unsere Bäder genommen und schlendern nun in weißem Baumwollkleide, die dicken Sonnenhelme auf dem Kopf, durch die Plantage. In scharfem Kontrast zu der Heiterkeit der Teepflücker steht das vornehm zurückhaltende, kränklich und fahl aussehende Gesicht des Pflanzers und Herrn.
Noch ist es früh am Vormittag, aber glühend heiß schon brennt die Sonne herab auf das Tal. Wir gehen ins Haus, legen uns in die Hängematten und suchen im Fächern trügerische Kühlung. Den kleinen singhalesischen Knaben – den Punkah-Wallas -, welche Kühlung uns zufächeln, scheint es jedoch gar nicht warm zu sein. Die Sonne nähert sich dem Zenith, und unerträglich wird die Hitze. Die Kulis verlassen die Teeplantage und ziehen sich in ihre Hütten zurück. Die Vögel sitzen stumm und regungslos im kühlen Laubdach der Bäume, die Eidechsen sind aber noch lebendig und huschen über den Plan vor dem Hause. Auch die Mücken tanzen noch über den Pfützen, und smaragdglänzende Libellen fliegen schimmern im blendenden Sonnenglanz mückenjagend über die kleinen Wasserflächen hin.
Die gesammelten Teeblätter werden in der Sonne ausgebreitet. Sie welken und werden dann in großen, mit Wasserkraft oder Dampf getriebenen Maschinen eine halbe Stunde lang gerollt und hierauf abermals ausgebreitet und einer Gährung unterworfen, wobei sie eine kupferrote Farbe annehmen. Dann werden sie über einem Holzkohlenfeuer oder in eigens dazu eingerichteten eisernen Öfen rasch getrocknet und geröstet und hierauf durch Siebe von verschiedener Maschenweite nach der Größe sortiert, abermals geröstet, um jede Spur von Feuchtigkeit zu vertreiben, und noch warm in Metall-(Blei-)blechkisten verpackt.
Die Kisten werden sofort verlötet, so daß der getrocknete, etwas hygroskopische Tee keine Zeit hat, Feuchtigkeit aus der Luft zu absorbieren.
Die Sonne wendet sich dem westlichen Horizont zu, aber noch immer lastet bleiern auf uns die unerträgliche Hitze. Eine kleine Kühlmaschine (Refigerator) versorgt uns mit Eis, und wir trinken den ganzen Tag gekühltes Sodawasser, Limonade und dergleichen. Zum Essen, ja selbst zum Rauchen ist es zu warm, nur einige Früchte können wir genießen. Endlich wird es etwas kühler, die Kulis kehren zurück, und die Vögel erwachen aus ihrem Mittagsschlaf. Dunkelrot sinkt die Sonne über dem westlichen Flachland. Wir verlassen das schützende Dach. Heiß ist der Boden, aber rasch kühlt sich die Luft ab, denn von den Bergen herab weht liebliche Kühlung. Käfer durcheilen die Luft. Die Nachtschmetterlinge erwachen und die herrlichen Sphingiden umschwirren die jetzt am Abend noch reichlicher duftenden Blumen. Fledermäuse und Ziegenmelker beleben die Dämmerung. Unerträglich werden die Moskitos, deren pfeifendes Summen und deren schmerzhafte Stiche uns jetzt, da wir in der Kühlung uns laben wollen, jeglichen Lebensgenuß verbittern. Um die Knöchel – über den Schuhen – zu schützen, müssen wir die Füße in Musselinsäcke stecken. Hals, Gesicht und Hände muß man ebenso schützen, wenn man sich nicht zur Verzweiflung bringen lassen will.
In einem Zelt aus Moskitonetzen mit doppelten Vorhängen setzen wir uns zum Dinner. Hier sind wir vor diesen Peinigern sicher, und hier genießen wir ungestört die erquickende Kühle der Nacht nach der Hitze des Tages.
Hell glänzen die Sterne, ruhig und mit planetarischem Lichte. Funkelnde Leuchtkäfer und die intensiv leuchtenden Weibchen von Lampyris durchfliegen gleich Raketen und Feuerkugeln die blumenduftende Luft der tropischen Nacht. In der Ferne heulen die Schakale. Und zu diesem unheimlichen Tone gesellen sich andere Rufe, die mit vielfältigem Widerhall die Wälder durchklingen.
Unser freundlicher Wirt erhebt den perlenden Wein der Champagne auf das Wohl der Lieben im fernen Europa, und die Gläser klingen fröhlich hinaus in die ambrosische Nacht.
Lendenfeld, Robert von
Australische Reise
Innsbruck 1892