Um 1700 - Martin Wintergerst
Über den Zimt
Ceylon / Sri Lanka
Dass aber diese Insel Ceylon mit einem doppelten Praerogativ von Gott begnadet worden, ist bei jederman, der solches weiß, unstreitig. Nämlich es gibt fast der ganzen Welt die edelsten Zimt-Rinden und zeugt die besten Elephanten.
Was den Zimmet anbelangt, so hat sie, seit sie die Holländer besitzen, diese Beschaffenheit damit. Es gibt der Zimt-Wälder sehr viel, und ist mancher über anderthalb Meilen groß, das Holz wächst auf einem schönen weißen Sand-Boden, anderthalb Manns hoch, und der dickeste Stamm hat etwan 6 Zoll im Diameter, aber von unten auf viel Neben-Geschoß, daß es mehr einem dicken Gesträuch als einem Wald gleichet, die Blätter sind den Pfeffer-Blättern gleich, ausgenommen am Geruch nicht, so daß ich lang keinen Unterschied finden konnte, weder an Farbe noch an Gestalt, bis man mir zeigte, daß die Pfeffer-Blätter 5 Aderlein, diese aber nur 3 haben; sie tragen kleine Blümlein, und diese bringen kleine Beeren, welche eine gute Speise für Vögel, absonderlich für wilde Tauben sind, welche deswegen Zim-Tauben genannt werden, und sehr gut zu essen sind. Es ist aber von denen Herren Staaten eine große Strafe gesetzt, wo jemand das geringste Holz sollte wegnehmen, und wird auch gar scharf darüber gehalten; indessen geschiehts doch, absonderlich in dem Zimt-Wäldlein, welches nur eine viertel Stund von Columba hinliegt, weil auch ziemlich viel Obst-Bäume da stehen, und man meistens dahin ausgeht, und sich in den Schatten grosser Obst-Bäume hinlegt, wie ich dergleichen auch selber getan, daß da und dorten etwas abgeschnitten und zerrissen wird; ich brachte einmal einige Zweiglein mit in mein Quartier, als aber mein Wirt heim kam, und solche auf dem Tisch liegen sah, verwunderte er sich sehr, wo diese Canellen herkämen, da ich ihm aber sagte, ich hätte sie herein gebracht, bat er mir gar sehr, ich sollte es nur auf die Gassen hinaus legen, damit er nicht in die Strafe verfiele.
Wann nun die Zeit kommt, daß die Bäume Saft bekommen wie bei uns im Frühling, so werden die Rinden geschält, wie man etwa bei uns die Mai-Pfeifen schneidet; da hat der Gubernator schon Befehl, wie viel die Compagnie haben will; der lässt es sodann den Capitain de Canelle wissen, dieser nimmt sobald den Capitain de Corla (ist so viel als Wald-Meister, oder Holzwart) der muß mit ihm überall herum reiten und sehen, wo am besten zu schäen ist, dann man kann nicht alle Jahr an einem Ort schälen, sondern muß sie allzeit zwei Jahre ruhen und wieder wachsen lassen; alsdann werden die Schäler, oder wie sie es nennen die Zaliers, welches ein absonderlich Geschlecht ist, und sonst niemand schälen darf, beordert, mit ihren Oberen in dem Castell zu erscheinen, da ziehen sie wie eine kleine Armee mit ihren Ober- und Unter-Offizieren und fliegenden Fahnen ein, und wird von 100 Mann dem Gubernator von den besten Victualien des Landes ein Präsent vorgetragen, da wird erstlich mit ihnen accordiert, wie sie die Bezahlung wollen annehmen, denn der Lohn ist schon gewiß, nämlich sie müssen für einen leichten Taler, das ist so viel als bei uns ein Gulden 12 Kreutzer, 80 Pfund Canelle liefern, welche aber so dürr sein müssen, daß mans mit einem Finger entzwei schnellen kann, der Accord aber bestehet darin, ob sie wollen halb, oder zwei vierter oder drei vierter Geld, und das andere in Salz oder Cuton nehmen; alsdann wird einem jeden Dorf ausgeteilet, was es liefern solle; wenn dann nun die Lieferung geschehen und sowohl die Schiffe, welche von Ceylon grad nach Holland (deren gemeiniglich 5) als auch welche nach Batavia (deren 11 oder 12 sind) und von da auch dorthin fahren, ihre Ladung haben, so ist ein gewisser Tag angesetzt, da auf dem Markt alle Canelle, was die Schiffe nicht haben laden können, feilgeboten wird, das Pfund vor ein Reichtstaler; wenn nun jemand wollte nur einen Heller davon kaufen, so wirds nicht gegeben, sondern alles zusammen auf einen Haufen geführt und verbrannt; dieses lässt nun die Compagnie zu dem Ende tun, daß sonst kein Zimt als was ihre Schiffe tragen von Ceylon weggeführt werde; und so viel von dem Zimt.
Wintergerst, Martin
Reisen auf dem Mittelländsichen Meere, der Nordsee, nach Ceylon und Java 1688-1710
Neu herausgeben nach der zu Memmingen im Verlag Johann Wilhelm Müller im Jahre 1712 erschienenen Originalausgabe
in der Reihe: Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompagnien 1602-1797
Herausgegeben von S. P: L'Honoré Naber, 13. Band, Haag 1932