330 v. Chr. - Diodor
Alexander in Persepolis
Persepolis, die Hauptstadt des persischen Reichs, erklärte Alexander für die einzige gegen die Makedonier feindliche Stadt in Asien, und überließ sie den Truppen zur Plünderung, die Königsburg ausgenommen. Es war die reichste Stadt unter der Sonne, und die Wohnungen der Bürger waren seit langer Zeit mit Reichtümern aller Art angefüllt. Die Makedonier gingen nun von Haus zu Haus, alle Männer umbringend und die Habe plündernd, die sie in großer Menge vorfanden, namentlich viel Geräte und allerlei Schmuck. Da wurde viel Silber weggeschleppt und nicht wenig Gold geraubt. Viele kostbare Kleider, teils mit Meerpurpur (echtem Purpur) gefärbt, teils mit goldenen Stickereien verziert, wurden ein Preis der Sieger. Die große, in der ganzen Welt berühmte Königsburg war dem Mutwillen und der völligen Zerstörung preisgegeben. Den ganzen Tag plünderten die Makedonier, und doch konnte ihre unersättliche Habsucht nicht befriedigt werden. So übermäßig war die Raubsucht dieser Plünderer, daß sie miteinander Streit anfingen und manchen, der sich einen größeren Teil der Beute zugeeignet, umbrachten. Einige zerhieben die kostbarsten Stücke, die sie fanden, mit dem Schwert und nahmen sich jeder seinen Teil. Andere hieben in der wilden Gier denen, die sich um die Beute mit ihnen zankten, die Hände ab. Die Weiber wurden in ihrem vollen Schmuck mit Gewalt fortgeschleppt und in ihrer Gefangenschaft wie Sklaven behandelt. So weit die Stadt Persepolis die anderen an Wohlstand übertraf, um so viel trauriger war auch ihr Schicksal als das der anderen Städte.
Alexander begab sich auf die Burg und nahm die Schätze daselbst in Besitz. Hier war alles voll Silber und Gold, weil von dem ersten Perserkönig Cyrus an bis auf die damalige Zeit die Einkünfte gesammelt waren. Was man da fand waren 20.000 Talente, das Gold nach dem Verhältnis des Silbers berechnet. Er wollte einen Teil des Geldes mitnehmen zu seinem Bedarf für den Krieg, den anderen Teil aber nach Susa bringen und in dieser Stadt verwahren. Daher ließ er aus Babylon und Mesopotamien, auch aus Susa, eine Menge von Mauleseln, sowohl Lasttiere wie Zugvieh, und noch dazu 3.000 lasttragende Kamele kommen und durch dieselben alles an die bestimmten Orten schaffen. Denn den Eingeborenen mißtraute er, weil er sich so feindselig gegen sie benahm; auch hatte er im Sinn, Persepolis von Grund auf zu zerstören.
Es wird nicht am unrechten Ort sein, wenn wir den prächtigen Bau der Königsburg in dieser Stadt kurz beschreiben. Die Burg hatte einen bedeutenden Umfang und eine dreifache Ringmauer. Die erste Mauer war auf einem kostspieligen Unterbau aufgeführt und mit Zinnen geschmückt und hatte eine Höhe von 16 Ellen. Die zweite ist noch einmal so hoch, im Übrigen aber so gebaut wie die vorige. Die dritte Mauer umschließt einen viereckigen Raum, hat eine Höhe von 60 Ellen und besteht aus hartem Stein, der seiner Beschaffenheit nach von ewiger Dauer ist. Auf jeder Seite ist ein ehernes Tor und neben demselben 20 Ellen hohe eherne Pfosten, diese zum Staunen der Schauenden, jenes zum sicheren Schutz erbaut. Auf der Morgenseite der Burg 400 Fuß entfernt ist der sogenannte Königsberg, wo die Gräber der Könige waren. Es war ein ausgehauener Fels, der in der Mitte mehrere Gemächer hatte, in welchen die Särge der Verstorbenen waren. Dahin führte keine ordentliche Treppe, sondern die Toten wurden, um daselbst beigesetzt zu werden, durch künstliche Maschinen hinaufgehoben. In der Burg selbst waren mehrere prächtig ausgerüstete Zimmer für die Könige und Feldherren, und zur Aufbewahrung der Gelder zweckmäßig eingerichtete Schatzkammern.
Alexander stellte wegen seiner glücklichen Taten Siegesfeste an, wo er den Göttern herrliche Opfer brachte und seine Freude köstlich bewirtete. Da geschah es einmal bei einem Schmause mit seinen Vertrauten, als man schon viel getrunken hatte und vom Weine ziemlich erhitzt war, daß eine wahre Raserei die Berauschten ergriff. Es sagte nämlich eine von den Weibern namens Thaïs, aus Attika gebürtig, unter Alexanders Taten in Asien wäre das die schönste, wenn er einen Bacchantenzug mit ihnen hielte und die Königsburg in Brand steckte, dass die Herrlichkeit der Perser durch Weiberhände in kurzer Zeit vernichtet würde. Man kann sich denken, dass auf dieses Wort, unter jungen Männern gesprochen, die durch den Wein aufgeregt die Besonnenheit verloren hatten, sogleich einer rief, wohlan, und begehrte, man sollte Fackeln anzünden und den an den Tempeln der Griechen verübten Frevel rächen. Viele Andere stimmten bei und sagten, dem Alexander allein gezieme diese Tat; der König selbst wurde durch diese Reden aufgereizt, und so sprang die ganze Tischgesellschaft auf und erklärte, zur Siegesfeier einen Aufzug des Dionysos halten zu wollen. Bald war eine Menge von Fackeln herbeigebracht, und der Zug begann, da Tonkünstlerinnen an der Trinkgesellschaft Teil hatten, unter Gesang und Pfeifen- und Flötenspiel. Der König ging voran, und die Hure Thaïs leitete das Ganze. Sie war es, die zunächst nach dem König die brennende Fackel in die Königsburg schleuderte. Dasselbe taten dann die Andern, und schnell war die Burg und Alles rings umher von der gewaltigen Flamme verzehrt. Das Allermerkwürdigste dabei war, daß, was der ruchlose Perserkönig Xerxes an der Burg der Athener getan, durch ein einziges Weib, eine Bürgerin der von dem Unglück betroffenen Stadt, viele Jahre nachher zur Kurzweil mit derselben Unbill vergolten wurde.
Wurm,Julius Friedrich
Diodor’s von Sicilien historische Bibliothek
Bändchen 13, Buch 17, Stuttgart 1838