Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1936 - Wilhelm König
Die Bagdad-Batterie oder: Stromerzeugung in der Antike?

Im Jahre 1936 war die große Überschwemmung, die den östlich des Tigris liegenden Teil Baghdads auf Wochen zur Insel machte. Als endlich die Hauptmenge des Überschwemmungswassers abgelaufen, aufgesogen und verdunstet war, standen noch immer in zahlreichen tieferliegenden Geländepartien der Stadt und ihrer Umgebung große Tümpel, in denen Milliarden von Mücken ihre Brutstätte fanden. Das Gesundheitsministerium versuchte sein Mögliches, dieser Malariagefahr entgegenzutreten. Weil nun in der unmittelbaren Nähe von Baghdad keine Bodenerhebungen sind, von denen Material zur Ausfüllung der Tümpel hätte genommen werden können, verfiel man auf die Idee, einen unmittelbar an der Bahnstrecke nach Khanakin gelegenen Lehmhügel abzutragen. Beim Abgraben dieser Erhebung sah man, daß sie ein Teil, eine Ruinenstätte war. Wie sich später erwies, enthielt sie Reste aus parthischer Zeit, etwa 300 vor bis 300 nach Chr.
    Der Fund wurde gesetzestreu der Antikenverwaltung gemeldet. Das Museum entsandte eine Kommission und in weiterer Folge eine kleine Ausgrabungsexpedition, um den Hügel von Khujut Rabuah zu erforschen. Dabei wurde etwas Eigenartiges gefunden und, nachdem es schon durch viele Hände gegangen war, zu mir gebracht. In einem vasenartigen Gefäß aus hellgelbem Ton, dessen Hals abgenommen war, stak, von Asphalt festgehalten, ein Kupferzylinder. Die Vase war etwa 15 cm hoch, das aus Kupferblech verfertigte Zylinderrohr mit Boden hatte einen Durchmesser von 26 mm und eine Höhe von 9 cm. In diesem befand sich, durch eine Art Stöpsel aus Asphalt festgehalten, ein vollständig oxydiertes Stäbchen aus Eisen, dessen oberes Ende etwa 1 cm über den Stopfen herausstand und mit einer gelbgrauen, völlig oxydierten dünnen Schicht eines Metalls, dem Aussehen nach Blei, überzogen war. Das untere Ende des Eisenstäbchens reichte nicht bis auf den Boden des Zylinders, auf dem sich eine etwa 3 mm starke Asphaltschicht befand. Die Frage, worum es sich bei dem seltsamen Fund handle, beantwortete sich mir auf das überraschendste, als ich alle Teile zueinander in Beziehung brachte und ihre sorgfältige Trennung voneinander durch isolierenden Asphalt bedachte: Es mußte sich um ein elektrisches Element handeln! Man brauchte nur eine saure oder laugige Flüssigkeit einzufüllen, dann war das Element fertig. Ich äußerte mit Vorsicht meine Ansicht, die durch weitere Fundumstände und Funde nur bestärkt wurde:
    Die Tonflasche mit der Kupferzelle hatte man in einem Hause außerhalb der Siedlung gefunden, in ihrer Nähe lagen drei Tonschalen mit Zauberinschriften; in Seleucia am Tigris hatten sich in Ruinen ähnliche Kupferzellen gefunden, auch solche, die eine Anordnung verschiedener Art zeigten.
    Ein weithalsiges Tongefäß war mit Asphalt verschlossen, in ihm staken Eisen- und Kupferstäbchen hintereinander, mit lang herausragenden Enden über den Verschlußpfropfen. Da lag schon ein Versuch vor, die Spannung des Elementes zu heben! Dieser Fund und andere ähnlicher Art waren bereits veröffentlicht worden, aber ohne Kommentar.
    Was konnte mit solchen Elementen gemacht worden sein? Daß sie nicht nur gebaut, sondern auch benützt worden waren, konnte, wie Dr. W. Gangl in Wien beobachtete, an dem „elektrodenhaft" abgefressenen Eisenkörper des Baghdader Fundes gesehen werden. Wozu also hatte man solche Elemente verwendet?
    Aus einer viel früheren Zeit, etwa 2500 v. Chr., sind Bronze- und Kupfergefäße aus Teil Asmar bekannt, die eine sonderbare, oft blaue und sehr leicht abfallende Patina haben. Die Gefäße zeigen ähnliche Formen wie die gleichzeitigen aus Ur, nur das Metall ist verschieden. Es fand sich keine sichtbare Erklärung, warum die blaue Edelrostschicht der Teil Asmar-Gefäße schon bei leichtem Beklopfen abfiel. Hatte man, um mit dem reichen Ur wetteifern zu können, Kupfergefäße vielleicht vergoldet? Es wäre gut vorzustellen, daß eine galvanisch niedergeschlagene Goldschicht das feste Anwachsen des blauen basischen Karbonats verhindert hat. In Baghdad gibt es heute noch zur Vergoldung ein primitives Verfahren auf versteckter elektrischer Basis. Vielleicht ist es älter, als man glaubt?
    Es ist denkbar, daß der Zauberer von Khujut Rabuah auch Arzt war und mit dem elektrischen Strom solch einer Zelle heilte. Ihre Spannung ist gar nicht so gering, denn berührt man Eisen und Kupfer der Batterie mit der Zunge, so ist der Strom deutlich zu verspüren. Vielleicht kannte er auch schon etwas von der sonderbaren Wirkung der beiden Pole eines solchen Elementes in kranken, keimhaltigen Flüssigkeiten. Diese Erscheinung wird als Elektrotropismus bezeichnet und ist auch heute noch kaum bekannt. Wir wissen also bisher nicht sicher, wozu diese Eisen-Kupfer-Zellen Verwendung fanden, wir wissen nur, daß sie an verschiedenen Orten gefunden wurden.
    Als ich auf meinem Urlaub 1937 Prof. K. vom Berliner Museum in Wien traf, fragte ich ihn, der selbst einige Jahre in Ktesiphon in der Nähe von Seleucia ausgegraben hatte, ob er während seiner Grabungstätigkeit nie solche Gefäße mit Kupferzylindern und von Asphalt gehaltenen Eisenstäbchen gefunden habe. Diese kurze Beschreibung genügte schon, und er berichtete mir, daß öfters solche Gefäße gefunden worden waren, aber es sei niemandem eingefallen, was sie sein könnten. Ich bat ihn um Photos von jenen Funden, die im Berliner Museum sein mußten. Als ich die Bilder erhielt, lagen ihnen einige Zeilen bei mit der Frage, ob ich darauf irgendetwas zusammenreimen könnte. Die drei Bilder zeigten:
ein großes Tongefäß und seinen Inhalt: eine Anzahl Kupferzylinder
ein großes Tongefäß und seinen Inhalt: eine Anzahl Eisenstäbchen
ein großes Tongefäß und seinen Inhalt: eine Anzahl Asphaltstöpsel mit je einem Loch.
    Die drei Töpfe stammten von derselben Fundstelle. Eines Tages kam die Erleuchtung, ich begann zu zählen - 10 Zylinder, 10 Eisenstäbchen und 10 Asphaltstöpsel: Es handelte sich also um zehn in zerlegtem Zustande aufbewahrte elektrische Zellen! Mit allen diesen Funden dürfte wohl erwiesen sein, daß schon unendlich lange vor Galvani die „fließende“ Elektrizität, die wir nach ihm die galvanische nennen, bekannt war.
    
König, Wilhelm
Im verlorenen Paradies- 9 Jahre Irak
Baden bei Wien 1940

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