Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

41 v. Chr. - Plutarch
Antonius trifft Kleopatra
Tarsus, Türkei

Als Antonius mit dem parthischen Kriege umging, schickte er zu Kleopatra und befahl ihr, in Kilikien zu erscheinen, um sich wegen der gegen sie erhobenen Beschuldigung zu verantworten, daß sie dem Cassius große Summen gegeben und ihn zum Kriege eifrig unterstützt habe. Sobald aber der Überbringer des Befehls, Dellius, ihre Schönheit sah und ihre Gewandtheit und Feinheit in der Unterhaltung kennen lernte, merkte er sogleich, dass Antonius einer solchen Frau nicht im mindesten etwas zuleide tun, sondern daß sie vielmehr bei ihm alles vermögen werde. Er beschloß daher, die Gunst der Ägypterin zu suchen und drang in sie, mit Homer zu sprechen, »in schönen Gewanden« nach Kilikien zu gehen und den Antonius nicht zu fürchten, welcher der liebenswürdigste und freundlichste unter allen Feldherren sei. Kleopatra ließ sich teils durch Dellius bestimmen, teils erwartete sie, in der Erinnerung an ihr früheres Verhältnis zu Caesar und dem Sohn des Pompeius, Gnaeus, daß sie jetzt umso leichter den Antonius fesseln werde. Denn jene hatten sie als sie noch ein Mädchen und mit dem Leben unbekannt kennen gelernt, den Antonius dagegen sollte sie in einem Lebensalter besuchen, in welchem die Frauen in vollster Jugendschöne und auf der Höhe geistiger Bildung stehen. Daher sorgte sie zwar für Geschenke, kostbare Sachen und Schmuck, wie sie eine so mächtige und reiche Königin mit sich führen muß, hauptsächlich aber hatte sie doch, als sie dort eintraf, ihre Hoffnungen auf sich selbst und auf ihre persönlichen Zauber- und Liebeskünste gesetzt.
    Da sie nun sowohl von Antonius selbst als auch von seinen Freunden viele Briefe erhielt, die sie einluden zu kommen, so verlor sie bald alle Furcht und Scheu vor dem Mann. Sie kam daher den Kydnosfluß auf einem Boote mit vergoldetem Hinterteil hinauf gefahren, die ausgespannten Segel waren von Purpur, silberne Ruder bewegten sich im Takt zu dem harmonischen Klang von Flöten, Syringen und Zithern. Sie selbst ruhte unter einem goldbestickten Baldachin, malerisch geschmückt wie Aphrodite. Knaben, den Liebesgöttern auf Gemälden ähnlich, standen ihr zur Seite und fächelten ihr Kühlung zu. Ebenso befanden sich auch die schönsten ihrer Dienerinnen, als Nereiden und Chariten gekleidet, die einen am Steuerruder, die andern am Tauwerk. Herrliche Wohlgerüche von vielen Spezereien füllten die Ufer. Eine Menge Menschen folgten ihr gleich auf dem Fluß zu beiden Seiten, andere kamen ihr, um sie zu sehen, von der Stadt her entgegen. Der Markt entleerte sich von Menschen, so daß endlich Antonius auf dem Tribunal, auf welchem er saß, allein zurückblieb. Überall hörte man das Wort, Aphrodite komme zum Heile Asiens im festlichen Zug zu Dionysos.
    Antonius schickte hierauf und ließ sie zur Tafel laden, sie aber bat, er möge lieber zu ihr kommen. Da er sich nun anfangs willig und freundlich zeigen wollte, so gab er nach und kam. Er fand hier eine Pracht, die alle Beschreibung überstieg, vor allem aber erstaunte er über die Anzahl der Lichter. Denn es waren so viele angebracht und leuchteten zugleich von allen Seiten, und zwar in solcher Stellung und Lage zueinander geordnet und bald im Quadrat, bald im Kreis gruppiert, daß dieser Anblick zu den seltenen, sehenswerten und schönen gehörte.
    Als er sie am folgenden Tag nun bei sich empfing, bemühte er sich, die Pracht und Eleganz des gestrigen Festes zu überbieten. Da er aber in beiden Stücken nachstand und sich besiegt sah, fing er selbst zuerst in Gegenwart seiner Gäste über die Armseligkeit und den Mangel an Feinheit bei sich zu scherzen an. Kleopatra erkannte in diesen Späßen gleich den Soldaten und den ungebildeten Menschen und bediente sich auch dieses Vorteils ihm gegenüber bereits ohne Rückhalt und dreisten Mutes. Denn ihre Schönheit war, wie man erzählt, für sich allein durchaus nicht unvergleichlich und nicht so angetan, die, die sie sahen, mit Staunen zu erfüllen. Dagegen hatte der Verkehr mit ihr einen unwiderstehlichen Zauber, und ihr Äußeres ließ eben in Verbindung mit der Anmut in ihrem Gespräch und mit dem in ihrer Unterhaltung zirkulierenden Feuer einen Stachel zurück. Selbst im bloßen Ton ihrer Stimme lag ein Leibreiz, und weil sie ihre Zunge wie ein vielseitiges Instrument in jeder beliebigen Sprache mit Leichtigkeit bewegte, verkehrte sie nur mit äußerst wenigen Barbaren durch einen Dolmetscher. Den meisten erteilte sie in eigener Person ihre Antwort: so den Äthiopiern, den Troglodyten, den Hebräern, den Arabern, Syrern, Medern und Parthern. Außerdem soll sie noch viele andere Sprachen gelernt haben, während die vor regierenden Könige zu träge gewesen waren, sich auch nur das Ägyptische anzueignen und mehrere selbst das Makedonische verlernt hatten.
    Bald hatte sie daher den Antonius so gefesselt, daß er ihr nach Alexandria folgte.

Plutarch’s Werke
Übersetzt von J.F.C. Campe
Stuttgart 1859

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!