480 vor Chr. - Herodot
Xerxes überschreitet den Hellespont
Dardanellen, Türkei
Sie stellten Fünfzigruderer und Dreiruderer zusammen, auf der einen Seite – nach dem Pontus Euxinus [dem Schwarzen Meer] – dreihundertsechzig, auf der anderen dreihundertvierzehn, schräg gegen den Pontus, gegen den Hellespontus aber nach seiner Strömung gerichtet, damit sie die Taue fest in der Spannung hielten. Nach der Aufstellung warfen sie nun mächtige Anker aus, an der einen Brücke gegen den Pontus hin, wegen der Winde, die von innen heraus wehen, an der anderen gegen Abend und das Ägäische Meer, wegen des Südost- und Südwindes. Zur Durchfahrt aber ließen sie eine Brücke zwischen den Fünfzigruderern an drei Stellen, damit, wer da wollte, in den Pontus fahren konnte mit leichten Fahrzeugen und aus dem Pontus heraus. Und dies getan, spannten sie die Taue vom Land aus mittelst hölzerner Winden an, nahmen aber nicht mehr beiderlei Arten gesondert, sondern je zwei von Weißflachs auf jeder Brücke und vier von Byblos. An Dicke und Ansehen waren sie zwar gleich, aber die flächsernen waren nach Maßgabe schwerer, davon die Elle ein Pfund wog. Nachdem so die Furt gemacht war, legten sie Holzblöcke, die sie gesägt und gleich lang gemacht hatten in der Breite des Brückenbodens, in guter Ordnung auf die ausgespannten Taue. Und wie sie der Reihe nach lagen, so banden sie wieder das Ganze fest zusammen. Das getan, trugen sie Holz auf; und wie auch das Holz in guter Ordnung lag, trugen sie Erde darauf. Und wie auch die Erde festgestampft war, zogen sie zu beiden Seiten einen Zaun, damit das Lastvieh und die Pferde nicht scheu würden vom Anblick des Meeres.
…
Nun rüsteten sie sich zum Übergang. Am folgenden [Tag] aber erwarteten sie die Sonne, um sie aufgehen zu sehen, und verbrannten indes bei den Brücken allerlei Räucherwerk und bestreuten den Weg mit Myrtenzweigen. Wie aber die Sonne heraufstieg, spendete Xerxes aus einer Goldenen Schale ins Meer und betete zum Sonnengott, daß nichts ihm begegnen möge, was ihn hemmen könnte in der Unterwerfung Europas, ehe er an dessen Grenzen gelangt. Und nach diesem Gebet warf Xerxes die Schale in den Hellespont, dazu einen goldenen Mischkrug und ein persisches Schwert, welches sie Acinaces nennen. Ich kann aber nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob er dies als Weihegeschenk für den Sonnengott ins Meer versenkt oder ob er seine Geißelung des Hellespont bereut und dafür das Meer beschenkt hat.
Als er dies getan hatte, gingen sie hinüber, nämlich auf der einen Brücke auf der Seite des Pontus das ganze Fußvolk samt der Reiterei, auf der anderen nach der Seite des Ägäischen Meeres das Lastvieh und der Troß. Voran gingen die zehntausend Perser, sämtlich bekränzt, und nach diesen das gemischte Heer aus allerlei Völkern. Am folgenden aber zuerst die Reiter und die mit gesenkten Lanzen, die waren auch bekränzt; und hernach die heiligen Pferde und der heilige Wagen; und darauf Xerxes selber mit den Lanzenträgern und tausend Reitern. Auf diese dann das übrige Heer. Zugleich liefen auch die Schiffe nach der gegenüber liegenden Küste aus. Ich habe auch gehört, der König sei zuallerletzt hinübergegangen.
Xerxes aber, als er hinüber kam nach Europa, schaute sein Heer an, wie es unter Geißelhieben herüber zog, und sein Heer zog herüber in sieben Tagen und sieben Nächten ununterbrochen nacheinander.
Herodot’s von Halikarnaß Geschichte, Buch 7
Übersetzung A. Schöll, Stuttgart 1821