1670 - Olfert Dapper
Madagaskar
Die Insel Madagaskar begreift in sich unterschiedliche Landschaften und Provinzen, als da sind die Landschaften Anossi oder Karkanossi, Manatenghi oder Manapani. Alle diese Landschaften sind sehr groß, unter welchen Machikore die größte. Die volkreichsten sind Vohitsanghomb und Erindrane. Dieses ganze Gestade wird durchschnitten mit sehr schönen und großen Flüssen, welche ihren Ursprung im Lande, ins Meer aber ihren Abfluß haben. Es hat auch viele schöne Seebusen, in welchen sichere Häfen und Porte sind. Die Franzosen schreiben sich die Entdeckung der am Ufer gelegenen Länder zu, nämlich von dem Seebusen von Antongil südwärts herunter bis an den Seebusen S. Augustin. Sie haben sich - ungefähr vierzig Jahre her - in der Landschaft Karkanossi, vornehmlich an der Südostseite, mit Aufrichtung eines festen Platzes, Dauphin genannt, befestigt. Es ist zwar wahr, daß die Portugiesen allezeit in ihren Schiffahrten nach Ostindien an dieser Insel angelandet und viel an der See gelegene Plätze entdeckt, wie auch nach ihnen die Holländer getan, aber sie sind beiderseits nicht so weit ins Land gekommen als die Franzosen.
DIE FESTUNG DAUPHIN IM LANDE ANOSSI: Auf dem äußersten Ecke der Süd- oder Südostseite, nahe am Ufer, haben die Franzosen in dem Land Anossi, ungefähr im Jahre 1644 angefangen sich zu befestigen mit einer Schanze, le Fort Dauphin genannt, und eine Kolonie in dem Lande, welches sie schier gänzlich mit den Waffen zu ihrem Gehorsam gebracht, aufgerichtet. Im Jahre 1642 bekam ein sonderlicher Franzose namens Ricau, Befehlshaber zur See, für sich und seine Mitgesellen von dem Kardinal Richelieu, damals Oberhaupt und Direktor der Französischen Seesachen, ein Privilegium, nur allein nach Madagaskar und den umliegenden Inseln Völker und Schiffe zu schicken, um dort eine Kolonie zu stiften und den Kaufhandel an- und aufzurichten; weil man davor hielte, daß es dem Seehandel nützlich sei und daß sie dieses Land als Besitzung des Königs von Frankreich einnähmen. Solches war ihnen auf zehn Jahre vergönnt, mit Ausschließung aller anderen, ohne Einwilligung der Mitgesellen, bei welchen zu dem Zwecke eine Gesellschaft unter dem Namen der Ost-Indischen Französischen Gesellschaft aufgerichtet wurde, und Erlaubnis vom König, auch Verlängerung der Privilegien bis an das Jahr einundsechzig erhalten.
Im März desselben Jahres schickte die Vereinigte Ostindische Gesellschaft ihr erstes Schiff aus unter dem Befehlshaber Koquet, welcher auf seine eigene und etlicher anderer Kaufleute Unkosten, um Ebenholz aus der Insel Madagaskar zu holen, ausschiffte. Es wurden zwei Befehlshaber oder Commisen von der Gesellschaft mit ihm gesandt, Pronis und Fockenbourg, auch zwölf andere Franzosen, um dort zu bleiben und ein Schiff, welches im Wintermonat nach Frankreich segeln sollte, abzuwarten. Koquet landete im Herbstmonat auf der Insel Madagaskar und trat im Vorüberfahren auf den Inseln Maskareigne und Diego de Reise an Land, welche Pronis unter dem Namen seines Königs in Besitz nahm, und zog danach auf die Insel S. Maria und in den Seebusen Antongil - in der Landsprache Manchabe genannt -, wo er das Gleiche tat. Fockenbourg und Pronis blieben danach in dem Hafen S. Lucix, sonst Manghafia genannt.
Am 1. April kam das Schiff S. Laurentz in Madagaskar an, war von der Gesellschaft abgefertigt, unter dem Befehlshaber Gillis Rezintont, zur selben Zeit, in der der Befehlshaber Koquet im Lande Anossi und Matatane Landung nahm. Rezimont brachte 77 Mann frisch Volk für Pronis mit sich, die ungefähr einen Monat lang alle zu Manghafia krank lagen, weil die Luft dort ungesund, deshalb auch der dritte Teil von ihnen starb. Bei solcher Beschaffenheit gingen die schwarzen Einwohner - aus Antrieb der Weißen - zusammen, um die Franzosen anzugreifen: aber dieser Anschlag wurde durch die Geschenke, welche Pronis dem Dian Ramach gab, der damals Beherrscher des Landes war, im ersten Angehen gedämpft.
Danach schickte Pronis zwölf Franzosen nach Matatane, um da ihre Wohnung zu machen. Als sie dort angelangt, ging ein Teil von ihnen ungefähr 18 Meilen nordwärts in das Land Matata, teils um Reis und andere Lebensmittel einzukaufen, teils um das Land zu entdecken. Aber als sie über einen Fluß setzten, wurden sechs von ihnen durch Praktiken der großen Herren desselben Landes als da war Zaze Ramihina, ein naher Blutsverwandter des Dian Ramach, wie auch derer aus Anossi jämmerlich getötet. Genauso wurden der Befehlshaber Rezimont, auch sechs Fahrensleute im Lande Bohitsmene, neben seinem Sohne, als sie Ebenholz einluden, niedergemacht. Rezimont lud soviel Ebenholz, als er konnte, und brachte die sechs übrigen Franzosen nach Anossi zu Pronis, weil dieser mittlerweile vom Hafen S. Lucien in das Land Anossi gezogen war, um seine Wohnung an dem Seebusen Tolanghare aufzurichten, wo er eine Festung aufwerfen ließ, von ihm derzeitig Fort Dauphin genannt. Denn dieser Ort wurde von ihm für den bequemsten gehalten, teils wegen der Sicherheit der Schiffe, die von den härtesten Winden darin befreit, teils wegen der füglichen Ankunft, nicht allein der kleinen Schifflein, sondern auch der großen.
Hinter der Festung sind viele Häuser, unter anderen ist auch das Haus des Französischen Statthalters nebst einem großen Garten, mit allerlei Küchenkräutern und Baumfrüchten versehen. Im Jahre 1656 brannte diese Festung durch Unglück ab, wurde aber bald wieder aufgebaut. Es liegt darin eine ziemliche Besatzung unter dem Kommando eines königlichen französischen Statthalters. Die Franzosen führen gemeiniglich große Kriege gegen die benachbarten Einwohner, sonderlich gegen die Lohavohiten, indem sie ins Gebirge streifen, Häuser und Dörfer verbrennen und das Vieh wegtreiben.
Im Jahre 1651 verwüstete Flakourd, Königlicher Französischer Statthalter, mit 40 Franzosen und gleicher Anzahl Mohren, die alle mit runden Schilden und Assagayen gewaffnet waren, das Land Franhere und legte alle Häuser und Hütten in Asche, trieb viel Kühe und Ochsen weg und brachte viel Manns- und Frauenvolk um; dergestalt, daß des Roandrians Herrlichkeit, die vornehmlich in ihren Häusern und Speisekammern bestand, zu Asche ward. Zugleich haben die Einwohner einen sonderlichen Haß auf die Franzosen geworfen, aus dem Grund (wie man sagt), weil Pronis vor etlichen Jahren viel Sklaven und Sklavinnen einem niederländischen Kommandanten von der Insel Mauritz verkauft hat. Und solches desto mehr, weil 16 Mägde aus dem Volke Lohavohits darunter gewesen und auf See gestorben sind .
BRIEFLEIN IM LAND MATATANE: Das Land Matatane ist flach, sehr fruchtbar an Zuckerrohr, Honig, Ignames und Vieh, und wird mit viel fischreichen Strömen durchschnitten. Das Zuckerrohr wächst dort so überflüssig, daß jährlich viel Schiffe mit Zucker damit zu laden wären, wenn man bequem Werkzeug dazu hätte und die Leute damit umzugehen wüßten.
Die vornehmen Herren haben viel Eheweiber, bisweilen 15 oder 20, die absonderlich in einem abgeschlossenen Orte, mit Zaunpfählen umgeben, einem Dorfe gleich ihre Wohnung haben. Eine jede hat darin ein kleines Häuslein für sich selbst, und es darf kein Mohr bei Verlust seines Lebens darein kommen. Sie haben keine Moscheen oder Kirchen und sind doch alle zu Aberglauben und Wahrsagereien geneigt; haben großes Vertrauen auf Brieflein, die in Arabisch geschrieben, und heißen bei ihnen Hiridzi, Masarabou und Talißimou. Sie halten davor, daß etliche einen vor dem Donner, Regen, Winde, Wunden im Kriege, Meuchelmord, Gift, Dieben, Räubern, Feuer und allem Bösen bewahren können. Alle diese Briefe werden von den Ombiassen (welche die Priester, Ärzte, Sternseher und Wahrsager sind) gemacht und den einfältigen Mohren, aber noch mehr den weißen Einwohnern verkauft, die davon oft eine große Anzahl am Halse tragen, in Riemen oder seidene und andere Art Tüchlein genäht. Sie stechen solche Buchstaben auch aus Gold, Silber, und kleine flache Stücklein Rohr zu dem eben genannten Zweck.
DAs GALEMBOULISCHE UFER ist zwei Meilen lang, mit Bäumen bewachsen und das Innere des Landes mit Bambus, einer Art dichten Riedes oder Rohres. Das Erdreich ist wundergut und fett und keiner Trockenheit unterworfen, wegen vielen Regens. Auch gibt es gute Weide, wiewohl der reichste Einwohner kaum 24 Stück Vieh hat. Die Berge aber sind sonderlich fruchtbar. Die Dörfer sind hierzulande besser gebaut als an anderen Orten und sehr vorteilhaft gelegen, nämlich auf den Bergen und längs der Flüsse, umgeben mit Zaunpfählen, und nur schlecht mit zwei Pforten versehen: eine davon zum Ein- und Ausgang, die andere aber, um nach dem Busche zu fliehen, wenn sich die Einwohner dem Feind gegenüber zu schwach befinden.
Es ist ein nahrhaftig Volk, geht vor dem Sonnenaufgang auf die Reisfelder und kommt erst am Abend nach Hause. Die Männer hauen das Rohr, welches ziemlich groß, in den Büschen ab, verbrennen es, wenn es trocken ist, und misten die Äcker mit der Asche. Die übrige Arbeit ist der Frauen und Jungfrauen Werk, welche ein Körnlein Reis nach dem anderen nebeneinander - mit Singen und Tanzen - in die durch Regen eine Zeit lang angefeuchtete Asche pflanzen. Und solches auf eine wunderliche Weise, nämlich sie machen mit einem Stecken ein Loch in die Erde, werfen darein zwei Körnlein, tun Erde darauf und treten es mit dem Fuße zu. Dieses alles geschieht verwechslungsweise, also daß sie alle zugleich ein Ding im selben Augenblick tun, zugleich singen und tanzen, alle mit dem Haupt voraus, mit großer Geschwindigkeit. Sie jäten auch den Reis und bringen ihn, wenn er reif ist, in die Scheunen. Während die Frauen damit beschäftigt sind, hauen die Männer das Rohr ab, um es zu verbrennen. Denn sobald sie einen Reis aufgehen sehen, bringen sie anderen in die Erde, und sind also in stetiger Arbeit. Sie haben das ganze Jahr hindurch Reis und Laub, Blumen und Ähren zugleich. Ebenso gehen sie mit allen anderen Gewächsen und Pflanzen zu Werke.
DIE INSEL IM ALLGEMEINEN: Folgend wollen wir von den Sachen, die sie insgemein betreffen auch etwas handeln. Man findet auf der ganzen Insel Eisen und Stahl in großem Überfluß, welches auch dort leichter als hierzulande gesäubert wird: nämlich die Schmiede nehmen einen Korb voll Bergerde, die sie da finden und schmeißen sie gestoßen auf glühende Kohlen, zwischen vier Steinen mit Töpferton umher beschmiert, und blasen stark mit einem Blasebalg - wie eine hölzerne Pumpe gemacht wodurch das Mineral in einer Stunde geschmolzen ist, welches abgelassen, hernach wieder glühend gemacht, endlich zu drei- oder viereckigen Stangen geschmiedet wird. Es gibt auch Minen, wo kein Stahl gefunden wird, aber nicht in allen Landschaften.
Das Silber ist sehr gemein darin, aber der größte Teil davon ist ihnen aus einem holländischen, aus Ostindien kommenden Schiffe, welches in dem Lande Ampiatre Schiffbruch gelitten, zuteil geworden; wie auch aus anderen Schiffen, die im Vorbeifahren angesegelt sind. Es sind keine Silber-, Kupfer-, Blei- noch Zinnminen darin. Man findet auch Gold bei den Einwohnern, es ist aber nicht über See zu ihnen gebracht, dieweil es in großen Mengen hier gefunden wird. Da es nicht einerlei Art mit dem europäischen Golde ist, so wird es in ihrer Landsprache Boulamene Bouhouwa genannt. Ihr einheimisches Gold, das sie Gold von Malokasse nennen, ist bleich und wird so leicht wie Blei geschmolzen. Eine Unze dessen ist nicht mehr wert als zehn Kronen. Das Gold Malokasse ist dasselbe, welches sie im Lande gegraben. Und es befinden sich noch in dem Lande Anossi Goldgruben und im ganzen Lande goldreiche Berge, nach Aussagen der Einwohner.
Was die Edelsteine betrifft, findet man sie in Flüssen und Bächen mancherlei Art, als Kristalle, Topase, Granaten, Amethyste, Adlersteine, Smaragde, Saphire, Hyacinthen, Jaspis, Agaten und andere. Auch viel Blutsteine, Probiersteine und dergleichen mehr. Boame sind kleine rote Erbsen oder Bohnen, die an kleinen kriechenden Blättern wachsen, und dazulande von den Goldschmieden, das Gold damit zusammenzuschweißen, gebraucht werden - anstatt des Borar, den sie nicht kennen. Nämlich sie mengen gemahlene oder gestoßene Erbsen mit Limonadensaft und netzen damit das Gold, welches ganz weich und geschmeidig wird.
FRÜCHTE: Es wachsen auch da an vielen Orten Banannassen, welche den Einwohnern viel andere Speise sparen. Es gibt Früchte wie einen Arm lang und auch so dick. Andere tragen Früchte eines halben Armes, etliche eines Daumens dick, andere noch kleiner. Die Wurzeln dienen den Leuten sowohl in Hungersnöten als auch zu anderen Zeiten zur Speise. Die Banannassen sind nahrhaft, wenn sie reif sind und wie ein Apfel gebraten werden. Oft wird die Frucht unreif von dem Baume gepflückt und auf den Söller gehangen, wo sie in 14 Tagen zur Reife kommt. Im Lande Eringdrane werden Faden von der Rinde dieses Baumes gezogen, davon man Kleider macht.
DiE HERSTELLUNG VON INDIGO: Bangets, das die Indianer Anil oder Enger nennen, ist ein Gewächs, davon die Farbe Indigo gemacht wird, und solches auf folgende Weise. Man schneidet dieses Gewächs mit Blättern und Stielen ab, wenn es anfängt zu blühen, legt es in ein Faß voll Wasser, daß es faule, und rührt es alle Tage mit einem Stecken um. Wenn es nach drei oder vier Tagen verfault ist, wird es von den Stielen und Fäserchen gesäubert, und man läßt das Wasser, welches dunkel Violenblau ist, durch ein Sieb in eine Bütte ab. Es muß aber zuerst wohl umgerührt sein und ein gewisses Teil Olivenöl - viel oder wenig - nach dem Maß des Wassers dazugetan und wohl untereinander gemischt werden, damit sich das Öl wohl mit dem Wasser menge. Dann läßt man das Wasser stehen, da sinkt und setzt sich die Farbe als ein Schleim oder Kot auf den Boden, und scheidet sich das Wasser von der Farbe, welches durch ein Röhrlein abgezapft oder vielmehr durch ein wollenes Tuch gesiegen (geseiht) wird, bis endlich nichts übrig bleibt als dieser Schleim, so das rechte Indigo ist. Darauf wird es im Schatten auf einem Stein, wo keine Unreinheit hinkommt, getrocknet.
Das Bambusrohr ist im Lande Galemboulle in so großer Menge, daß das Land davon seinen Namen bekommen hat, ja es wächst da schier nichts anderes als Reis und dies Rohr, welches die Einwohner abhauen und verbrennen, um in die Asche den Reis zu säen. Dieses Gewächs gibt den Einwohnern nicht geringeren Nutzen als der Kokosbaum den Indianern, weil sie davon Töpfe, um Reis zu kochen, machen, wie auch Eimer und Gefäße zum Wasserschöpfen, Wein- und Bierflaschen, Messer, Schreibfedern, Violen und Harfen, Reismaße, Ställe für die Kühe, Tabakspfeifen, Feuerzeuge, Kähne, darin zwei Personen sitzen können und auf die Ströme damit fahren, Dächer, Söller, Bretter und Stützen oder Säulen für die Häuser, außerdem Palakins oder Tragstühle, darin große Herren getragen werden, zu welchem Zweck das Rohr, wenn es noch wächst, gekrümmt wird, damit es dazu desto bequemer sein möchte. Eben zu solchen Sachen wird dieses Rohr durch ganz Ostindien gebraucht, wo es gleichfalls überflüssig wächst.
AFFEN ODER MEERKATZFN gibt es vielerlei Art, unter andern weiße, die schwarze Flecken auf dem Leibe und Kopfe haben und eine lange Schnauze, gleich den Füchsen. Sie wüten wie die Tigertiere und machen in den Büschen ein solch groß Getümmel, daß wenn deren zehn sind, man meinen sollte, es wären hundert. Sie lassen sich auch wohl nicht zähmen. Desgleichen sind auch in dem Lande Ampatre und Machafalle weiße Affen, Vary genannt, in großer Menge mit weiß- und schwarzscheckigen Schwänzen. Es laufen in den Büschen deren wohl dreißig, vierzig oder fünfzig in einem Haufen. Man sieht da noch andere graue Affen, deren Augen wie Feuer leuchten, sind kurz von Haaren und schön, können aber wegen ihres großen Wütens nicht gezähmt werden, denn wenn sie gefangen sind, hungern sie sich selbst zu Tode.
Tretretretre oder Tratratratra ist ein Tier an Größe wie eine zweijährige Kuh, hat einen runden Kopf und menschlich Angesicht, die Füße aber wie ein Affe. Flakourt hält es für das Tier Tanacht, welches Ambrosius Pard beschreibt. Es hält sich bei dem Pfuhl Lipomami gar einsam auf. Die Einwohner fürchten sich davor und fliehen es, welches hinwieder vor den Menschen fliehen tut.
ALLE EINWOHNER sind entweder weiß oder schwarz. Die weißen sind dreierlei, Rhoandrians, Anakandrians und Ondzatsi, die schwarzen viererlei, Voadziri, Lohavohits, Ontsoa und Ondeves. Die Schwarzen sind denen von Mozambique ähnlich, haben aber nicht so krauses Haar, die Weißen haben langes und schlichtes Haar.
Man findet an vielen Orten rechte wilde Männer, von ihnen Ompizeer genannt, die Frau und Kinder haben das Haar am Haupt und Bart lang wachsen lassen und gehen nackt, ausgenommen daß sie breite Blätter vor der Scham haben. Sie halten sich in den dicksten Wäldern, fliehen die anderen schwarzen Einwohner und leben von Fischen, Wildbret, Früchten, wilden Wurzeln, wildern Honig und Heuschrecken. Es ist kein Volk auf der Welt so betrügerisch, gleißnerisch, schmeichelhaft, verlogen als die Madagasker, vornehmlich die von dem Lande Mangabei bis an das Ende der Insel gegen Süden wohnen. Denn die Mangabeer selbst sind nicht dieser Natur, sondern von wenig Worten, gar nicht grausam, auch nicht Verräter, halten ihr Wort, haben andere Gesetze und Sitten und rühmen sich, Abrahams Nachkommen zu sein. Die Rachgierigkeit und Verräterei werden von ihnen für zwei Haupttugenden gehalten, weil sie diejenigen Menschen verachten und herzlos nennen, die da vergeben und Mitleid haben.
ACKERBAU BEVORZUGT. Die Madagasker legen sich schier alle auf den Ackerbau, wissen sich wenig in den Handel zu schicken, bemühen sich auch nicht, so viel Handwerke und Künste zu erfinden wie die Europäer. Es ist bei ihnen nichts in ihrem Lande zusammenzubringen, wodurch sie Fremde hereinlocken könnten, auch nicht Seidenwürmer - deren es sehr viel da gibt - zu halten. Sondern sie vergnügen sich, dasjenige zu hantieren, was sie zu ihrer Bequemlichkeit, Unterhaltung, Kleidung und Wohnung vonnöten haben. Sie verachten das übrige und halten diese Art zu leben glückseliger als allen Überflusses Genießung.
Ihre hauptsächlichen Handwerke sind zimmern, eisen- und goldschmieden, drehen, Töpfe brennen, spinnen, weben, Seile drehen, fischen, jagen, aber vornehmlich das Land bebauen. Etliche, insonderheit die Ompanefaviher, machen aus Eisen und Stahl allerlei Werkzeuge wie Beile, Hämmer, Messer, Schuppen, Schermesser, Zangen, die Haare auszuraufen, Röste, Gabeln, allerlei Art Wurfspieße, Pfeile und große Schlachtmesser. Die Goldschmiede machen aus dem einheimischen Golde, wenn es erst zum Klumpen geschmolzen, Ohrringe und Armbänder, Halskettlein und anderen Zierat. Die Töpfer brennen mit Hagedornholz allerlei Schüsseln, Kannen, welche mit einer schwarzen Erde gerieben so glänzend werden, als wenn sie verglasuret wären. Die Drechsler machen hölzerne Schüsseln (die auch etliche ohne drehen machen) hölzerne Kasten, hölzerne und hörnene Löffel und andern Hausrat.
Sie fischen mit Netzen, wie große Kästen gemacht, mit Körben wie Reusen, mit Angeln und Assagayen, die am Ende Widerhaken haben, in den Seen, Flüssen, auf der See und am Ufer. Die auf der See fischen, fahren mit kleinen Kanoos darauf, daß man sie kaum mit dem Gesicht erreichen kann, und fangen mit den oben gemeldeten Körben eine große Menge kleiner Fische, die ihnen zum Köder dienen, große zu fangen. Vor Jahren sind auch Walfische neben der Insel gefangen worden. Jetzt aber haben sie nicht die Kühnheit, sich dessen zu unterfangen. Wenn sie reichen Fang gehabt, vertauschen sie die Fische für Reis, Ignameswurzeln, Baumwolle und andere Leibesnotwendigkeiten oder trocknen sie auch und braten sie auf einem hölzernen Roste überm Feuer, um sie zu bewahren. Die Frauen spinnen und weben vielerlei Kleider und Zeug von Flachs oder Faden aus Rinde gemacht: mit welcher Arbeit sich das Mannsvolk nicht bemüht, weil es deswegen für unehrlich von andern gehalten wird.
DIE REISFELDER: Das Land bauen sie auf andere Art und mit geringerer Mühe als die Europäer, denn sie pflügen es nicht um, sondern verbrennen Bäume, wenn großer Wind ist, und pflanzen in die Asche - nachdem sie durch den Regen wohl zubereitet - Ignameswurzeln, Reis und andere Lebensmittel. An der ganzen Seite der Gegend Mangabei wird der Reis ein Korn nach dem andern gepflanzt und eine Ähre nach der anderen abgeschnitten. Aber um Anossi herum wird das Erdreich mit Ochsen zubereitet, das Gras und Unkraut umzuwerfen. Wenn es verfault, wird der Reis gesät, welcher dann trefflich und schön hervorwächst. Diese Reisfelder sind morastig, daß die Ochsen im Arbeiten bis an den Bauch einsinken.
Der Horrack (das ist Reisacker oder Reismorast) hat einen sonderlichen Herrn, worüber bisweilen große Gezänke unter ihnen entstehen, desgleichen über die guten Länder, auf welche Ignameswurzeln gesät werden. Die armen Mohren bepflanzen die Seiten der Berge, wo sie Mühe genug haben, ihre Gewächse vor den wilden Schweinen zu bewahren und deswegen Tag und Nacht dabei wachen müssen.
Sie stellen auch Schweinejagden an mit kleinen Hunden. Wenn sie diese nun gefaßt, werfen sie dieselben mit Assagayen zu Tode, hauen sie in Stücke und geben sie den Hunden zu fressen. Denn die Jagd wird bei ihnen nicht vorgenommen, sich zu ergötzen, sondern nur ihre Gewächse zu bewahren und das Wild auszurotten, sonderlich die wilden Schweine.
SPIELE - GESÄNGE UND TÄNZE: Zweierlei Spiele sind dort vornehmlich in Gebrauch, das eine heißt Androuve, das andere Fifanga. Das Spiel Androuve geschieht mit Hörnlein, an dem Gestade gefunden, welche sie umdrehen und ein wenig von ferne aneinanderstoßen lassen. Beides, Manns- und Frauenvolk, klein und groß, ist dem Spiel ergeben, und oft wird eines um eines ganzen Ochsen willen angestellt. Das Spiel Fifanga ist trefflich lustig, aber erheischt mehr Scharfsinnigkeit als das Spiel Androuve. Es wird von zwei Spielern gespielt mit einigen runden Früchten (Bassi), in der Zahl vierundsechzig, auf einer hölzernen Tafel mit zweiunddreißig Löchern, welche in vier Reihen nebeneinander sind, sechzehn für einen Spieler und sechzehn für den anderen. Es kommt viel mit dem Damespiel und Ticktack überein.
Die Lieder und Tänze, zu welchen alle Einwohner große Zuneigung haben, sind schier in allen Landschaften unterschieden, aber alle ohne Takt. Es ist merkwürdig, daß sie keine ärgerlichen noch ruchlose Lieder und Melodien singen, auch keine unehrbaren Tänze haben, sondern sie gebrauchen während des Tanzes lustige Gebärden und Griffe. Ihre Gesänge sind entweder als Beschimpfung etlicher Personen gedacht oder zum Lobe ihrer Vorfahren. Sie spielen auf einem Musikinstrument, worauf etliche Saiten oder auf einem anderen, von Bambusrohr, auf dem sechs Saiten oder auf einem Herraovou, darauf man mit einem Bogen streicht. Die Karkanosser drehen sich bald um, bald gehen sie hintereinander, sehr bald stehen sie still oder weichen an die Seite in ihren Tänzen entweder nach der Trommel, oder (dem Gesang der) Tanzenden, singen selbst; und solches mit tausenderlei Gebärden, die bei den Fremden ein unvermeidliches Gelächter erwecken. Die Herraovouer-Spielleute haben gemeiniglich die meisten Zuhörer, denn sie bringen nichts als ernste Sachen vor, bisweilen auch alte Fabeln und Märlein.
HÄUSER: Die Häuser haben keine Kornboden noch Keller, sondern nur einen schlechten Söller und einen kleinen unter dem Dache, der spitz und scharf zugeht und von Blättern gemacht; oder auch von Bambusrohr oder Rasen. Die Wände sind von hölzernen Brettern, so zwei Daumen dick. Der Herd ist am Ende des Hauses, ungefähr vier Fuß lang und breit, viereckig und mit Sand erhoben, darin drei Steine liegen, den Topf darauf zu setzen, aber ohne Schornstein: also daß der Rauch durch das ganze Haus geht und keine angenehme Wohnung macht, weil das Feuer auch in der größten Hitze nicht ausgeht.
DIE KLEIDER VON FAUTATSRANOU-RINDE werden nach der Seite der Länder Manataga und Anossi gemacht und nur von Sklaven getragen. Die Rinde von diesem Baume, so am Wasser wächst, wird erst zu Faden gemacht und hernach zweimal in einer starken Lauge gekocht; nachdem sie abgewaschen, bindet man es nach der Dicke eines Fadens, als man es haben will, und dreht sie mit einer Spille (Spule) zusammen, und daraus werden endlich Kleider gewebt.
Dieses Zeug ist der europäischen Leinwand ganz gleich, und wer solches zuvor nicht wüßte, sollte es für Hanf oder Flachsleinwand ansehen. Es währt wohl dreimal so lange als baumwollenes Zeug. Diese Rinde ist auch bequem zu Segeln und Stricken. Von der Rinde Try (ein klein Bäumlein, das Milch gibt und viel in Ampatre wächst) werden sehr weiche Kleider, aber nicht so stark wie von Baumwolle gemacht. Von dem Bananas-Baum werden so schöne Kleider gemacht, daß sie den seidenen nicht viel nachgeben. Sie sind in Eringdranou sehr gebräuchlich. Alle diese Kleider werden gewebt wie bei uns die Leinwand.
PAPIERZUBEREITUNG - TINTE: Ihr Papier ist gelb und wird von der mittelsten Rinde des Baumes Avo, die sehr weich ist, gemacht. Davon machen auch die Matataner so weiche Kleider wie Seide. Es wird schier auf die Art gemacht wie das europäische, bedarf aber nicht so viel Zubereitung, auch nicht solche Werkzeuge. Sie kochen die Rinde zwei Tage lang in einem großen Kessel mit einer starken Lauge, von der Asche dieses Baumes gemacht. Wenn sie weich und dünn vom Kochen, waschen sie dieselbe in klarem Wasser ab und stampfen sie in einem hölzernen Mörser zu Pappe. Diese wird in einen Korb von kleinem und dünnem nebeneinandergefügtem Rohr geschöpft und zum Abtropfen gestzt, danach aber auf ein Blatt von Balisier, das mit wenig Öl von Menachil bestrichen ist, in die Sonne zum Trocknen gelegt. Sobald ein Blatt trocken ist, wird es durch das Abgekochte des Reises gezogen, damit es nicht durchschlägt. Danach wird es wieder getrocknet und endlich glatt gerieben.
Ihre Tinte wird von dem Abgekochten des Holzes Arandranto (davon die Vornehmsten ihre Häuser bauen und das Gummi Karabe herkommt) gemacht und so lange zum Trocknen aufgesetzt, bis es dick wird. Diese Tinte ist ziemlich gut, aber nicht so schwarz wie die unsere, wird aber durch Einmischung von ein wenig Vitriol schwärzer. Sie bedarf auch keines Gummis, denn das Holz selbst ist gummicht. Wenn sie trocken ist, wird sie mit ein wenig Wasser gekocht und ist so gut wie zuvor. Schreibfedern machen sie aus Bambusrohr, Voulou genannt, davon sie ein Stück in der Länge einer Hand und der Dicke eines Pfeiles schneiden, spalten es am Ende und machen es zu, recht schier wie wir unsere Federn. Damit schreiben sie dann.
DER ZIERAT, womit sich die Einwohner schmücken, besteht vornehmlich in mancherlei Kettlein, die sie an den Armen, Halse und Füßen tragen, in Ohrringen, Ringen und anderem kleinen Geschmeide, welches ihr vornehmster Reichtum ist. Savares sind Ketten von gläsernen Perlen, von feinen Perlen, natürlichen Korallen, goldenen Röhrlein, Perlen von Bergkristall, Achatsteinen, Carneolen, zwei- und vierfach um den Hals gewunden.
Sie tragen auch gute Ohrringe, vornehmlich die Zafferamini aus Matatane und haben Löcher in den Ohrläppchen in der Breite eines Daumens. in Eringdranou haben sie Löcher in den Ohren, darein man ein Hühnerei legen kann, aber sie tragen nur Ohrringe von Holz oder Horn. Die goldenen Ohrringe sind zweierlei, einige von lauterem Gold, Soamitoulie genannt und andere, die nur übergoldet, aber von ostindischen Schnecken gemacht und zwar nach dem Lande sehr artig. Obgleich die Goldschmiede kein Borax haben, können sie doch mit kleinen Bohnen - Voamene bei ihnen, in Indien Kondure genannt - das Gold zusammenschmelzen. Sie haben auch gewisse Arten des Übergoldens, das sie an dem Halsgeschmeide gebrauchen.
Sie tragen auch Minilies von Gold, Silber und Messing an den Armen, auch dergleichen Ringe an den Fingern, sie tragen auch Bänder an den Schenkeln, Armen und Füßen, eben von der Materie, aus der die Halskettlein sind.
POLYGAMIE: Ein jeder mag soviel Frauen haben als er ernähren kann, welches sie Mamoirate nennen, das ist Feinde machen. Denn eines Mannes Weiber hassen einander als Todfeinde und heißen auch einander Mirafe, das ist Feinde, ohne daß sie einander deswegen beleidigen oder schmähen. Die Frauen sind nicht weniger zur Hurerei geneigt als die Männer und lassen keine Gelegenheit, dies Handwerk zu treiben, vorbeigehen, indem sie allezeit zwei gute Freunde haben, mit welchen sie - außer ihrem Manne - der Liebe pflegen. Sie scheiden sich leicht und ergeben sich dem, der ihnen am besten ansteht. Unverheiratete Mägde lassen sich für Geld von allen denen, die zu ihnen kommen, gebrauchen. Wenn sie aber einer nicht bezahlt, ziehen sie ihm zum Schimpfe das Kleid aus. Und weil er sich nicht wehren darf, sieht er zuvor, daß ihnen Geld verschafft werde. Die Schwarzen machen kein groß Prangen auf ihren Hochzeiten, sonderlich nur die Zafferamini, wenn sie die vornehmste Frau heiraten.
DiE LEICHENBEGÄNGNISSE geschehen auf folgende Weise. Die nächsten Freunde des Toten waschen den Körper erstlich, hernach zieren sie ihn mit goldenen Menilles, Ohrringen, Ketten, Korallen und anderen Zierat, ziehen ihm zwei oder drei der schönsten Kleider an, tragen ihn mit einer großen Matte umhüllt zum Grabe und scharren ihn endlich ein. Vornehmen Herren wird das Haar abgeschnitten, den Frauen aber eine Mütze aufgesetzt. Dann kommen alle Sklaven, Mägde und Freunde des Verstorbenen ins Haus, heulen und plärren um die Leiche herum, an deren Füße ein Licht steht. Mittlerweile wird die Trommel gerührt, nach welcher die Frauen und Mägdlein einen manierlichen Tanz tun. Wenn sie ein Gänglein getan, gehen sie zur Leiche, um zu weinen und begeben sich hernach wieder zum Tanze, in dem das Mannsvolk die gebührliche Übung mit den Waffen verrichtet. Auf solche Weise wird bei ihnen dieser Tag zugebracht. Die Heulenden erheben das Lob des Verstorbenen mit Bezeugung, wie wehe ihnen sein Abschied tue und reden mit ihm, als wenn er noch lebte, fragen, warum er gestorben, ob er Mangel an Gold, Silber, Eisen, Vieh, Gewächsen, Sklaven oder Kaufmannschaft gehabt, oder etwas nicht nach seinem Wunsche gegangen. Endlich, wenn sie die Leiche bis auf den Abend beweint, werden Ochsen geschlachtet und das Gebratene oder Gekochte unter die ganze Versammlung geteilt.
Des anderen Tages frühe legt man die Leiche in einen starken Sarg - wie ein Kasten - von zwei ausgehöhlten Bäumen, dicht aufeinander gefügt, gemacht, und danach trägt man sie auf den Kirchhof (Amonouque), wo sie in eine künstlich gebaute Grabstätte, sechs Fuß tief gesetzt wird, dabei einen Reiskorb, Tabaksbüchse, irdenen Schüssel und kleinen Kohlpfannen, Räucherwerk zu brennen, ein Kleid und einen Gürtel. Danach wird der Ort zugeschlossen und ein großer Stein von zwölf oder fünf zehn Fuß davor gelegt. Danach wird viel Vieh geopfert, davon sie einen Teil dem Toten, dem Teufel und Gott lassen. Die Freundschaft schickt über acht oder vierzehn Tage durch die Sklaven dem Toten Speise und läßt ihn grüßen, eben als wenn er noch lebte.
Man steckt auch um das Grab herum die Köpfe des geopferten Viehes auf Pfähle. Und kommen des Verstorbenen Kinder von Zeit zu Zeit dahin und opfern Ochsen und fragen den Toten in Bekümmernis um Rat mit folgenden Worten: »Ihr, der ihr nun bei Gott seid, gebt uns Rat zu diesen oder jenen Sachen«, die sie auch nennen. Wenn sie (die Kinder) krank und unsinnig werden, senden die Verwandten von Stunden an einen Ombyassen oder Priester auf den Kirchhof, daß er des Kranken Geist dort suche. Dieser verfügt sich bei Nacht dahin, macht eine Grube in der Grabstätte und befragt die Seele des Vaters wegen des Geistes seines kranken Sohnes oder Tochter. Bald hält er eine Mütze recht über die Grube, schlägt sie geschwinde zu, läuft gerade nach des Kranken Haus, sagt, daß er den Geist habe und setzt die Mütze auf des Patienten Haupt, welcher so dumm ist, daß er sagt, er befinde sich wohl. Danach sagt er, er habe seinen Geist wiederbekommen, die Krankheit sei geheilt und befiehlt, dem Ombyassen eine Verehrung zu geben. Wenn eine Standesperson weit vom Vaterlande stirbt, hauen sie ihr das Haupt ab und senden es dahin; der Rumpf aber wird begraben, wo sie gestorben ist. Ist sie im Krieg umgekommen, wird sie auf der Stelle begraben, da sie geblieben ist: zu Friedenszeiten aber graben sie den Körper wieder aus und legen ihn ins Grab zu den Vorfahren.
GRAUSAMKEIT IN WEGSCHAFFUNG DER KINDER. Es ist kein greulicher und schändlicher Aberglaube, auch unter den wildesten Menschen als dieser der Madagasker, welcher ihnen befiehlt, ihre Kinder grausam zu verwerfen oder hinzurichten, also daß es nicht zu verwundern ist, daß diese Insel, eine der größten und fruchtbarsten der Welt, nicht volkreich ist. Sintemal diese unschuldigen Kinder von Mutterleibe an verdammt werden, das Tageslicht zu verlieren, ehe sie es gesehen haben. Zu diesem Aberglauben überreden sie die Ombyassen, indem sie den Vätern raten, die Kinder durch einen Sklaven, fern vom Dorf, etwa in einen Dornbusch oder eine Hecke tragen zu lassen, wo sie endlich nach vielem Weinen vor Hunger und Durst verschmachten oder von wilden Tieren zerrissen werden. Die Ursache ist, daß die Ombyassen vorgeben, sie seien nicht in einem glücklichen Monat, Tage oder Stunde geboren; vornehmlich aber, wenn der Ombyasse sieht, daß des Kindes Planet ihm zuwider ist, sagt er, das Kind werde seinen Vater oder die Mutter ermorden, Unglück im ganzen Lebenslauf haben und zu allem Bösen geneigt sein.
Die bösen Monate sind der April und der Fastenmonat; der achte Tag in allen Monaten, das letzte Viertel, die Mittwoche und der Freitag werden bei ihnen für unglücklich gehalten dergestalt, daß dieses Volk schier die Hälfte des Jahres für böse Tage rechnet. Es finden sich aber auch Leute, die mehr Mitleiden über ihre Kinder haben, und nachdem dieselben weggetragen, bald ihren Sklaven oder Mägden befehlen, das Kind zu holen und aufzuziehen. Doch halten sie solches nicht für das ihrige, sondern eignen es den Pflegevätern oder -müttern zu.
SPRACHE - BUCHSTABEN: Sie haben nur eine Sprache in der ganzen Insel, aber die Aussprache und der Klang der Wörter ist nach den Landschaften unterschieden, weil etliche dieselbe lang, wie die Mahafaller, die anderen aber sehr kurz aussprechen. Sie kommt viel mit den orientalischen Sprachen, vornehmlich aber mit dem Arabischen und Griechischen überein, sowohl in der Art auszusprechen als in der Zusammenbindung der Wörter. Ein jedes Ding wird genannt mit der Manier, durch welche es getan wird, wie: ein zerbrochener Baum oder Holz heißt Hazonfoulac, ein zerrissenes Kleid Sichinrota und so fort, daraus der Reichtum dieser Sprache abzunehmen.
Die Buchstaben, deren die Ombyassen sich bedienen, sind arabische, 28 an der Zahl. Sie schreiben von der rechten zur linken Hand. Etlicher Aussprache stimmt mit den Arabischen überein. Die Araber, vor 200 Jahren hier angelandet und von dem Kalifen von Mekka gesandt, haben diese Buchstaben mitgebracht, darin sie die Wilden, wie auch im Koran damals und noch heutigen Tages unterweisen.
DER KAUFHANDEL unter ihnen besteht nur im Tauschen der Waren gegen andere, denn Geld ist bei ihnen nicht bekannt. Bekommen sie Gold oder Silber von Fremden, so schmelzen sie es und machen Minilies oder Armringe davon. Aber die gläsernen Perlen und andere Waren, die sie von den Franzosen bekommen, dienen ihnen sehr wohl anstatt Geldes, wenn sie tiefer ins Land reisen, Ochsen, Baumwolle, seidene Kleider, Eisen, Assagayen, Beile, Messer und andere Sachen, deren sie bedürfen, zu kaufen. Wer Baumwolle nötig hat, gibt Reis oder Vieh dafür. Wer Vieh vonnöten hat, zieht mit Baumwolle an den Ort, wo gute Viehzucht ist und tauscht sie dafür. Sie vertauschen auch Gold und Silber gegen Kupfer und Eisen.
Aber insgemein legen sie sich wenig auf den Handel und verlachen die Franzosen, wenn diese sie ermahnen, etliche Waren zusammenzubringen und zu verhandeln. So bleiben deshalb dieselben verborgen, obwohl doch in der Insel Saphire, Rubine, Smaragde und andere Edelgesteine zu finden, wie man von den wenigen, welche die Franzosen von dort nach Europa geschickt, abnehmen kann. Die Waren, die ihnen am liebsten, sind rote Korallen von allerlei Größe mit Löchern, daß sie sie an eine Schnur bringen können, daneben dicker Messingdraht und andere Krämerwaren, wie messingene Kettlein, Scheren, Messer, Beile, Hackmesser, Hammer, Nägel, Schlösser und andere kleine Sachen, die man mit großem Gewinn gegen ihre inländischen Waren verhandeln kann.
Flakourd in seiner Madagaskarischen Beschreibung urteilt, daß diese Insel zur Fortsetzung des Handels mit dem Mohrenland, gegen das Rote Meer, Persianischen Busen und andere Orter in Ostindien gelegen, sehr bequem sei, teils wegen des Holzes zum Schiffbau (welches auch von hier an alle obengenannten Orter geführt werden könnte und für andere Waren verhandelt), teils wegen der Waren, die das Land gibt, wie Eisen, Stahl, Reis, unterschiedene Farben, wohlriechendes Holz, Wachs, viel tausenderlei Gummen (Gummi) und andere Sachen mehr. Er fügt hinzu, daß diese Insel gleichsam zu einer Leiter oder Treppe - um die Schiffahrt nach Ost-Indien dabei zu erhöhen und in Ansehen zu bringen - dienen kann.
DIE ART ZU KRIEGEN: Was den Krieg anlangt, so wissen sie nichts davon, sich Schlachten zu liefern oder einen gewissen Tag dazu zu bestimmen. Wenn sie einen Anschlag auf ihren Feind haben, versammeln sie sich heimlich und trachten denselben, ehe er sichs vermutet, in der Morgendämmerung zu überfallen. Sie umgeben den Ort, wo ihre Feinde sind, von allen Seiten, fallen ihn mit einem schrecklichen Geschrei an, machen alles nieder, ja verschonen auch des Kindes an der Mutter Brust nicht, sondern hauen es wie tolle Bestien in Stücken. Wenn das erste Rasen vorbei, machen sie alle übrigen zu Sklaven, doch vornehmer Leute Kinder ausgenommen, die sie umbringen, weil sie das ganze Geschlecht - aus Furcht, daß die Nachkommen heute oder morgen ihrer Eltern Tod rächen möchten - auszurotten pflegen.
Im Fechten halten sie keine Schlacht- noch andere Ordnung, sondern fechten alle untereinander und ein jeder hat acht, den Feind zu treffen. Sie machen aber doch tausenderlei Sprünge und Verstellungen des Gesichts und Leibes, höhnen den Feind mit schimpflichen Liedern und Bedräuungen, um ihm Furcht einzujagen.
Wenn sie einen niedergemacht, machen sie ein häßlich Geschrei, und kein Sklave ist so schlecht, daß er nicht seinen Assagay dem Getöteten in den Leib stößt. Während des Feldzuges tanzen die Frauen und Töchter Tag und Nacht, schlafen in ihren Hütten nicht und enthalten sich wie sehr sie sonst zur fleischlichen Wollust geneigt, des Mannsvolks. Denn sie halten für gewiß, daß ihre Männer sonst umkommen würden oder verwundet werden wie auch, daß ihr Tanzen ihnen Kräfte und Mut gibt.
DiE BESCHNEIDUNG wird mit großer Solemnität gemeiniglich im Mai gehalten. Dann kommen alle Blutsfreunde und die ganze Schwägerschaft des Kindes in das Dorf, wo die Zeremonie geschehen soll. Die Eltern bringen Wein dahin oder vielmehr, sie haben Honig dahin gebracht, um Wein davon zu machen, und schenken einen Ochsen oder Stier für jedes Kind, doch die ausgenommen, die nicht viel vermögen. Die Männer spielen mit Assagayen, darunter die Trommelschläger ihre Trommel rühren. Sie ist aus einem ausgehöhlten Stück Holz gemacht und auf einer Seite mit einer Bocks- auf der ander mit einer Ochsenhaut überzogen, also daß sie auf eine Seite mit der Hand, auf der andern mit einem Stock geschlagen wird.
Die Blutsfreunde - sowohl Weiber als Mägde - tanzen um denjenigen, der mit dem Assagayen die Übung tut, und machen wunderliche Posturen und Gebärden, als wen sie damit sein Rasen bezwingen und danach wieder entzünden wollten. Er macht auch seinerseits häßliche Gebärden und Vorstellungen des Gesichts mit dem Munde den Augen, Knirschung der Zähne, so greulich, wie e immer tun kann, um zu beweisen, daß er seinen Feinde Schrecken einjagen kann.
Wenn alle diese Übungen vollbracht sind, tanzen und singen alle jungen Burschen, Frauen und Jungfrauen gewisse Gesänge, nach welchen der Herr des Dorfes, der die Beschneidung verrichtet, sie nötigt, Met zu trinken. Davon saufen sie so viel als sie hineinbringen können, und tut der Völlste der Versammlung die größte Ehre an. Des Abends werden Ochsen geschlachtet, bisweilen auf ein paar hundert Stück, welche noch dieselbe Nacht mit Haut und allem aufgefressen werden.
Des folgenden Morgens hält sich ein jeder stille. Aber die Eltern machen unterdessen ihre Kinder fertig und die Mütter schlafen des Nachts bei ihren kleinen Kindern in der Lapa, das ist Kirche, welche einen Monat zuvor mit sonderlichen Zeremonien von den Eltern und Ohmen der Kinder gebaut wird. Der Vater darf die Mutter diese Nacht nicht berühren. Auch darf sich niemand bei der Beschneidung finden, der der Liebe gepflegt. Denn sie haben den Aberglauben, daß das Blut in Gegenwart einer solchen Person nicht zu stillen sein sollte, sondern das Kind sterben müsse. Desgleichen darf niemand nichts Rotes tragen, und wer etwas hat, muß es verbergen.
Des Morgens, wenn der Tag anbricht, gehen sie sich alle baden mit Trommeln und Singen. Die Trommelschläger, sobald die Sonne aufgeht, brechen heraus mit mancherlei Worten der Anbetung, gleichwie der Beschneider mit Vorbringung dieser Worte sich hören lässt, das bedeutet, »Sei gegrüßt mein Gott. Ich kniee vor Dir nieder. Ich beschneide heute diese Kinder u. s. f.«
Hernach kommen sie in die Lapa oder Kirche, dahin sie auch die Kinder bringen, welche die Mütter mit Korallen, Edelgesteinen und anderem Zierat, um den Hals gehangen ausgeputzt, und halten sie des zehn Uhr morgens, wo sie noch nüchtern sein müssen, zur Beschneidung bereit. Dann rührt man die Trommel und der Beschneider tut sein bestes Kleid an, verbirgt, was er Rotes an sich hat und schafft die rot bekleideten, desgleichen die Mägdlein und Jungen, welche des Nachts miteinander gespielt und gejauchzet haben, hinweg. r macht auch eine Binde von einem Strang weißen Baumwollgarns und bindet sie um den linken Arm, das Messer abzuwischen.
Endlich nimmt ein jeglicher Vater sein Kind unter die Arme und geht quer durch die Lapa, zur Westertür eintretend, zur Ostertür austretend, zehn und zehn hintereinander. Wenn sie zwei Gänge getan, tun sie zwei für den Ochsen, die zum Opfer dahin gebracht sind und berühren das rechte Horn eines jeden Stiers (welche auf der Erde mit allen Vieren aneinandergebunden liegen) mit des Kindes linker Hand und setzen es einen Augenblick auf den Buckel. Dann wird allem Volke befohlen, herauszugehen, und es wird ein weiter Platz gemacht. Darauf erscheint der Älteste oder Beschneider mit seinem Messer und beschneidet die Kinder, deren Vorhaut der Ohm empfängt und in das Gelbe und Weiße eines Hühnereies, welches er in seiner Hand hält, legt. Aber ein Roandrian oder Anakandrian, der dorthin geholt worden ist, das Vieh zu schlachten, sticht vor jedem Kinde einem Hahne die Kehle ab und träufelt das Blut auf die Wunde; darauf ein anderer den Saft eines Krautes drückt, das Hota genannt wird, welches eine Art Klee ist, dem Kraut Prunella gleich.
Diesen Tag, der bei allen heilig ist, wird kein Rasen gemacht, trinkt sich auch niemand trunken. Die Priester werden bei ihnen Ombvassen genannt. Sie haben viel Ämter, die mit den Kirchenämtern der Römisch-Katholischen übereinstimmen. Die meisten lehren die arabische Sprache, gleich wie die lateinische und griechische hierzulande gelehrt wird.
Diese Leute heilen Krankheiten, machen Talimans, welches Brieflein mit arabischen Buchstaben geschrieben (sind) -, die sie den Reichen verkaufen mit der Versicherung, sie dadurch von tausenderlei Zufällen, Krankheiten, Donner, Brand, Feinden, ja vor dem Tod selbst zu bewahren; wiewohl diejenigen, so solche machen, sich selbst davor nicht beschirmen können. Diese Schälke gewinnen viel mit diesen Brieflein, weil sie die hoch rühmen, indem sie dafür Vieh, Gold, Silber, Kleider u. s. f., bekommen. Das Volk fürchtet sich sehr vor diesen Ombyassen, wegen ihrer Zauberei und Wahrsagens.
REGIERUNG: Heutigentages hat jede Landschaft ihren Herrn (Dian), der über jedes Dorf einen Vogt (Filoubei) zu setzen pflegt. Es ist auf der ganzen Insel nicht ein Fuß breit Erde, die nicht ihren gewissen Herrn habe. Es ist deshalb erdichtet und ohne Grund, daß ein jeder dort nach Belieben sich Ländereien zueignen könne.
Dapper; Olfert
Umbständliche und Eigentliche Beschreibung Afrikas
Amsterdam 1670; Nachdruck Stuttgart 1964